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Daniel Spoerri

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Reflexionen
Eine Puppeninstallation von Eva Aeppli im Ausstellungshaus Spoerri.Foto: Borchhardt-Birbaumer

Daniel Spoerri und seine Mitarbeiterin Barbara Räderscheidt sprechen über das vielgestaltige Lebenswerk des Künstlers, der seit 2007 in Wien und in Hadersdorf am Kamp lebt und arbeitet.


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"Wiener Zeitung": Herr Spoerri, Ihr Ausstellungshaus und Esslokal "Eat Art & Ab Art" hat mit dem veralteten Typus des monografischen Museums nichts zu tun. Im Gegensatz zum Nitsch- oder Rainermuseum handelt es sich hier also um eine Stätte, wo Sie Ihre Kunst mit den Arbeiten anderer Künstler zusammenbringen. Derzeit sind Werke Ihrer Weggefährtin Eva Aeppli zu sehen. Was passiert also in Hadersdorf? Daniel Spoerri: Es soll in der Tat kein Haus sein, das exklusiv einem Künstler gewidmet ist. Denn da hat ja dann - wie bei Nitsch etwa - tatsächlich nichts mehr daneben Platz. Aber bei mir passiert etwas im Umkreis einer Welt, in der ich gelebt habe.

Barbara Räderscheidt: Ich befasse mich schon lange mit Spoerris Werk, deshalb ist die Arbeit hier fast eine logische Folge für mich. Ich betreue von hier aus die weltweite Ausstellungsorganisation und das Werkverzeichnis. Dass in Hadersdorf Eva Aeppli den Anfang bei den Freundesausstellungen macht, ist eine besondere Freude - ihr Werk hat mich früh noch mehr beeindruckt als das von Daniel Spoerri. Auch bei unseren Besuchern ist großer Respekt zu spüren. Das Haus wird gut angenommen, sogar von Kindern, alle gehen dankbar weg.

"Für mich ist nicht Bekanntheit das Kriterium" (Spoerri).Foto: Ivo Saglietti

Wie ist das mit Ihrer Stiftung von Werken an das Land Niederösterreich ?

D.S.: Diese Schenkung ist ganz aktuell, sie wurde am 30.7. unterschrieben - es sind achtzig Werke. Eine Nummer umfasst 40 kleinere Arbeiten, Collagen, die anderen 40 sind wichtige, meist großformatige Exponate aus den letzten 30 Jahren, die ich gerne in einer Hand sehen wollte.

Das Land ist Förderer der Ausstellungsprojekte? D.S.: Teilweise. Es wird zumindest gesichert sein, dass auch nach mir das Ausstellungshaus mit einer Wechselausstellung jährlich bestehen bleibt. Es soll ein kostbares Juwel sein, wobei der Betrieb im Esslokal im Sinne meiner frühen Eat Art funktioniert.

Früher war ich berühmt dafür, dass mich alles Essbare interessierte. Und damit meine ich auch einen alten Schuh, den man auch essen kann, wenn man ihn lange genug kocht. Leder ist Haut von einem Tier, also essbar, und wir sind die einzigen Tiere, die kochen.

2007 ist der nomadisierende Künstler Spoerri in Wien und Hadersdorf angekommen, um ein zweites Projekt neben dem Giardino in Seggiano/Toskana in Angriff zu nehmen. Warum gerade hier? D. S.: Weil ich mich in Wien wohl fühle. Ich war fast 20 Jahre in Italien, mit einer Sprache, die ich schlecht beherrsche, bis heute lese ich nur Bücher in englischer und französischer Sprache. Ich war schon bei früheren Anläufen in Wien glücklich, während des Unterrichts an der Angewandten in den 1980er Jahren. Jetzt ist es fast eine Modestadt.

Eva Aeppli war die Erste, die seinerzeit den Tänzer, Regisseur und Schreiber Daniel Spoerri mit bildenden Künstlern vernetzte. Welche Kollegen werden ihr in Hadersdorf folgen? Oder ist das Programm geheim?D.S.: Eva habe ich als Künstlerin immer sehr geschätzt, für mich ist nicht Bekanntheit das Kriterium, sondern das Werk - wahrscheinlich wird André Thomkins die nächste Ausstellung bekommen, den halte ich für unterschätzt. Er ist ein ganz bedeutender Zeichner, der kein Werk als Maler oder Bildhauer hinterlassen hat. Es gibt nur Skizzen von ihm und das kleine Haus mit seinen intimen Zimmern eignet sich für ihn besonders gut. Ich habe das Sprachspiel von ihm gelernt, er hat in allen möglichen Sprachen Palindrome erfunden - "Dogma I am God" zum Beispiel - das kann man auch rückwärts lesen. Er beweist damit wunderbar, dass der Gottesbeweis ein Zirkelschluss ist.

