Studie über die Situation der jungen Wiener: oft in Teilzeit, überqualifiziert und mit hohen Wohnkosten konfrontiert.
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Wien. Die jungen Wiener: Das sind laut Sora-Studie die 15- bis 30-Jährigen in dieser Stadt. Diese Zielgruppe hat sich das Meinungsforschungsinstitut im Auftrag der Arbeiterkammer Wien (AK Wien) langfristig angesehen. Denn die Bevölkerung Wiens werde immer jünger, sagte AK-Präsident Rudi Kaske am Dienstag. Deshalb müsse man sich auch genau ansehen, was Wien in Zukunft braucht. Vermutlich werde Wien noch heuer das "jüngste Bundesland" Österreichs sein.
Zwischen den Jahren 2003 und 2013 wurden Umfragen durchgeführt und Studien herangezogen. Befragt wurden jeweils zwischen 1400 und 1800 Personen. Auf den ersten Blick scheint es dem jungen Wiener in seiner Stadt sehr gut zu gehen: 97 Prozent leben sehr gerne beziehungsweise gerne in Wien. 86 Prozent der Befragten sind mit ihrer allgemeinen Lebenssituation sehr zufrieden beziehungsweise zufrieden. Ebenso zufrieden sind 76 Prozent mit ihrer Wohnung und 82 Prozent mit ihrer Tätigkeit.
Allerdings zeichnen sich auch Probleme ab. Vor allem für Migranten sind laut Studien die Lebensumstände alles andere als rosig. In zahlreichen Studien hätte sich gezeigt, dass Migranten im überdurchschnittlichen Ausmaß prekären Lebenslagen ausgesetzt sind - neben jenen jungen Wienern, die in Wohngemeinschaften oder in Haushalten mit eigenen Kindern leben, und jenen, die in privater Hauptmiete und im Gemeindebau leben. Vor allem Personen, die maximal einen Lehrabschluss oder weniger vorzuweisen haben, hätten oft keine gut bezahlte Arbeit, eine schwierige Wohnungssituation und wenig Geld für Freizeitaktivitäten.
Allgemein haben sich sechs sogenannte Prekaritätsrisiken herauskristallisiert: Teilzeit, befristetes Dienstverhältnis, Überqualifizierung, knapper Wohnraum, befristetes Mietverhältnis, erhöhte Wohnkosten. 37 Prozent der jungen Wiener arbeiten in Teilzeit, weil sie etwa nebenbei einer Ausbildung nachgehen. 17 Prozent haben ein befristetes Dienstverhältnis und 25 Prozent arbeiten in Jobs, für die sie überqualifiziert sind. 12 Prozent leben in zu knappem Wohnraum, 29 Prozent haben ein befristetes Mietverhältnis und bei 24 Prozent machen die Wohnkosten mehr als ein Drittel des Haushaltseinkommens aus. Der Wohnkostenanteil beträgt im Durchschnitt ein Viertel des Nettohaushaltseinkommens.
Eine Mehrheit der jungen Berufstätigen (69 Prozent) sind von mindestens einer der sechs Prekaritätsrisiken betroffen. Zahlreiche Personen seien mehrfach betroffen, warnte Sora-Chef Günther Ogris. 41 Prozent der Berufstätigen in Teilzeit sind beispielsweise auch überqualifiziert. Ein Drittel der jungen Wiener mit befristeten Dienstverträgen hat gleichzeitig einen befristeten Mietvertrag.
Die meisten jungen Wiener leben in Favoriten
Die meisten jungen Menschen in Wien leben in Favoriten - gefolgt von der Donaustadt, Floridsdorf und der Leopoldstadt. Die Hälfte der jungen Wiener hat ihr Elternhaus bereits verlassen. Bei den 30-Jährigen sind es immerhin 93 Prozent. Sie begeben sich allerdings laut Studie mit dem Auszug aus dem Elternhaus in schlechtere Verhältnisse: Sie müssen mehr Geld für weniger Komfort ausgeben. Während noch 19 Prozent im "Hotel Mama" im Eigentum lebten, sind es mit der Gründung eines eigenen Haushaltes nur noch 9 Prozent, die sich Eigentum leisten können. Auch leben 28 Prozent der jungen Wiener in einer elterlichen Gemeindewohnung. Beim eigenen Haushalt sind es nur noch 21 Prozent, die in eine Gemeindewohnung ziehen.
Kaske forderte Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt. Vor knapp zehn Jahren hätten in Wien noch 4400 Firmen Lehrlinge ausgebildet, im Jahr 2013 waren es nur noch 3800. Auch würden die Unternehmen die vorgesehenen Förderungen, etwa für Sprachnachhilfe, nicht abholen. Es werde gejammert, dass Lehrlinge nicht lesen könnten, aber die Unterstützung würde nicht in Anspruch genommen, so Kaske. Auch müssten Praktikantenjobs klar definiert sein. Praktikanten würden nach wie vor oft von den Firmen ausgenutzt. Die Situation von jungen Migranten, die oft unterbezahlt und überqualifiziert seien, solle verbessert werden. Bei Wohnungen soll es Befristungen nur noch geben, wenn der Vermieter Eigenbedarf für sich, seine Kinder oder Enkel geltend macht, lautete eine weitere Forderung.
In ihrer Freizeit halten sich die jungen Wiener gerne im Freien auf. 45 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Grünflächen und Innenhofbegrünungen, gefolgt von mehr angenehmen Orten zum Verweilen - ohne Konsumzwang versteht sich, denn nahezu jeder zweite Befragte kommt mit seinem Einkommen nur "einigermaßen" über die Runden.