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Darf’s für Europa ein bisschen weniger sein?

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Reichere Mitgliedstaaten fordern Einsparungen bei EU-Budgetplänen


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Brüssel. Das Gerede über Hemden blieb diesmal aus. Herman Van Rompuy schien die Erwartungshaltung nicht noch weiter schüren zu wollen. Vor zweieinhalb Monaten sah das etwas anders aus: Als der EU-Ratspräsident damals die europäischen Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel nach Brüssel lud, suggerierte er ihnen, sich genügend frische Kleidungsstücke mitzunehmen. Er sei nämlich bereit, so hieß es, auch über die zwei für das Treffen angesetzten Tage hinaus zu verhandeln - so lange, bis sich die Politiker auf das künftige Budget der Europäischen Union geeinigt hätten.

Sie schafften es nicht. Und nehmen daher nun einen weiteren Anlauf dazu. Der am heutigen Donnerstag beginnende Gipfel soll eine Entscheidung über den Haushalt der EU für die Jahre 2014 bis 2020 bringen. Über seine Dauer wollte Van Rompuy aber diesmal eben nicht spekulieren.

Doch auch ohne dies ist der Druck, zu einem Beschluss zu kommen, groß. Die Zeit drängt nämlich immer mehr: Langjährige Projekte laufen aus, die nächsten müssten bereits geplant werden. Dafür muss es aber zuerst auch eine Einigung mit dem EU-Parlament geben, was bedeutet, dass weitere Wochen an Verhandlungen nötig sind.

So bemühten sich Diplomaten im Vorfeld des Gipfels um Optimismus. Eine Verständigung sei in Griffnähe: "Es ist jetzt oder nie", hieß es aus Van Rompuys Umfeld. Eine Garantie für den Abschluss könne es zwar nicht geben, war wiederum aus deutschen Regierungskreisen zu hören. Doch sei ein Erfolg möglich - wenn alle "sich ihrer Verantwortung für Europa bewusst werden".

Diese allerdings fassen die Länder unterschiedlich auf. Während etwa die Polen auf den Nutzen und die Notwendigkeit der Fördermittel für Infrastrukturprojekte pochen und die Ungarn das Geld schon allein deswegen brauchen, weil so gut wie alle öffentlichen Investitionen damit finanziert werden, wehren sich die Franzosen gegen jegliche Eingriffe in die Subventionen für die Landwirtschaft. Die Briten wollen ihren Rabatt auf die Beiträge zum Haushalt nicht verlieren, die Österreicher verteidigen die Zuschüsse für ländliche Entwicklung. Die Italiener würden gern ihre Beitragszahlungen reduzieren und verweisen auf die klamme Lage ihrer Wirtschaft. Den Nettozahlern, die mehr Geld ins Budget fließen lassen als sie daraus an Förderungen zurückbekommen, stehen so die Empfängerländer im Osten und Südosten gegenüber - und selbst innerhalb dieser Gruppen sind die Interessen unterschiedlich.

All das musste Van Rompuy berücksichtigen, bevor er am frühen Nachmittag ein neues Kompromisspapier vorlegt. Schon einmal hat er Kürzungen gegenüber den ursprünglichen Empfehlungen der EU-Kommission vorgeschlagen, weitere Einschnitte sind absehbar.

Feilschen um Milliarden

Die Kommission hatte sich mehr als eine Billion Euro an Finanzierungszusagen für die sieben Jahre gewünscht; die tatsächlichen Zahlungen würden etwas darunter liegen. Die Diskrepanz ergibt sich daraus, dass zunächst einmal der Rahmen fixiert wird, in dem Brüssel finanzielle Versprechen abgeben darf. Die werden dann durch jährliche Budgetbeschlüsse bestätigt, doch können sich Zahlungen für bestimmte Projekte im Laufe der Zeit ändern.

Einige Staaten wollen nun diese Obergrenze senken. Van Rompuys Pläne sahen zuletzt 1009 Milliarden Euro vor; ohne mehrere Schattenhaushalte - etwa für Entwicklungshilfe - wären es an die 972 Milliarden Euro. Fast die Hälfte davon macht die Rubrik "Nachhaltiges Wachstum" aus, hinter der unter anderem die Strukturfonds zur Förderung der Infrastruktur stecken. Damit sollen vor allem ärmere Regionen Europas gestützt werden.

Der zweitgrößte Ausgabenposten ist für die Agrarpolitik vorgesehen. Van Rompuy möchte dafür 372 Milliarden Euro veranschlagen; mehr als zwei Drittel davon fließen als Direktzahlungen an Landwirte und in Marktausgaben.

Insgesamt gehen mehr als 90 Prozent des Budgets wieder an die Mitgliedstaaten zurück. Für Verwaltung und Personal der EU werden sechs Prozent des Haushalts genutzt. Dennoch sehen einige Länder gerade da einiges Einsparungspotenzial. So kritisieren Berlin oder London, dass die EU-Institutionen bei der Administration gar keine Einschnitte vornehmen und die Ausgaben auf 62 Milliarden Euro erhöhen wollen.

So sind es ausgerechnet die kleineren Etatposten, wo Diplomaten größere Spielräume für die Verhandlungen sehen. Van Rompuy könnte da Kürzungen in Höhe von 15 oder 20 Milliarden Euro vorschlagen. Damit käme er den Nettozahlern weiter entgegen.