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Dann machen wir’s halt selber

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik
Mehr als ein Aufbewahrungsort. Europaweit ist die akademische Ausbildung der Pädagogen "state of the art". In Österreich wurden Kindergärten als Bildungseinrichtung lange unterschätzt.
© WZ/Pessenlehner

Weil die Politik zögert, bietet ein privater Träger ab Herbst Kindergärtner-Ausbildung auf akademischem Niveau an.


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Wien. Von der Uni in den Kindergarten - was zahlreiche Experten und nicht weniger Politiker seit Jahren fordern, wird nun Wirklichkeit. Allerdings nur auf Umwegen. Weil auf politischer Ebene nichts weitergeht, nimmt ein privater Trägerverein die Sache selbst in die Hand und bietet ab Herbst eine Kindergartenpädagogenausbildung auf akademischem Niveau an. Geht der Trend nun in Richtung mehr Privatinitiative? Durchaus möglich.

Seit 20 Jahren stehen Monika Riha und Ingrid Fröhlich dem Kindergarten-Trägerverein "Kinder in Wien" (1100 Mitarbeiter in 65 Kindergärten mit 5500 Kindern) vor. Und beinahe ebenso lange fordern die beiden eine akademische Ausbildung von Kindergartenpädagogen. Bis jetzt allerdings erfolglos. In Graz gibt es einen Lehrstuhl für Kleinkindpädagogik. Innsbruck zieht gerade nach. Allerdings geht es dabei nicht um die Kindergartenausbildung. Ein diesbezüglicher Lehrgang ist in Salzburg in Planung, zielt allerdings auf Weiterbildung von bereits ausgebildeten Kindergartenpädagogen ab. Eine von Grund auf akademische Ausbildung gibt es bislang nicht. Das soll sich jetzt ändern.

Ab September bietet das Kiwi erstmals einen akademischen Lehrgang für Elementarpädagogik an. In sieben Semestern kann man sich zum "Bachelor of Arts: Bildung und Erziehung" (BABE) ausbilden lassen. Akademischer Kooperationspartner ist die deutsche Hochschule Koblenz.

Voraussetzung ist die allgemeine Hochschulreife. Das Studium (210 ECTS-Punkte) findet im Rahmen von geblockten Präsenzphasen und über eine internetbasierte Lernplattform statt. Um einen hohen Praxisbezug sicherzustellen, sind die Studenten Teilzeit beim Kiwi angestellt und arbeiten 20 bis 25 Stunden pro Woche in einem der Kindergärten. Die 37 Teilnehmer des Lehrgangs werden in einem Auswahlverfahren Mitte Juni ermittelt. Laut Riha gibt es bereits jetzt über 100 Interessenten.

Vorerst ist ein Lehrgang gesichert. Wie viel er kosten wird, wollten die Kiwi-Geschäftsführerinnen nicht verraten. "Es ist billiger als eine Ausbildung an einer FH", sagt Riha. An der Fachhochschule kostet ein Studienplatz rund 6500 Euro pro Jahr (in technischen Studien mehr). Die Studenten zahlen an der Kiwi-Akademie 363 Euro pro Semester - gleich viel wie an den Universitäten.

WKÖ mit an Bord

Die Wirtschaftskammer unterstützt das Projekt, erklärte der Leiter der bildungspolitischen Abteilung der WKÖ, Michael Landertshammer, bei der Präsentation am Montag in Wien - zumindest moralisch. Denn ob und wie viel die Wirtschaftskammer an finanziellen Mitteln springen lässt, darüber habe man noch nicht einmal gesprochen.

Von einer akademischen Ausbildung erhofft man sich beim Kiwi vor allem, dass mehr Absolventen dann auch tatsächlich in dem Bereich arbeiten. Von jenen, die an einer Bakip (Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik) zwischen 14 und 19 ihre Ausbildung machen (und mit Matura abschließen), würden nur 20 Prozent letztlich als Kindergartenpädagogen arbeiten, die meisten dann an einer Uni studieren. "Mit 14 Jahren hat man keine Ahnung vom Beruf", sagt Riha. Wenn man die Ausbildung erst mit 19 beginne, sei schon klarer, worauf man sich einlasse. Einen finanziellen Vorteil durch den akademischen Abschluss darf man sich übrigens nicht erhoffen: In Wien liegt das Brutto-Anfangsgehalt bei 2055 Euro - ob mit BABE oder ohne.

Signalisiert die akademische Kindergartenausbildung in Eigenregie nun einen Paradigmenwechsel in Österreich nach dem liberalen Leitprinzip "weniger Staat, mehr privat"? "Wenn die Politik nichts weiterbringt, werden Initiativen von Privaten zunehmen", ist Wirtschaftskämmerer Landertshammer sicher. Allerdings könne es nicht die Aufgabe der Wirtschaft sein, Reformen im Bildungsbereich zu übernehmen und womöglich auch zu bezahlen.

Der Staat kann nur zusehen

Auch Politikexperte Peter Hajek glaubt, dass derartige Privatinitiativen in Zukunft zunehmen werden, denn "der Staat ist klamm und kann und wird nicht mehr alles tun". Als Beispiele nennt Hajek etwa die Bereiche Bildung, Pflege oder aber die Gewerbeordnung: "Die Menschen werden sich zunehmend fragen: ‚Warum brauch ich einen Gewerbeschein, wenn ich ein Lokal aufmachen will?‘"

Aber kann der Staat zulassen, dass ihm da die Kontrolle über solche Bereiche entgleitet? "Er wird es zulassen müssen", sagt Hajek, "schließlich kann er ja schlecht sagen, bitte bildet unsere Kindergärtner nicht aus." Letztlich werde es darauf hinauslaufen, dass sich der Staat auf die Prüfung der Qualifikationen beschränken wird. Daher sei es ein Vorteil für das Projekt, dass die Wirtschaftskammer mit an Bord ist, sagt Hajek: "Damit ist quasi schon ein offizieller Stempel drauf."