1957 haben Sie in der Zeitschrift "material" Konkrete Poesie herausgegeben, und es gibt Werkgruppen, die mit diesen frühen Sprachspielen korrespondieren. Dazu gehören die "Wortfallen". Können Sie deren Methode kurz erklären? B.R.: Es gibt Redewendungen, die jedem geläufig sind. Spoerri setzt sie wörtlich in Objekte um - "das sticht in die Augen" zum Beispiel. Da steckt eine Schere in den Augen eines schön modellierten Kopfes.

Daniel Spoerri und Barbara Räderscheidt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung"- Mitarbeiterin Brigitte Borchhardt-Birbaumer (rechts).Foto: Borchhardt-Birbaumer

D.S.: Wenn man Sprache wörtlich nimmt, deckt man auch ihre Grausamkeiten auf: "Sich etwas einhämmern" - wenn man einen Puppenkopf mit einem Hammer einschlägt, ist das furchtbar, auch wenn es nur die Sprache widerspiegelt.

Berühmt wurden Sie durch die doppelbödigen "Fallenbilder", die aber seit 1960 eine große Wandlung durchmachten. Entstehen heute noch Abarten davon? D.S.: Früher bestand das Fallenbild aus einer vorgefundenen Situation, die ich nicht bearbeitet habe. Ich habe die Objekte nur berührt, um sie zu fixieren, aber ich habe nichts verändert. Alles wurde belassen, wie es war. Dadurch wollte ich konstatierend einen Ausschnitt von Welt so fixieren, wie ich ihn vorgefunden habe. Heute mache ich mit großer Freude "Falsche Fallenbilder", das heißt ich fälsche mein früheres Konzept selbst. Dadurch kann ich die Löffel und Teller so aussuchen, wie sie mir gefallen. Diese "falschen" Bilder machen mir jetzt mehr Spaß als die "echten".

Damals wollte ich zeigen, dass ein Künstler nur die Idee haben muss, aber sonst nicht kreativ zu sein braucht. Es war für mich ein wichtiges Moment, Dinge einfach an die Wand zu hängen. Das war die Tabula rasa, von der aus ich anfing. Es gab damals mehrere solche Konzepte - Christo verpackte alles, Yves Klein strich alles blau, Jean Tinguely zeigte die Bewegung an sich. Die ganze Gruppe "Nouveau Réalisme" variierte nur ein Konzept.

Das allererste Fallenbild habe ich weiß gespritzt und dann wieder weggeschmissen, weil mich das Abstrahieren gestört hat. Das Bild hätte einfach so bleiben müssen, wie es war. Dann kam Yves Klein und bot mir eine Kollaboration an: Zehn Objektbilder von mir sollten blau gespritzt werden und ich war zuerst stolz, denn er war älter als ich und ein etablierter Künstler. Ich war Ausländer und ein armes Würstchen in Paris. Also fand ich den Vorschlag toll, bis ich merkte, dass er meine Idee zerstören würde. Da habe ich abgesagt. Klein war konsterniert, sagte, er habe ja nur helfen wollen . . .

Aber heute ist die Falle eine selbst gestellte? D.S.: Mir macht es Spaß. Ich überlege heute nicht mehr, ob ich kunsthistorisch relevante Sachen mache . . .

Hat man das damals überlegt?D.S.: Ja, wir waren überzeugt, dass wir die Welt aus den Angeln heben . . . obwohl ja viele Dinge ephemer waren. Aber ephemer ist schließlich alles. Kunstgeschichte ist die Geschichte des Sehens, die zegt, wie man die Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt sah. Als solches bleiben auch unsere Werke: Sie dokumentieren, wie man in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Welt sah. Schließlich ist die Renaissance nichts anderes als die Welt, wie man sie um 1500 sah. Dass man sich die Bilder von damals auch heute noch gerne an die Wand hängt, ist eigentlich zweitrangig. Es gibt immer Perioden, die man mehr oder weniger gerne mag. Bach hat man zwei Jahrhunderte nicht hören können, plötzlich hören wir ihn gerne.

Ist in diesem Sinn jedes Fallenbild durch seine Augenblicklichkeit des Umsetzens auch ein Memento mori oder ein Erinnerungsbild? D.S.: Das waren die Bilder von Anfang an. Alain Jouffroy, Dichter und Kritiker neben Pierre Restany in Paris, hat sofort den Todesaspekt erkannt. Ich war anfangs sauer, als ich das hörte, aber natürlich haben sie mit dem Anhalten der Zeit zu tun.

