Mödlhammer will Klarheit über Projekte der Regierung. | Heftige Schelte für Koalition: Reine Ankündigungspolitik. | Nein zu Rechtsanspruch für Kinderbetreuungsplatz. | "Wiener Zeitung": Die große Koalition müsste doch eigentlich ideal für die Gemeinden sein. Immerhin stellen ÖVP und SPÖ wohl 95 Prozent aller Bürgermeister.
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Helmut Mödlhammer: Am Papier könnte man das glauben. Tatsächlich glänzt die Regierung bisher mit Vorschlägen, die die Gemeinden belasten. Das beginnt bei der Kinderbetreuung, wo man fast täglich mit neuen Vorschlägen konfrontiert wird, und endet bei der Pflege, wo die Gemeinden die Hauptlast tragen. Dazu kommt, dass die Verwaltungsreform ohne uns ausverhandelt wurde, obwohl sämtliche Maßnahmen die Gemeinden betreffen. Ich habe den Eindruck, dass mancher Bundespolitiker gar keine Ahnung hat, wofür die Gemeinden zuständig sind. Wir sind - von der Wiege bis zur Bahre - für alles zuständig.
Warum wehren sich die Bürgermeister im Parlament dann nicht?
Derzeit sitzen zwischen 30 und 40 Bürgermeister und Vizebürgermeister im Nationalrat. Das reicht nicht, um die Mehrheit von SPÖ und ÖVP in Frage zu stellen. Und natürlich unterliegen auch die Kommunalpolitiker im Parlament der Fraktionsdisziplin.
Ein Aufstand der rot-schwarzen Kommunalpolitiker wäre also sinnlos?
Das Problem ist, dass weder die Pflege noch die Kinderbetreuung parlamentarisch abgesegnet sind. Zudem werden die Folgen von Gesetzen oft erst in Jahren sichtbar. Man sollte überlegen, ob nicht ein Mandat auf Gemeindeebene Voraussetzung für ein Bundesmandat sein sollte, dann spürt man die Folgen nämlich am eigenen Leib. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, als ob hier Blinde von der Farbe sprechen: Da gibt es einen großen Gipfel zur Kinderbetreuung mit fünf Ministern - als ob dadurch auch nur ein Betreuungsplatz geschaffen würde! Man weckt ständig Hoffnungen bei den Leuten mit neuen Versprechungen. Die Politik beschränkt sich auf reine Ankündigungen.
Sie fordern eine Aufgabenvor einer Verwaltungsreform. Welche Aufgaben würden Sie gerne übernehmen?
Die Kinderbetreuung ist eine klassische Gemeindeaufgabe, weil hier österreichweite Lösungen keinen Sinn machen. Derzeit sind vier bis fünf Ministerien zuständig, die Länder mit eigenen Ressorts - und erledigt wird es zu 95 Prozent von den Gemeinden.
Damit würde es keinen Rechtsanspruch für einen Betreuungsplatz geben.
Ja. Solche Forderungen klingen zwar schön, nur muss einem klar sein, dass hier auf Bundesebene gar nichts passiert.
Welche Aufgaben sollten die Gemeinden abgeben?
Das Gesundheitswesen sollte als überregionale Aufgabe gesehen werden. Im Pflichtschulbereich sind die Gemeinden die Schulerrichter und -erhalter, die Lehrer kommen vom Land und bezahlt werden sie vom Bund. Das ist nicht nur kompliziert, sondern auch teuer. Ich hab überhaupt nichts dagegen, dass die Gemeinden die Schulerhaltung abgeben, das sollte alles in einer Hand sein. So beschließt man Gesetze zu Klassenschülerhöchstzahlen und Nachmittagsbetreuung, ohne zu fragen, ob das räumlich überhaupt geht.
Beim kommenden Finanzausgleich wollen Sie 130 Millionen Euro jährlich mehr für die kleinen Gemeinden.
Ja, das soll über eine Abflachung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels gehen. Die Gemeinden haben seit dem letzten Finanzausgleich Mehraufgaben in der Höhe von 100 Millionen Euro übernommen. Der spannendere Teil wird aber sein, welche Aufgaben in Zukunft noch auf uns zukommen. Deshalb müssen die Projekte in den Bereichen Kinderbetreuung, Pflege, Mindestsicherung und Gesundheit auf den Tisch. Das ist der Knackpunkt bei den Verhandlungen.
Welches Druckmittel haben Sie in der Hand?
Ein neuer Finanzausgleich gilt erst, wenn er von allen Partnern unterschrieben ist. Und es gibt noch den Konsultationsmechanismus im Rahmen des Stabilitätspaktes: Kommt es zu keiner Einigung, werden die Gemeinden in letzter Konsequenz auch die Lieblingsprojekte des Bundes nicht finanzieren.
Die Gemeinden baumeln am Polit-Gängelband: In manchen Ländern ressortieren die roten Gemeinden beim roten Landesrat und umgekehrt?
Ich mische mich in Landessachen nicht ein, aber ich halte solche Teilungen für nicht zielführend.
Warum wehren Sie sich gegen den Wunsch des Rechnungshofes, auch Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern zu prüfen?
Ich habe nichts dagegen, die Prüfkompetenzen auf Gemeindeebene in einer Hand zusammenzuführen. Die Realität sieht so aus, dass es in den Gemeinden einen Kontrollausschuss gibt, eine Gemeindeaufsicht des Landes, per Landtagsbeschluss kann der Landesrechnungshof prüfen - und jetzt brauchen wir auch noch den Bundesrechnungshof? Der hat von der Sache wenig Ahnung und prüft rein formalistisch.
Es gibt aber auch Halbtags-Bürgermeister, die ohne Qualifikation Entscheidungen über fragwürdige millionenschwere Projekte treffen.
Natürlich gibt es solche Einzelfälle, aber ich würde mir wünschen, dass überall so sparsam wie in den Gemeinden gewirtschaftet würde - dann müssten wir uns über die Finanzierung künftiger Aufgaben keine Sorgen machen. Warum? Weil der Bürgermeister Tag und Nacht unter der Kontrolle seiner Bürger steht.
Dem widerspricht die Tatsache, dass die kommunalen Machtverhältnisse weit stabiler sind als auf Landes- oder Bundesebene.
Das war früher einmal, mittlerweile haben sich die Verhältnisse rasant verändert. Heute habe ich in Salzburg in ÖVP-Hochburgen rote Bürgermeister.
Die viel gepriesene Bürgernähe hat auch Schattenseiten. Laut einer Studie verzichten rund 80.000 Personen auf Sozialhilfe, weil sie eine Stigmatisierung befürchten.
Ein typisches Beispiel, dass Blinde von der Farbe reden. In Salzburg weiß kein Bürgermeister, wer in seiner Gemeinde Sozialhilfe bezieht. Er erfährt es nicht, weil Sozialhilfe Landessache ist und von den Bezirksbehörden erledigt wird. Das ist eine frei erfundene Geschichte.