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Das 1.000.000.000.000-Euro-Mandat der EZB

Von Marco Büscher

Gastkommentare
Marco Büscher ist Unternehmensberater und Kapitalmarkt-Experte.

Die Europäische Zentralbank stellt zur Entlastung des Finanzsektors bis zu 1 Billion Euro in Aussicht. Was ist das Geld wert, wenn es nichts kostet?


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Mit Spannung wird für 26. Oktober die Veröffentlichung der Ergebnisse des Bankenstresstests der Europäischen Zentralbank erwartet. Zuvor kündigte die EZB an, mit dem Kauf von Schuldverschreibungen und Kreditpaketen den Finanzsektor zu entlasten und damit das mit den Papieren verbundene Risiko zu übernehmen. Hierfür stellt sie bis zu 1 Billion Euro in den Raum. Das ist mehr als das Dreifache des österreichischen BIP, das sich 2013 auf rund 323 Milliarden Euro summierte.

Kritisch ist nicht nur der geplante Ankauf von Asset Backed Securities (ABS). Derartige Kreditpakete gelten wegen ihrer Risikoverschleierungsmöglichkeiten als Mitauslöser der ersten Phase der Finanzkrise - gezeichnet durch Bankenpleiten, massive Kapitalmarktturbulenzen, globale Notmaßnahmen und Ängste der Verbraucher in die Währungsstabilität. Die seither begebenen Adrenalinspritzen für das Finanzsystem haben die systemischen und faktischen Altlasten indes nicht beseitigt. Dringend nötige strengere Regulierungen blieben aus.

Der Leitzins der EZB liegt bei einem Rekordtief von 0,05 Prozent. Auf Übernacht-Einlagen erhebt die EZB von Banken einen Strafzins von 0,2 Prozent. Niedrige Zinsen ermöglichen, dass die Verschuldung auch global ungebremst ansteigt. Der Bankensektor liefert indes weiterhin negative Schlagzeilen und hat nicht das Vertrauen des Marktes, das gesund funktionierende Volkswirtschaften auszeichnet. Die Konjunkturerwartungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung für die Eurozone sanken zuletzt drastisch. Die Industrieproduktion der Wachstumslokomotive Deutschland sank von Juli auf August 2014 um 4 Prozent - der stärkste Rückgang seit Jänner 2009. Die Unsicherheit von Investitionsentscheidungen nimmt zu, sodass selbst rekordtiefe Zinsen wenig Anreiz für Realinvestitionen bieten.

Welcher tatsächlichen Werthaltigkeit halten die Papiere stand, die die EZB dem Finanzsektor abnehmen will? Müsste bei Verlusten letztlich der Steuerzahler haften? Ohne Klarheit über die Risiken wäre die EZB auf dem Weg, Funktionen einer "Bad Bank" wahrzunehmen. Sie würde ihr Mandat überschreiten, gäbe sie Banken die Möglichkeit, sich fragwürdiger Bilanzpositionen zu entledigen. Ist der Ankauf von Staatsanleihen, sollten rechtliche und politische Hürden beseitigt werden, nur eine Frage der Zeit? Japans Notenbank macht das schon, hat aber mit Abenomics’ Geldschwemme nebst Konjunkturprogrammen kein neues Rezept vorgelegt und die Realwirtschaft nicht wie propagiert erreicht. Unterdessen schwillt Japans Verschuldung auf astronomische Höchststände an.

Die zu erwartende nächste Phase der Finanzkrise wird weitere offene Rechnungen aus den meisten Menschen unbekannten Finanzvehikeln aufs Tapet bringen. Volkswirtschaftlich droht mehr als nur eine wirtschaftliche Stagnation. Und dem Kapitalmarkt droht eine scharfe Korrektur der Kurse, die durch die hohe Verfügbarkeit und den Anlagenotstand nahezu kostenlosen Geldes der Zentralbanken befeuert wurden. Selbst ein negativer Leitzins erschiene nicht gänzlich ausgeschlossen. Wäre dies dann das letzte Werkzeug einer Zentralbank, deren frühere Notenpresse heute die Returntaste ist? Am Ende des Tages wird das Geld etwas kosten.