Unabhängige AUA schon seit zehn Jahren ohne Chance. | Geschäftsmodell nationaler Airlines ist überholt. | "Wiener Zeitung": Herr Malanik, wie fühlt man sich als derjenige AUA-Vorstand, der die Kapitulationserklärung unterzeichnet hat? | Peter Malanik: Das war keine Kapitulation. Es war eine Notwendigkeit, die sich aus der Strukturveränderung im Luftverkehr ergeben hat.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Mitgliedschaft im Lufthansa-Konzern ist für uns eine Zukunftschance. Und es ist uns gelungen, diesen Schritt in die Zukunft zu machen, ohne dass wir die blutige Erfahrung einer Insolvenz machen mussten.
Was aber nichts daran ändert, dass Austrian Airlines nach 50 Jahren als eigenständige österreichische Fluggesellschaft nun zu einer von zahlreichen minderbedeutenden Tochtergesellschaften von Lufthansa geworden ist. Malanik: Das ist eine ziemlich krasse Formulierung, die ich so nicht stehen lassen möchte. Wir haben nach 50 durchaus schwierigen Jahren einen neuen Eigentümer bekommen, und ich glaube, dass wir auch im Lufthansa-Konzern ein gerüttelt Maß an strategischer und kommerzieller Eigenständigkeit haben werden. Die neue Swiss ist auch keine minderbedeutende Lufthansa-Tochter, sondern eine ziemlich erfolgreiche Fluggesellschaft. Wenn uns Ähnliches gelingt, dann finde ich daran nichts auszusetzen.
Swiss ist durch die Insolvenz allerdings die meisten Altlasten losgeworden, während Austrian mit den bestehenden Kollektivverträgen und Schulden weitermachen muss. Malanik: Das ist richtig und macht die Sache um ein Stück sportlicher. Andererseits bringt ein solcher unternehmerischer Crash, wie ihn die Swissair erleben musste, auch eine Menge von Problemen und unkalkulierbaren Risiken. Das so etwas gut geht, ist keineswegs sicher.
Eine ähnliche eigenständige Handlungsfreiheit wie bei Swiss scheint die AUA allerdings nicht zu haben. Andreas Bierwirth: Wie kommen sie darauf?
Kürzlich hat Lufthansa-Vorstand Stefan Lauer in einem Interview mit der deutschen "Wirtschaftswoche" angekündigt, dass die AUA unter anderem beim Personal schärfere als bisher geplante Sparmaßnahmen vornehmen müssen wird. Wenige Tage später haben Sie weitere Personalkürzungen verlautbart. Der Entscheidungsablauf scheint also klar: Lufthansa sagt, es sind mehr Mitarbeiter freizusetzen, und Sie hatten eine knappe Woche Zeit, um die Zahl der abzubauenden Mitarbeiter von 1000 auf 1500 Köpfe anzuheben. Bierwirth: Ich merke eine gewisse Anerkennung, dass wir sehr schnell arbeiten und innerhalb einer Woche feststellen, wie viele Mitarbeiter wir zusätzlich abbauen können. Tatsächlich war der Ablauf aber anders: Wir durchleuchten im Rahmen der jetzigen Sanierung jeden Teil des Unternehmens. Die Lufthansa hört zu, was wir als Management vor Ort zu tun gedenken, und es liegt an uns, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen und uns aus dem Waffenarsenal der Lufthansa zu bedienen. Es ist doch selbstverständlich, dass wir die besseren Konditionen von Lufthansa zu nutzen versuchen.
Aber selbst wenn man Ihrer Darstellung folgt, bedeutet das doch, dass Sie Ihre Pläne zum verschärften Mitarbeiterabbau nach Frankfurt kommunizieren, und ein Lufthansa-Vorstand verlautbart diese Absicht dann, eine Woche bevor Sie es Ihren Mitarbeitern und der österreichischen Öffentlichkeit kundtun. Bierwirth: Fakt ist, dass wir einen Aufsichtsrat haben, dem Lufthansa-Manager angehören. Dass wir bestimmte Vorhaben mit unserem Aufsichtsrat absprechen, ist selbstverständlich. Dass dieser Vorstand das dann kommuniziert, kann beim zeitlichen Druck vorkommen. Angesichts der Höhe des Verlusts sind wir für Lufthansa eine im negativen Sinn sehr relevante Beteiligung. Deshalb ist die Aufmerksamkeit bei Lufthansa auch so groß.
