Kanadischer Raps- Farmer über seinen Kampf gegen den US-Biotech- Konzern Monsanto. | Warum die EU Gensaat weiterhin blockieren sollte. |
§§"Wiener Zeitung": Durch Windanflug landete gentechnisch veränderter Raps des Biotech-Konzerns Monsanto auf Ihren Feldern. Sie ließen ihn wachsen und handelten sich 1996 eine Klage wegen Patentverletzung des Konzerns ein, der fand, sie sollten bezahlen für das Saatgut, das sie nicht bestellt hatten. Der Patentstreit endete 2008 in einer außergerichtlichen Einigung. Was hat sich seither verändert? * | Percy Schmeiser: Es war das erste Mal, dass jemand ein Genpatent eines Konzerns angefochten hat, und das hat Aufmerksamkeit erregt. Heute wird in Kanada diskutiert, wer zahlen muss, wenn Gen-Saatgut durch Windanflug Bio-Farmen verunreinigt.
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Zudem wurde bei uns seit der Zulassung von Gen-modifiziertem Raps und Soja in den Neunzigerjahren kein Patent für genetisch verändertes Saatgut mehr erlaubt - Anträge für Reis und Weizen vor rund drei Jahren wurden abgelehnt.
Worüber man damals stritt, gilt heute als etabliert: Samen von gentechnisch modifizierten Pflanzen können auf andere Felder überspringen. Über welche Distanzen?
Im Großraum solcher Felder können Bio-Farmen nicht existieren: Es gibt keine Ko-Existenz von Bio-Landwirtschaft, traditioneller Landwirtschaft und Landwirtschaft mit Gen-modifizierten Pflanzen, weil nach ein paar Jahren alles genetisch verändert ist. Die Natur kennt keine Sicherheitszonen, wie manche Gesetzgeber es gerne hätten. Windanflug und Fremdbestäubung lassen Samen ihren Weg selbst über 50 Quadratkilometer Wiese finden.
Ein Ausweg wäre ein Totalverbot gentechnisch veränderter Pflanzen.
Ja. Denn man kann nicht sagen: Wir probieren es auf ein paar Feldern für einige Jahre und wenn es nicht funktioniert, können wir wieder aufhören. Sondern wenn es einmal da ist, bleibt es. Es entwickelt sich nicht zurück.
Europa plant aber genau das Gegenteil: Brüssel will mittelfristig den Anbau von Gen-modifizierten Pflanzen erleichtern.
Das halte ich für keine gute Idee, denn jede Sorte stammt aus einer Familie, und die gentechnisch Modifizierten sind dominant. Das heißt, sie verdrängen andere Mitglieder ihrer Art - nur eine Art überlebt. In Kanada ist 80 Prozent des Saatguts genetisch verändert und damit die allermeisten Produkte der Landwirtschaft - selbst Honig und Senf.
Wenn wir damals in Kanada das Wissen von heute gehabt hätten, wäre gentechnisch verändertes Saatgut vielleicht nie eingeführt worden. Uns wurde gesagt, dass man damit die Welt ernähren könnte - Nahrungsmittelknappheit in der Dritten Welt würde Vergangenheit. Stattdessen hatten wir nach einigen Jahren Missernten von minus 15 Prozent bei Soja und minus zehn Prozent bei Raps. Schlimmer noch, Bauern in Kanada und in den USA verwenden heute etwa dreimal so viele giftige Spritzmittel wie früher. Weil die Gen-Pflanzen "Roundup Ready" Spritzmittel-resistent sind, ist größtmögliche Effizienz in der Schädlingsbekämpfung das Motto - auch in der Annahme, die Ernte damit zu steigern.
Wie lassen sich etwaige Risiken für die Gesundheit eingrenzen?
Unbestritten sind Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit: Frauen werden seltener schwanger und Männer produzieren nur halb so viele Spermien, wie sie im jeweiligen Alter sollten. Die American Medical Society warnt, dass schwangere Frauen und Kleinkinder keinesfalls genetisch modifizierte Nahrungsmittel zu sich nehmen sollten. Sie erhöhen auch das Krebs-Risiko und die Sterblichkeit von Jugendlichen.
Gene von Pflanzen, die gegen giftige Chemikalien bestehen können, kommen in die Nahrungskette, auf den Teller und in das Verdauungssystem. Nie zuvor waren diese im menschlichen Organismus. Studien belegen, dass sich das angeborene Immunsystem bei der Erkennung von Mikroorganismen und Viren an alten, universell gültigen und evolutionär konservierten molekularen Mustern orientiert (Werner Müller, Global 2000, Anm.). Genetiker erstellen in transgenen Pflanzen hingegen synthetische Genabschnitte, ohne diese universell gültigen Muster zu berücksichtigen. Solche synthetischen Fragmente überstehen die Verdauung und können im Blut, im Lymphsystem und in Organen nachgewiesen werden. Forscher haben auch nachgewiesen, dass das Immunsystem selbst geschädigt wird.
Was wäre eine sinnvolle Risikoabschätzung?
Genetisch modifizierte Sorten sollten nicht unter freiem Himmel getestet werden, sondern in geschlossenen Bereichen. Regierungen müssen die Schäden für die Umwelt und das Gesundheitssystem bedenken - selbst wenn ein Totalverbot die Konsequenz wäre. Derzeit aber ist der Grund, warum diese Patent-Lizenzen eingeführt wurden, nicht etwa, weil man damit den Hunger der Welt stillen will, sondern weil man das Saatgut besitzen will, um die Welt-Ernährung zu kontrollieren. Ich habe keine Angst vor Profit. Aber in diesem Kontext wird Profitstreben zu Gier. Das geht das in die völlig falsche Richtung.
Zur Person
Percy Schmeiser, geboren 1931, ist ein kanadischer Farmer aus Bruno in der Provinz Saskatchewan. Seine Großeltern wanderten von Bayern nach Kanada aus und ließen sich dort als Landwirte nieder. Schmeiser spezialisiert sich auf die Zucht und den Anbau von Raps-Sorten, die an die speziellen regionalen Bedingungen angepasst sind. 2007 wurde er mit dem Alternativen Nobelpreis für herausragende Leistungen im Bereich Umwelt, Nachhaltigkeit und Menschenrechte ausgezeichnet aufgrund seines Widerstandes gegen den US-Konzern Monsanto, der gentechnisch verändertes, patentiertes Saatgut vertreibt.