Ein Drittel mehr Übernahmen und Fusionen als 2005. | Neuer Rekord auch in Europa. | Investmentfirmen profitieren. | Die "Finanzmaschine" ( © Wall Street Journal) läuft auf hohen Touren: Gut geölt durch niedrige Zinsen, hohe Gewinne, üppig sprudelnde Petrodollars und Rekord-Aktienkurse rollt die Fusions- und Übernahmewelle weltweit mit voller Kraft. Heuer wurden rund um den Globus mehr als 30.000 Firmenübernahmen und Fusionen getätigt - so viele wie niemals zuvor. Schon vor Weihnachten stand ein neues Rekordvolumen fest: 3,62 Billionen Dollar, gut 30 Prozent mehr als im Vorjahr, gut 15 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2000.
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Damals waren auf dem Höhepunkt des Internet- und Telekomspekulationsbooms zahlreiche Mammuttransaktionen erfolgt - die sich später, nach dem Platzen der Dotcom-Blase, oft als kostspielige Fehler erwiesen haben.
Und obwohl "Takeover" nach wie vor ein amerikanisches Business ist - bei 40 Prozent aller Übernahmen weltweit hatten US-Firmen die Finger im Spiel - kam auch Europa beim Transaktionsvolumen auf eine 13-stellige Rekordzahl: 1,03 Billionen Euro, um ein Drittel mehr als 2005 - und immerhin eine höhere Summe als das Bruttoinlandsprodukt Kanadas.
Größter Deal: AT&T kauft BellSouth
Als größten Deal des Jahres listet der britische "Telegraph" die Übernahme des US-Telefonkonzerns BellSouth durch den Konkurrenten AT&T zum Preis von 83 Milliarden Dollar (65 Milliarden Euro) auf.
Mehr als 32 Milliarden Dollar (knapp 26 Milliarden Euro) ließ sich der - in Europa börsenotierte - weltgrößte Stahlkonzern Mittal Steel die Übernahme seines französisch-belgischen Konkurrenten Arcelor kosten.
Stahl, Pharma, Banken, Kasinos und die Börsen selbst - in allen Branchen jagte 2006 eine Milliardenübernahme die andere, Risiken wurden bis zum Äußersten ausgereizt: Insgesamt hat es in diesem Jahr 355 feindliche Übernahmeangebote gegeben, fast doppelt so viele wie im Jahr 2005. Der bisherige Rekord lag bei 272 feindlichen Übernahmen im Jahr 1999.
Schulden sind billig, Gier nach Wachstum groß
Allein in der - verkürzten - Börsenwoche um den Thanksgiving-Feiertag wurde Wall Street-Geschichte geschrieben: Mehr als 40 Fusions-Deals im Wert von rund 76 Milliarden Dollar brachten die Investmentbanker über die Bühne, während die normalen Amerikaner ihren Erntedank-Truthahn kauften. Die Höhepunkte: Der amerikanische Kupferriese Phelps Dodge wird durch die US-Bergwerksgesellschaft Freeport-McMoRan für 25,9 Milliarden Dollar übernommen; die Bank of America übernimmt U.S. Trust, die Privatbanktochter des Wall-Street-Hauses Charles Schwab, für 3,3 Milliarden Dollar und den Vermögensverwalter Mellon für 16,5 Milliarden Dollar; der Fernseh- und Radiokonzern Clear Channel geht für 26,7 Milliarden Dollar an ein Investmentkonsortium unter Führung von Thomas H. Lee Partners und Bain Capital Partners; die Investmentfirma Blackstone übernimmt den Büroimmobilienkonzern Equity Office Properties für 36 Milliarden Dollar.
Allein dieser Deal - für den Blackstone die laut einigen Analysten "atemberaubende" Summe von 16 Milliarden Dollar Kredit aufnahm - war größer als der legendäre Kauf des Lebensmittelkonzerns RJR Nabisco 1989 durch die Investmentfirma Kohlberg Kravis Roberts (KKR) - Vorbild für den Bestseller und späteren Film "Barbarians at the Gate", der die unheilvollen Exzesse der Wall Street anprangerte.
Schulden sind billig, die Gier nach Wachstum und Marktmacht ist groß - und noch etwas erinnert an die früheren "Years of Greed": Die Investmentfirmen schwimmen wieder in Geld. Sie wickeln nicht mehr nur die Deals für andere ab, sie kaufen selbst.