Malanik: Der springende Punkt ist, dass wir die Verantwortung haben, uns im Werkzeugkasten der Lufthansa zu bedienen oder auch nicht.
Ihr deutscher Vorstandskollege Bierwirth benutzt die Formulierung "Waffenarsenal". Malanik: Werkzeugkasten kann man auch dazu sagen.
Ist das der Unterschied zwischen der etwas sanfteren österreichischen und der schärferen deutschen Mentalität? Malanik: Nein, das ist vielleicht ein Unterschied in der Diktion, aber in der Sache meinen wir das Gleiche.
Bierwirth: Die AUA hatte keine Instrumente. Die AUA war wie eine Tiroler Milchkuh, an deren Zitzen Kälber hingen, die fetter und fetter wurden, während die Kuh kurz davor war, tot umzufallen.
Und wer waren diese Kälber, die sich an Austrian Airlines sattgesaugt haben? Bierwirth: Die Rahmenbedingungen in der Infrastruktur waren extrem teuer, obwohl die Profitabilität unseres Partners Flughafen Wien deutlich überproportional zu anderen Flughäfen gewesen ist. Nehmen Sie die Flugzeughersteller. Wenn wir Flugzeuge gekauft haben, dann war der Preis ein anderer als bei Lufthansa, wo man 30 oder 40 Flugzeuge in einer Tranche kauft. Eine kleine unabhängige Airline hat . . .
. . . in der Zukunft eigentlich keine Überlebenschancen? Malanik: Es ist wegen der Strukturveränderung in der Luftfahrt für kleine Airlines sehr schwierig geworden. Die AUA hatte seit 20 Jahren schlechte Karten und seit zehn Jahren in Wahrheit keine Chance mehr.
Wie kann es dann sein, dass der damalige AUA-Chef Alfred Ötsch noch vor eineinhalb Jahren gesagt hat: "Die AUA ist saniert"? Malanik: Er ist für diese Aussage dann auch ausgesprochen heftig kritisiert worden, obwohl das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen ist und er das so uneingeschränkt gar nicht gesagt hat. Ich persönlich habe auch damals schon auf den Trend zur Konsolidierung und zur Strukturveränderung hingewiesen.
Bierwirth:Keiner von uns beiden hat gedacht, dass wir ein Jahr später, ein Jahr nach der 50-Jahr-Feier bereits von der Lufthansa übernommen sein werden. Aber das ist ein Glücksfall. Es gibt kaum eine nationale Airline, die noch erfolgreich ist. Dieses Geschäftsmodell hat sich schlicht überlebt.
Haben traditionelle Airlines angesichts der zunehmenden Konkurrenz von Low-Cost-Carriern überhaupt noch eine Zukunftschance? Bierwirth: Ich denke, ganz sicher. Der Langstreckenverkehr wird, wenn die Wirtschaftskrise überwunden ist, sicherlich unverändert Erfolg haben.
Aber gibt es irgendeinen Grund, warum ein halbwegs vernünftiger Mensch innerhalb Europas ein Business-Class-Ticket kaufen sollte? Bierwirth: Ein Grund ist natürlich die Flexibilität. Aber natürlich wird im Kurz- und Mittelstreckenverkehr heute Economy geflogen und nach dem günstigsten Tarif gesucht. Deshalb ist es für uns extrem wichtig, auch mit niedrigeren Preisen profitabel arbeiten zu können.
Wie soll Ihnen das gelingen, wenn Sie weiterhin deutlich höhere Personalkosten haben als junge Low-Cost-Airlines? Bierwirth: Die Personalkosten sind nicht das einzige Thema und werden manchmal auch überwertet. Wir müssen jetzt alles tun, um mit dieser Sanierungsrosskur kostenmäßig zu einem Ergebnis zu kommen, wie es ein Konkurs gebracht hätte. Das ist für uns die Messlatte.
Wie weit kann der Schrumpfungsprozess gehen? Bierwirth: Das hängt davon ab, wann wir wieder profitabel sind.
