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Darf "Mein Kampf" Bestseller sein?

Von Edwin Baumgartner

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Ende des europäischen Wertesystems. Zu schwach: Weltuntergang!

Adolf Hitlers "Mein Kampf" ist Bestseller in Deutschland. Das Feuilleton gibt sich betreten, auf Facebook erstarrt man schreckenshalber: Der Schmalbarterte verkauft mehr von seinem Schwachsinn als der Coelho!

Weltuntergang? Ach was: Schaut das Sonnensystem nicht schwächlich aus? Es wird wohl ins Braune Loch gesogen...

Kann man diesen Fall bitte nüchtern betrachten?

Erstens handelt es sich bei dieser Ausgabe um die kritische des Münchner Instituts für Zeitgeschichte, vollgepackt mit geschichtswissenschaftlichen Stolpersteinen.

Zweitens: Was erwartet man, wenn ein quasi verbotenes Buch, das von Antifaschisten, die es gut meinten, aber nicht gut machten, zur Bibel des Bösen hochstilisiert wurde, plötzlich mühelos im regulären Handel erhältlich ist? Es wäre ein schieres Wunder gewesen, wäre "Mein Kampf" nicht zum Bestseller geworden.

Drittens: "Bestseller" sagt etwas aus über die Verkaufszahlen. Es lässt sich weder die politische Einstellung der Käufer daraus ableiten, noch sagt es etwas aus über den Inhalt und den geistigen Wert oder Unwert des Buchs. Der Bestsellerstatus gibt ebenso keine Auskunft, ob das Buch auch gelesen wurde. Ich selbst habe beispielsweise den vorletzten oder vorvorletzten Bestseller des besagten Paulo Coelho jungfräulich im Regal stehen.

Und demnächst wird der Hitler vielleicht von einem Schmuddelsexbuch abgelöst (vielleicht "Shades of Brown"), ohne dass die Sonne über Deutschland schamesrot verblasste.