Ihr besonderer Beitrag für die "Nouveau Réalistes" war die Eat Art. Das Zelebrieren des Kochens als Probe für die Sinneswahrnehmung. Ihre Bankette gestalteten Sie mit Sprachwitz: Menschen, die zum Beispiel Karl Marx heißen wurden eingeladen und dergleichen - ist das heute noch erweiterungsfähig? D.S.: Es gab etwa zehn Bankette - eines mit der Idee des Homonymen und Homophonen. Das hat den Witz, als Theaterereignis zu funktionieren, in dem jeder mitspielt. Es gab zwei Friedrich Schiller, und Karl Marxe gibt es in Deutschland ein paar tausend. Meistens waren es einfache Familien, die aus Ehrfurcht vor dem großen Namen Söhne so benannten. Das ist eine Strafe, wenn einer Johann Wolfgang Goethe heißt und Lagerarbeiter bei der Bundesbahn ist.

Ein kompliziertes Konzept ist das "Palindromische Bankett". Die Idee ist einfach: das Essen läuft optisch falsch, aber gustativ richtig ab. Man isst in der richtigen Reihenfolge, aber alles sieht anders aus: die Suppe ist ein Kaffee, der Kaffee am Schluss ist eine Suppe, das Eis ein gefärbtes Kartoffelpüree - Fleischpralinen, Cremetorten aus Fischmousse. Da werden die Sinne in Frage gestellt.

B.R.: Diese Essen sind sehr anstrengend, kein wirklicher Genuss.

D.S.: Ein anderes Essen stellt Reich und Arm in Frage: die Leute zahlen und es wird gewürfelt. Niemals wird ein Würfelwurf den Zufall abschaffen. Durch einen Würfler aus dem Publikum bilden sich zwei Hälften - gerade und ungerade. Dann essen die einen reich, werden vornehm bedient auf gutem Geschirr, mit Flaschenwein, und gegenüber sitzen die Armen und ihnen wird einfaches Essen lieblos hingestellt. Doch die Pointe am Schluss lässt merken, dass die Armen besser gegessen haben als die Reichen. Die Armen hatten besseren Wein und besseres Brot - das war der lehrreiche Überraschungseffekt. Es geht mir in vielen Sachen um eine In-Frage-Stellung, wenn ich die erreiche, bin ich glücklich.

Ist Ihre Eat Art eine Vorform von Eventkultur und Teamwork? Ihr Ausstellungskonzept mischt ethnologische Holzskulpturen und Masken aus Zentral-Afrika, Teppiche aus Marokko, mit eigenen Werken, in denen es auch multikulturelle Ansätze gibt. Waren Sie also schon in "postkolonialem" Geist einer globalen Kunstauffassung verpflichtet, bevor es diese Zeitgeist-Begriffe überhaupt gab? D.S.: Junge Kunst glaubt immer, sie erfindet alles neu, wir haben das auch geglaubt. Schließlich haben die Dadaisten auch schon Happenings gemacht, man nannte sie nur noch nicht so. Diese Alten sagten damals zu uns: Das haben wir auch schon gemacht. Ich finde das gut so.

Das heißt, Schwitters war Vorbild bei Montage und Wortspiel, und Marcel Duchamp mit seinem zynischen intellektuellen Konzept des Ready-made? D.S.: Das waren unsere Großväter. Ich habe einmal wörtlich zu Duchamp gesagt (denn er war jemand, den ich sehr schätzte und der mich anrief, wenn er in Paris war, um mich zu treffen): Sie sind mein Großvater. Darauf fragte er: Warum nicht Ihr Vater? Ich hatte ihn zu sehr in die Ferne gerückt.

Eine weitere Ihrer bekannten Prägungen ist das "Musée sentimental", das Sie zusammen mit Marie Louise Plessen entwickelt haben und dann in mehreren Städten, manchmal unter Beteiligung der Anwohner durchgeführt haben. Wie geht es damit weiter? D.S.: Ich kann verraten, dass eine Fortsetzung in Graz gesichert ist, bei der ich nur noch die "Oberwolke" spiele. Das Team wird nicht mehr von mir geführt, sondern meine Ideen werden weiter gesponnen.