Aber Sie müssen doch irgendeine Vorstellung haben, wie weit Sie schrumpfen müssen oder wollen? Sie haben kürzlich etwa bekanntgegeben, die wöchentlich 19 Flüge nach Hannover einzustellen. Ich nehme an, es gibt eine Liste mit weiteren Destinationen, deren Einstellung Sie jetzt alle paar Wochen häppchenweise veröffentlichen werden. Malanik: Unser derzeitiges Streckennetz wird weitestgehend stabil bleiben. Da wird es da und dort vielleicht mal eine Adaption geben, aber keine gravierenden Veränderungen. Wir werden das Streckennetz allerdings mit weniger Ressourcen aufrechterhalten müssen. Das Streckennetz ist wie ein Mikado-Spiel. Wenn man da ein oder zwei Stäbchen herausnimmt, geht das. Wenn Sie ein drittes herausnehmen, laufen Sie Gefahr, dass das ganze Gebilde zusammenstürzt. Viele weitere Strecken können wir nicht mehr herausnehmen, denn dann kollabiert uns das Streckennetz.
Das wollen wir nicht, denn dann hätten wir unseren wirklichen Produktvorteil, nämlich unsere Marktstärke und -präsenz in Osteuropa verloren. Dann kämen wir in eine Spirale nach unten. Genau diese Spirale nach unten hätten wir in Kauf nehmen müssen, wenn wir nicht einen anderen Eigentümer bekommen hätten.
Bierwirth: Die Herausforderung ist, dass unsere Flugzeuge eine extrem geringe Produktivität haben. Unsere Flugzeuge fliegen schlichtweg zu wenig, und unsere Mitarbeiter fliegen auch zu wenig. Das ist aber nicht nur eine Frage des Kollektivvertrags, sondern das ist auch eine Frage der Einsatzplanung, eine Frage des Flugplans.
Wenn wir produktiver sind, dürfen wir aber wegen des von der EU-Kommission verhängten Wachstumsverbots unser Angebot insgesamt trotzdem nicht ausweiten. Das ist in gewisser Weise natürlich ein Widerspruch. Den können wir nur auflösen, indem wir beispielsweise ein Flugzeug aus der Langstrecke herausnehmen, um wieder Kraft für Zuwächse in der Mittelstrecke zu bekommen.
Welche Langstreckendestinationen sind die nächsten Streichungskandidaten? Bierwirth: Derzeit keine.
Aber wenn ich Ihren Argumenten folge, ist das ja unausweichlich? Bierwirth: Nein. Unsere Planungen stimmen derzeit sowohl mit den Vorgaben aus Brüssel als auch mit unseren produktivitätserhöhenden Maßnahmen überein. Wir haben aber für die nächsten zwei Jahre Pläne, die Produktivität weiter zu steigern, und dazu brauchen wir die entsprechende Profitabilität, um das zu ermöglichen.
Zu den PersonenAndreas Bierwirth wurde am 8. 5. 1971 im nordrhein-westfälischen Lünen geboren. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann studierte er Betriebswirtschaft. 2002 wurde er Mitglied der Geschäftsführung der Fluggesellschaft Eurowings, 2005 Geschäftsführer von Germanwings. Ab 2006 war er zunächst als Bereichsleiter Marketing bei Lufthansa Passage tätig und wurde noch im selben Jahr zum Vice President Marketing der Lufthansa Passage Airlines bestellt. Anfang 2008 wurde er zum Chief Commercial Officer der AUA bestellt.
Peter Malanik wurde am 29. 8. 1961 in Mödling geboren und kam nach Abschluss seines Studiums der Rechtswissenschaften 1985 zur AUA. 1993 wurde er zum Leiter für kaufmännisches und technisches Personal. Ab 1996 fungierte er als stellvertretender Direktor der Internationalen Flug-Transport Vereinigung und ab 1997 war er bei der Association of European Airlines tätig. 2000 übernahm er bei der AUA das Generalsekretariat, 2003 zusätzlich die Leitung der Konzernpolitik. Mit Anfang 2008 wurde er zum Chief Operations Officer der AUA bestellt.
Siehe auch:AUA verfolgt neue Marktstrategie