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Nicht nur altmodische Analogmenschen haben das Bild eines Kraken vor sich. Seine Tentakel steckt er in immer mehr Bereiche unseres Lebens. Ganz geschmeidig dringt er dabei in die hintersten Winkel des Alltags vor.
Diesem alles umschlingenden, sich wie ein Geschwür ausbreitenden Ungetüm einfach nur den Namen Facebook oder Twitter zu geben, wäre ungenügend. Auch wenn es Facebook ist, das gerade seinen jüngsten Schlingarm ausfährt: In den USA, Großbritannien, Australien und Neuseeland gibt es jetzt eine Art virtuellen Flohmarkt, auf dem Menschen in ihrer Umgebung Tauschhandel betreiben können. Ein Online-Marktplatz also, auf dem man sich nicht erst umständlich neu registrieren muss, sondern der auf den vorhandenen Facebook-Daten aufbaut. Wie praktisch.
Auf diesem trügerischen Gedanken des Praktischen bauen die Sozialen Medien auf. Alle Freunde jederzeit um sich zu haben, jede Information in Greifweite, die Welt in der Westentasche. Dass sich diese Versprechen also Illusion erweisen müssen, ist keine neue Erkenntnis. Schon Günther Anders analysierte am damals noch höchst analogen Medium Fernsehen, dass es vorgaukelt, Realität abzubilden. Und der Zuseher eben jenes Bild wiederum der Realität als Matrize überstülpt. Und auf einmal stimmt alles, was im Fernsehen zu sehen ist: Dann hat sich, so Anders, die Lüge wahrgelogen.
Die Sozialen Medien bauen auf einem ähnlichen Mechanismus auf, sie gaukeln uns die Verfügbarkeit von Welt vor, entfernen den Nutzer dabei aber letztlich immer mehr von der Realität.
Bis einmal der Strom ausfällt.