Sind Sie also nur als Konzeptkünstler dabei? D.S.: Ja, ein paar Säle werden von mir mit Stichworten illustriert, die zu einem Territorium wie Graz passen. In Krems fand ich als Ausländer den "Kremser Senf", denn ein Kremser kennt den Zusammenhang mit möglicher Herstellung oder Kräuterpflanzung vor Ort nicht. In Stein haben wir mit Bazon Brock zusammen gearbeitet. Er hat die Anwohner aufgefordert, aus ihrem Besitz ein "liebstes Gut" in die Öffentlichkeit einzubringen. Unser System war etwas anders, wir befragten die Geschichte zu Stichwörtern wie "Donau" oder "Gefängnis in Stein". All das lässt sich mit Objekten gut illustrieren.

Ihre Assemblagen verbinden das Schöne und das Schreckliche mit anderen Gegensätzen wie Virtuosität und Dilettantismus. Wie weit sind die "Détrompe l´il" oder Enttäuschungsbilder wie die "Morduntersuchungen" eine Neuauflage des Manierismus? D.S.: Ich kann das einfacher erklären - auf der Platte liegen Objekte, und wenn die sich widersprechen, dann entsteht das Staunen, das ist alles. Wenn die Unterlage etwas beinhaltet und ich lege etwas drauf, das Gegensätzliches bedeutet, dann staunt man. Ein alter, rostiger Löffel auf dem Foto eines Erschossenen wird zum Corpus Delicti, der Dreck wird Blut. Dasselbe passiert auch akustisch: Wenn man Tiere im Balztanz filmt, kann man das mit jeder beliebigen Musik unterlegen, die Tiere scheinen ihr immer zu folgen. Wir korrelieren Sinneseindrücke und vernetzen. So gesehen bin ich Manierist.

Mit Studenten zusammen entstanden Rauminstallationen zu "Alice in Wonderland" - waren das Exempla für die Verwandlung von Literatur in Bildtheater? Wie muss man sich Ihren Unterricht vorstellen? D.S.: Ich ging selten von der Literatur aus, es lief so, weil ich nichts anderes lehren kann. Ich bin kein Zeichner oder Bildhauer. Mit den Studenten tat ich das, was ich künstlerisch tue: Bankette, Eat Art. - In Köln fiel mir ein, dass ich das homonyme Bankett von Paris wiederholen könnte. Der Direktor der Schule hieß Karl Marx, das war der Ausgangspunkt, dazu das Telefonbuch von Köln, wo wir Goethe und Schiller, Witwe Bolte, Herrn Hinz und Frau Kunz fanden. Zum Essen wurden Schillerlocken, Bellmer Champagner, Mozartkugeln usw. angeboten, alles Speisen mit berühmten Namen.

19 Ausstellungen habe ich mit Studenten gemacht, sie haben in der Praxis gelernt, wie man einen Katalog macht, eine Idee realisiert. In München ging es um die 175-Jahrfeier der Akademie - gekoppelt mit der Olympiade machten wir ein Essen nach astrologischen Gesichtspunkten für 100 Teilnehmer pro Tierkreiszeichen. Doch es kamen 5000, das war ein bedrohliches Gedränge.

Und jetzt geben Sie der Bronzeskulptur ein aktuelles Leben. D.S.: Auf die letzte Serie bin ich sehr stolz, begonnen habe ich mit Assemblagen aus Bronze, weil ich von der Unterlage ins Dreidimensionale wechseln wollte. Mit dem Bronzeguss kann man sie vereinheitlichen. Dann fiel mir auf, dass Bronze mit den Stegen der Gusskanäle einen eigenen Reiz hat, es sind "Originale in Serie", jedes wird in Teilen etwas anders zusammengesetzt.

Warum heißen Ihre Skulpturen "Prillwitzer"? D.S.: Mit Barbara machte ich mich auf die Suche nach einer Reihe primitiv gegossener Objekte, die ich in einem Buch von 1771 gesehen hatte. Es stellte sich heraus, dass es sich um eine merkwürdige Fälschung handelt, an die man 150 Jahre lang glaubte. 1750 wurde im Ort Prillwitz eine Serie angeblich früher slawischer Bronzen gefälscht. So was zieht mich an - es gibt Prillwitz, Ausschwitz, den Witz, viele jüdische Namen enden mit -witz, diese slawische Endung interessiert mich. Viele Gedankenebenen führten zu dem Titel meiner Serie.

B.R.: Damals wurden die Fälschungen "Prillwitzer Idole" genannt, aber dass Spoerri das adoptiert, ist natürlich mehr als ein bloßes Zitat.

Verbirgt sich im spontanen Verfremden von Alltagsgegenständen nicht auch die Gefahr der Wiederholung? Wie belebt man das Sinnlose? Das kann doch nicht jeder. D.S.: Die meisten Leute meinen, sie können drei Objekte einfach kombinieren und das ist es. Wie man es belebt, weiß ich nicht, sicher durch Einfälle, man kann es sogar schief laufen lassen.

