Maria Stern verzichtet für Peter Pilz auf ihr Nationalratsmandat. Ihre Hoffnung: ein Schlussstrich unter die Personaldebatten.
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Wien. Er ist wieder da. Acht Monate hatte Peter Pilz nach der vergangenen Nationalratswahl warten müssen, ehe sich eine Chance auf Rückkehr bot. Nach dem Scheitern der "Verhandlungen" mit Martha Bißmann, die nach seiner Belästigungsaffäre an seiner Stelle in den Nationalrat eingezogen war, ist es nun doch die Frauensprecherin der Liste Pilz, Maria Stern, die auf ein ihr zustehendes Mandat verzichtet. Die Rochade wurde durch Peter Kolba möglich, der Ende Mai nicht nur den Klubvorsitz im Parlament, sondern kurz darauf auch gleich sein Nationalratsmandat zurücklegte. Es wäre an Stern gewesen, ins Parlament nachzurücken.
Die Liste Pilz mache seit Monaten "nur wegen Personalfragen" Schlagzeilen, man dringe inhaltlich nicht durch, sie habe sich deshalb entschlossen, "den Gordischen Knoten zu durchschlagen und die Personaldebatten zu beenden", sagte Stern am Donnerstagmorgen vor Journalisten. Der Mitinitiatorin des Frauenvolksbegehrens war anzusehen, dass ihr der Schritt ob der Affäre rund um Peter Pilz nicht gerade leicht fiel.
Die Optik könnte widersprüchlicher nicht sein: Die Frauensprecherin der Liste Pilz macht für den Listengründer Platz, der Frauen sexuell belästigt haben soll und dessen Verfahren nur eingestellt wurden, weil Tatvorwürfe verjährt waren und eine Betroffene gegenüber der Justiz nicht auskunftsbereit war.
Sündenbock Bißmann?
Auf Fragen der Moral oder der Optik aber will sich Pilz erst gar nicht einlassen. Er habe zu den Vorwürfen "alles gesagt", hakte Pilz das Thema kurzerhand ab. Nicht einmal einvernommen sei er geworden. "Wann kommst du wieder?", das sei in den vergangenen Monaten die am häufigsten an ihn gerichtete Frage gewesen. "Die Erwartung der Wähler ist, dass ich in den Nationalrat zurückkehre", so der Aufdecker. Er will sich voll auf die beiden Untersuchungsausschüsse, zu den Eurofightern und zur Affäre BVT konzentrieren, sieht sich als wichtigen Beitrag für die Opposition und die Kontrolle der Regierung: "Die Herrschaften können sich auf was gefasst machen."
Maria Stern habe "einen entscheidenden Beitrag" geleistet, dass er dies tun könne: "Danke, Maria." Nein, habe er gesagt, die Frauensprecherin gehöre ins Parlament. Aber Stern hält die Linie. "Als Peter Kolba gesagt hat, dass er sein Mandat niederlegt, war ich sehr froh, dass der Ball bei mir liegt", so Stern. Die Entscheidung habe sie dann "in der Sekunde" als stellvertretende Parteivorsitzende getroffen - und nicht als Frauensprecherin. Zu den Vorwürfen gegen Pilz werde sie "ausführlich Stellung nehmen, aber nicht heute". Sie habe verzichtet, "damit die Liste Pilz eine Chance hat". Anfang August werde er der Mitgliederversammlung der Partei vorschlagen, Maria Stern zur Vorsitzenden zu wählen, kündigte Pilz an. Stern hofft, diese Funktion künftig auch nutzen zu können, um frauenpolitische Anliegen verstärkt in den Fokus zu rücken, sagte sie im persönlichen Gespräch. Die "denkbar schlechteste Optik" der Rochade sei sowohl ihr als auch Peter Pilz "voll bewusst".
Ob es diese Chance für das zumindest in Personalfragen strauchelnde Projekt des ehemaligen grünen Aufdeckers geben wird, ist allerdings auch jetzt mehr als fraglich. Abgesehen von der Frage der Neuprofilierung des Listengründers könnte es in den kommenden Tagen nochmals zu personellen Diskussionen kommen. Die in Ungnade gefallene Pilz-Abgeordnete Martha Bißmann gilt nun in der Partei quasi als Sündenbock - eine weitere Zusammenarbeit mit ihr könne er sich "schwer vorstellen", so Pilz.
