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"Dann landen wir beim Faustrecht"

Von Klaus Huhold

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Militärschlag birgt laut Politologen Gefahr einer unkontrollierten Eskalation.


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"Wiener Zeitung": Ist eine mögliche militärische Intervention in Syrien nach den Giftgas-Vorwürfen gegen das Regime von Bashar al-Assad gerechtfertigt?Thomas Roithner: Aus heutiger Sicht ist eine solche Intervention nicht gerechtfertigt. Ich halte es mit UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, dass man den Waffeninspektoren in Syrien Zeit lassen soll, damit sie ihre Arbeit verrichten. Eine unabhängige Institution wie die UNO muss die Vorwürfe prüfen. Es genügt nicht, sich auf Geheimdienstbeweise zu verlassen, deren Quellen im Dunkeln bleiben. Durch die Ereignisse der vergangenen Jahre sind wir da ja gebrannte Kinder.

Sie spielen auf die Geschichte vor dem Irak-Einsatz an, wo Vorwürfe gegen Saddam Hussein, dass er Massenvernichtungswaffen besitzt, sich letztlich als haltlos herausgestellt haben ...

Genau. Und wichtig ist auch, dass man nicht die UNO und das Völkerrecht, das ja ein wesentlicher Baustein für die globale Ordnung ist, immer mehr aushöhlt. Bei den Kriegen im Irak und im Kosovo wurde es ja schon gebrochen. Aber dieser Bruch des Völkerrechts darf keine Gewohnheit werden. Wenn wir das Völkerrecht nicht stärken, landen wir bei seinem Gegenteil, dem Faustrecht. Dann haben nur noch die potentesten Militärmächte der Welt das Sagen.

Nur ist im Falle Syrien der UN-Sicherheitsrat blockiert. Der Westen wird sich nicht mit den Vetomächten China und Russland, die ja dem syrischen Regime nahestehen, einigen können.

Warten wir einmal ab, welche Ergebnisse die Waffeninspektoren hervorbringen, auf deren Ergebnisse sich etwa Russland immer sehr stark berufen hat. Der Standpunkt Russlands ist übrigens auch nicht unverständlich. Moskau befürchtet wohl, dass ein Mandat im Sicherheitsrat für eine Intervention - wie im Falle Libyens - plötzlich überschritten wird. Ein Regimewechsel ist im Völkerrecht nicht vorgesehen, wenn kein Mandat des UN-Sicherheitsrates vorliegt.

Lehnen Sie eine Militärintervention in Syrien prinzipiell ab? Braucht es sie nicht gerade, um das Blutvergießen zu beenden?

Gerade bei einer Militärintervention ist die Gefahr einer unkontrollierten Eskalation sehr groß. Die Folgen sind unabsehbar, man riskiert enorme zivile Opfer. Man kann nicht in Bashar al-Assad hineinschauen, aber er wird wohl nicht zurücktreten, wenn die ersten Bomben fallen. Zudem steckt die ganze Region voller verschiedener Konfliktformationen. Man sollte daher verstärkt auf Diplomatie setzen, die Möglichkeiten sind noch nicht ausgereizt.

Welche gibt es da noch?

Auf Basis der Ergebnisse der UN-Inspektoren sollte man gemeinsam mit Russland Druck aufbauen. Man kann Staaten einbinden, die Syriens Regime nahestehen und mit der Arabischen Liga verhandeln. Die hat ja auch kein Interesse an einer völligen Eskalation im Nahen Osten.

Thomas Roithner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung. Der Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Wien ist zudem in der österreichischen Friedensbewegung aktiv.