Auf Finanzinvestoren wie Blackstone und Thomas Lee, Permira oder KKR und zahlreiche andere entfielen Deals im Volumen von fast 350 Milliarden Dollar, berichtet "CNNMoney.com". Im Vorjahr hatten sie, die immer wieder als "Heuschrecken" durch die Gazetten geistern, nur Transaktionen von insgesamt 119 Milliarden Dollar vorgenommen.
Seit Mitte Dezember ist auch die heimische Gewerkschaftsbank Bawag in den Händen von US-Investoren - mit 3,2 Milliarden Euro (4,5 Milliarden Dollar) entschied der US-Fonds Cerberus den Übernahmekrimi für sich.
Regel Nummer 1: Geld muss Geld verdienen
Es gilt die Regel: Geld muss Geld verdienen. Die Investmentfirmen bekommen die Mittel vor allem von Pensionskassen, Banken, Investmentfonds und anderen großen institutionellen Anlegern, die auf höhere Profite hoffen. Sie zahlen gut und oft bar - 60 Prozent aller Deals des Jahres wurden mit Cash abgewickelt. Sie nehmen aufgekaufte Aktiengesellschaften von der Börse, bringen sie geschäftlich auf Vordermann und machen dann früher oder später durch Filetieren, Herauslösen und Verkauf der Gustostücke, oder auch einen neuen Börsengang noch einmal Kasse.
Gutes Geld verdienen die Investmentbanker aber auch schon, wenn sie die Fusionen nur beratend begleiten. 2006 kassierten sie allein an Gebühren mehr als 14,2 Milliarden Euro. Der alljährlich zum Jahresende fällige Millionenregen an Bonuszahlungen für die Trader fiel deshalb heuer ebenfalls so üppig aus wie noch nie.
Allein Goldman Sachs wickelte Übernahmen und Fusionen im Wert von knapp 760 Milliarden Euro ab. Damit ist die Investmentbank mit 30 Prozent Marktanteil die Nummer eins auf diesem Gebiet. Das Salär ihres Chefs Lloyd Blankfein fällt entsprechend üppig aus: Er erhält insgesamt 54 Millionen Dollar in diesem Jahr, 50 Millionen davon Prämie.
Kritische Stimmen sprechen inzwischen schon von einer neuen "Fusionsmanie". "Schaumschlägerei", nennt Allan Sloan, Börsenexperte von "Newsweek", manch bombastischen Deal dieser Tage. Die Fusionswelle sei "womöglich ein Zeichen finanziellen Wahnwitzes", der sich weniger als sechs Jahre nach dem Börsencrash wieder in die Märkte einschleiche. Sloan sieht in der Unersättlichkeit der Kapitalgesellschaften und des "alternativen Investment-Marktes" schon erste "Blasen" - namentlich beim Blackstone-Abenteuer, das zwei wacklige Märkte verknüpft: Immobilien und Kapital.
Schon bisher überstanden die "Fusionitis" nicht alle gesund: Bei jedem zweiten Zusammenschluss wird Unternehmenswert vernichtet, wie eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst&Young ergab. Lediglich bei einem Drittel der 189 analysierten Fusionen der vergangenen 14 Jahre kam es zu einer erheblichen Steigerung des Börsenwerts der Firmen.
Trotz aller Schwierigkeiten wird es auch in den kommenden Jahren zu zahlreichen Fusionen und Übernahmen kommen. Vor allem in der Energie-, Stahl- und Pharma-Branche dreht sich das Fusionskarussell immer schneller - die Gewinne dort sprudeln, die Kriegskassen sind voll.
Kein Kraut gegen feindliche Übernahmen
Und auch gegen feindliche Übernahmen ist kein Kraut gewachsen, meint der Chef des französischen Lebensmittelmultis Danone, Franck Riboud. Es gebe "keinen vollwertigen kapitalistischen Schutz" gegen einen solchen Versuch, "wenn man den Aktionären eine unverhältnismäßig hohe Prämie verspricht". Bei der Abwehr eines Angriffs glaube er deshalb "nicht an oft illusorische Schutzvorrichtungen wie einen Pakt der Aktionäre, einen harten Kern oder Giftpillen".
Deshalb werden in der Hitliste der Übernahmen des Jahres 2007 wohl auch zwei Firmen stehen, die sich heuer noch heftig gewehrt haben: Der spanische Stromkonzern Endesa - für den die deutsche E.On 37 Milliarden Euro bietet - und die Londoner Börse LSE, für die ihr New Yorker Konkurrent Nasdaq vier Milliarden Euro zahlen will. Die Preise werden wohl noch steigen müssen.