B.R.: Wenn es eine Methode gibt, dann sind die Flohmärkte anregende Orte, um neue Verbindungen herzustellen, dort fällt einem vieles zu. Die Ordnung dort ist ja zu-fällig.

Sie sprachen einmal von einer Fahrt, die Sie auf der Donau in Ihr Geburtsland Rumänien unternommen haben...D.S.: Ich war dort, habe die Reise aber abgebrochen. Sie war zu beschwerlich, trotz guter Organisation. Die Straßen bestehen nur aus Schlaglöchern. Ich fand aber noch das Haus, in dem wir gewohnt haben, und nachdem ich den Ort gesehen hatte, wo das Pogrom von Jasch (Iasi) stattgefunden hat, bin ich zurückgefahren.

Das betrifft den Mord an meinem Vater vor 70 Jahren. Immer hieß es, die deutschen Nazis hätten ihn umgebracht, aber es waren die rumänischen Faschisten. Ich ging auf den Bahnhof, wo 13.000 Menschen in Waggons umkamen. Es war 1941 - der Gedenkstein, den man mir zuerst zeigte, war für die Rumänen, es gibt aber auf dem jüdischen Friedhof breite Betonbahnen für die Massengräber. Die jüdische Gemeinde in Jasch hat heute 200 Mitglieder, im Vergleich zu 20.000 früher - das zeigt, was dort passiert ist. Direkt am nächsten Tag nahm ich ein Flugzeug nach Wien.

Daniel Spoerri

Daniel Spoerri, geboren 1930 als Daniel Isaac Feinstein in der rumänischen Stadt Galati, lebt seit 1942 in Zürich. Er besuchte dort eine Theatertanzschule und war als erster Tänzer am Berner Stadttheater und als Regisseur in Darmstadt tätig. In den fünfziger Jahren begegnete er Meret Oppenheim, Marcel Duchamp, Eva Aeppli, Jesús Rafael Soto und Dieter Roth, und gab 1957 die Zeitschrift "material" mit konkreter Poesie heraus.

1960 unterzeichnete Spoerri zusammen mit Pierre Restany, Jean Tinguely, Yves Klein, Arman und Martial Raysse das Manifest des "Nouveaux Réalisme" und es entstanden erste "Fallenbilder" als Überreste eines Banketts. Bis heute hat Spoerri davon viele konzeptuelle Varianten durchgespielt.

1968 gründete der Künstler das Restaurant Spoerri und die Eat Art Galerie in Düsseldorf. Das Kochen ist in seiner Objekt- und Prozesskunst sowie in seinen Filmen von Bedeutung. Sein Projekt "Le musée sentimental" wurde 1976 in Paris, 1979 in Köln und 2009 in Krems/Stein durchgeführt, eine Fortsetzung in Graz ist geplant. Spoerri lehrte an den Akademien von Köln, München, Brest, Wien (Angewandte) und an der Salzburger Sommerakademie. Seine Arbeiten wurden international ausgestellt, u.a. in New York (MoMa), Paris (Centre Pompidou, Musée d´Art Moderne), Köln (Wallraf-Richartz Museum und Wien (Modernes Museum, KunstHaus, Bawag-Foundation).

1997 gründete Spoerri in der Toskana "Il Giardino di Daniel Spoerri" mit eigenen Werken und Arbeiten von 40 Künstlerkollegen. Seit 2007 lebt er in Wien und seit 2008 betreibt er in Hadersdorf am Kamp/NÖ das Ausstellungshaus, das "Kunststaulager" und das "Lokal Eat Art & Ab Art". Heuer hat er 80 Werke in einer Stiftung an das Land Niederösterreich übergeben.

Barbara Räderscheidt

Barbara Räderscheidt, geboren 1959 in Köln, arbeitete nach dem Studium der Fächer Kunst und Englisch als Künstlerin, Kuratorin und Autorin.

1978 lernte Barbara Räderscheidt Daniel Spoerri kennen, und seit 1997 ist sie seine enge Mitarbeiterin. Sie ist Vizepräsidentin der Stiftung "Il Gardino", organisiert Ausstellungen, redigiert Ausstellungskataloge, und erstellt das Werkverzeichnis von Daniel Spoerri.

Am 1. 1. 2010 wurde ihr die Leitung des Ausstellungshauses Ab Art in Hadersdorf übertragen.

Brigitte Borchhardt-Birbaumer ist freie Kunsthistorikerin, Kuratorin, Lektorin an der Universität Wien und Akademie der bildenden Künste und Kunstkritikerin der "Wiener Zeitung".