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Dänemark übernimmt Montag den EU-Vorsitz

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

Das traditionell EU-kritische Dänemark übernimmt am Montag turnusmäßig die EU-Präsidentschaft von Spanien. Laut Programm sollen wieder drei "E" den sechsmonatigen Vorsitz dominieren: "Enlargement, Enlargement, Enlargement". Zur Erweiterung der Europäischen Union um zehn Länder stehen im Herbst in der Tat entscheidende Entscheidungen an. Da Dänemark nicht an der Euro-Zone und auch nicht an der EU-Verteidigungspolitik teilnimmt, übernimmt den Vorsitz hier bereits Griechenland, das nachfolgende Präsidentschaftsland.


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Derzeit wird in der Europäischen Union jedes Wort auf die Waagschale gelegt. Keinesfalls möchte die EU den Eindruck vermitteln, die für 2004 geplante Aufnahme von zehn neuen Mitgliedstaaten könnte verschoben werden. Weniger weil manche der Kandidatenländer, mit denen über eine Mitgliedschaft verhandelt wird, nicht im Zeitplan liegen. Die EU-15 selbst könnten für eine Verschiebung der Erweiterung sorgen. Dann nämlich, wenn sie sich über die weitere Auszahlung der direkten Agrarfördermittel nicht einigen können sollten. Und wenn Irland bei der zweiten Volksabstimmung den Nizza-Vertrag ablehnt, der in erster Linie die Mitsprache der neuen Mitgliedsländer regelt. Außerdem könnten "einige Mitgliedstaaten", wie sich mancher EU-Diplomat verklausuliert ausdrückt, "historische Fragen" zum Grund dafür machen, dass sie den Erweiterungsvertrag ablehnen.

Gegen Verschiebungen

Der dänische Ministerpräsident und ab 1. Juli EU-Ratspräsident, Anders Fogh Rasmussen, hat seine EU-Kollegen bereits davor gewarnt, wegen des Streits um die Agrasubventionen die anstehende Erweiterung auf die lange Bank zu schieben. "Die zukünftige Reform der gemeinsamen Agrarpolitik sollte keine Vorbedingung für die Erweiterung sein", so Rasmussen. "Selbst kleine Verzögerungen bei den Verhandlungen könnten zu einem langen Aufschub der Erweiterung führen." Weniger die vergleichsweise armen Bauern in Polen scheinen hier das Problem zu sein, sondern der Hochmut der Mitgliedstaaten.

Bis Anfang November sollen sich die EU-15 darauf geeinigt haben, wie mit den direkten Einkommenshilfen für die Landwirte der neuen Mitgliedsländer verfahren wird. Die EU-Kommission hat (die "Wiener Zeitung" berichtete) eine Einschleifregelung vorgeschlagen, wonach die neuen Mitglieder im ersten Jahr 2004 25 Prozent und erst bis 2013 hundert Prozent der Förderungen erhalten sollen. Der Kommissionsvorschlag ist sowohl bei den Beitrittskandidaten umstritten, die sich gegenüber den jetzigen Mitgliedstaaten benachteiligt sehen, als auch innerhalb der Union: Während sich Deutschland angesichts der angespannten finanziellen Situation gegen jegliche Mehrbelastungen in Folge der EU-Erweiterung wehrt, möchte Frankreich an den vollen Agrarförderungen festhalten.

Für einen EU-Sondergipfel zu den Agrarbeihilfen, wie er von Deutschlands Außenminister Joschka Fischer ins Spiel gebracht worden war, sieht das neue EU-Vorsitzland Dänemark keinen Bedarf. Ventiliert wurde auch eine Verschiebung des Herbst-Gipfels (am 24. und 25. Oktober in Brüssel) wegen der Regierungsbildung nach den deutschen Bundestagswahlen, die vier Wochen nach der Wahl vielleicht noch nicht abgeschlossen ist. Beim Brüsseler Gipfel soll nämlich die EU-Kommission laut Plan ihren Bericht darüber abgeben, mit welchen Kandidatenländern noch dieses Jahr die Beitrittsverhandlungen abgeschlossen werden können. Beim Dezember-Gipfel in Kopenhangen erfolgt dann der Schlusspfiff für die Verhandlungen. Jegliche Verschiebung wird vom neuen EU-Vorsitz abgelehnt (und könnte auch nur von der amtierenden Präsidentschaft beschlossen werden). Ein derartiger Beschluss würde von den Beitrittskandidaten als negatives Signal gedeutet werden und könnte die dortige Pro-EU-Stimmung umstoßen.

Dänischer Sonderfall

Eine harte Nuss übergibt Spanien an Dänemark auch mit dem Zypern-Konflikt und dem Streit zwischen Griechenland und der Türkei wegen der EU-Eingreiftruppe. Dabei nimmt das neue EU-Vorsitzland selbst nicht am Aufbau der EU-Vertieidgungspolitik teil. Denn mit der Abstimmung über den EU-Vertrag von Maastricht 1992 hat Dänemark nicht nur den Euro, sondern auch die verteidigungspolitische Integration in die EU abgelehnt. In der Innen- und Justizpolitik gilt für das Land der Vorbehalt, dass Änderungen einstimmig beschlossen werden müssen. Bei der Arbeits- und Sozialpolitik sowie beim Verbraucher- und beim Umweltschutz kann es über das EU-Niveau hinausgehende strengere Schutzmaßnahmen erlassen. Die nationalen Systeme der Einkommenspolitik und die Sozialleistungen sollen nicht von der Gemeinschaft angetastet werden. Dem Schengener Abkommen ist Dänemark hingegen im Vorjahr sehr wohl beigetreten. Eine Ausnahme gilt für Dänemark auch bei der in Maastricht beschlossenen - theoretischen - EU-Bürgerschaft.

Die dänische Ratspräsidentschaft im Internet: http://ue2002.dk