Klubchef Peter Zinggl wurde noch deutlicher: Er werde sich dafür einsetzen, "dass wir die Zusammenarbeit mit ihr beenden". Bißmann soll also aus dem Parlamentsklub ausgeschlossen werden. Nicht alle im Klub aber sind der Meinung, dass ein Ausschluss Bißmanns die beste Lösung für den Konflikt sei, ist hinter vorgehaltener Hand zu erfahren. Die sieben restlichen Abgeordneten seien zwar alle enttäuscht von Bißmanns Verhalten, vor allem von ihren medialen Auftritten der vergangenen Tage. Es sei jedoch fraglich, ob es nicht mit anderen Sanktionen auch getan sei. Davon abgesehen käme auf dann nur mehr sechs "Vollzeit-Parlamentarier" - Pilz will sich ja ausschließlich auf die U-Ausschüsse konzentrieren, für die aber auch Alma Zadic und Daniela Holzinger arbeiten sollen - dann noch mehr Arbeit in den Parlamentsausschüssen zu, ist zu hören.
Konkurrenz um "Kontrolle"
Neben der gelinde gesagt seltsamen Optik rund um Pilz’ Rückkehr kratzt auch noch sein Verhalten in einem schon seit 2011 schwelenden Rechtsstreit am sauberen Image des Ex-Grünpolitikers. Zum Prozesstermin mit Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter, den Pilz im Zuge der Eurofighter-Causa einen "Komplizen der organisierten Korruption" genannt hatte, war Pilz nicht erschienen. Nicht wegen "chronischer Gastritis", wie er am Donnerstag klarstellte, sondern wegen eines Kreislaufkollapses habe ihn der Arzt prozessuntauglich geschrieben. Ist seine Rückkehr ins Parlament auch eine Flucht in die Immunität? Nein, sagt Pilz. Er werde sich "selbstverständlich dafür einsetzen, dass seine Immunität auch weiter aufgehoben bleibt". Dass Pilz aber selbst nicht auf seine Immunität verzichten kann, stellte am Donnerstag der ÖVP-nahe Parlamentsexperte Werner Zögernitz klar. Die Entscheidung darüber liege ausschließlich beim Nationalrat.
Noch hat Pilz also einige gehörige Brocken aus dem Weg zu räumen, bevor er sich in den U-Ausschüssen in gewohnter Manier wird in Szene setzen können. Kann die Liste Pilz so noch einmal Oberwasser bekommen?
Politikwissenschafter Peter Filzmaier sieht innerhalb der Opposition einen Kampf um das Thema Kontrolle heraufdräuen. "Auch zwischen Neos und der SPÖ, noch mehr allerdings zwischen SPÖ und Liste Pilz." Dass eine Mehrheit die Vorgänge in der Liste Pilz desaströs findet, sei zwar wahrscheinlich, aber die falsche Frage, sagt der Politologe. "Die einzig zentrale Frage ist, ob der einstellige Prozentsatz der Pilz-Wähler der vergangenen Wahl in vier Jahren wieder ansprechbar ist. Ob man mit Pilz als Frontmann eine gute Chance hat, sei dahingestellt, aber es ist die beste Chance, die die Partei hat."Neben der Person Pilz sei auch das Anders-Sein der Liste Pilz ein Wahlmotiv gewesen. Mit den Verhandlungen über Mandate und dem Bild des internen Chaos aber habe die Liste Pilz noch stärker als klassische Parteien zur Verdrossenheit ihrer Wähler beigetragen. Filzmaier: "Hier kann Pilz nur auf den Faktor Zeit setzen." Eine weitere Frage sei, ob und wo es der Liste Pilz gelingen könnte, Themenführerschaft zu erringen. "Hier bleibt eigentlich nur das Thema Kontrolle." Auch das könne aber nur gelingen, wenn die SPÖ in diese ebenfalls für sich reklamierte Rolle nicht hineinfinde. Und auch an Pilz selbst seien die Erwartungen hoch. "Ein paar Ungereimtheiten beispielsweise im BVT-U-Ausschuss aufzudecken, wird nicht reichen. Hier wird von Peter Pilz die berühmte rauchende Pistole erwartet", sagt Filzmaier. Und Pilz müsse dabei mit der SPÖ konkurrieren.
Die aktuell aus nur sieben Mitgliedern bestehende Partei Liste Pilz soll nun für die Aktivisten "geöffnet" werden, kündigte Pilz an. Die Mitglieder sollen sodann auch den Kurs mitbestimmen können. "Es stimmt, wir sind aktuell nur einstellig. Demnächst zwei- und dann bald dreistellig." Zumindest seinen Optimismus hat Pilz in den letzten Monaten nicht verloren.