Die DNA des Urzeit-Menschen verabschiedet sich nach und nach.
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Davis/Wien. Die Neandertaler verschwanden vor ungefähr 30.000 Jahren von der Bildfläche - aber nicht völlig. Denn winzige Bausteine der Spezies leben nämlich noch heute - mehr oder weniger - im Erbgut des modernen Menschen weiter. Doch auch diese Neandertaler-Gene dürften ein Ablaufdatum haben, wie nun Evolutionsbiologen der University of California in ihrer Studie im Fachblatt "Plos Genetics" berichten.
Die Gruppe der Urzeitmenschen habe sich vor mehr als einer halben Million Jahre von unseren afrikanischen Vorfahren abgespalten und siedelte sich daraufhin in Europa und Zentralasien an. Als schließlich der moderne Mensch vor ungefähr 50.000 bis 80.000 Jahren den afrikanischen Kontinent verlassen hat und sich nach Europa und Asien zubewegte, kam es zu ersten Kreuzungen und damit zu neuen genetischen Kompositionen mit diesen Neandertalern.
Ein bis vier Prozent Erbgut
Im Anschluss habe natürliche Selektion dafür gesorgt, dass ein großer Teil schwacher und mitunter auch schädlicher Neandertaler-Genvarianten nach und nach aus dem modernen Genom eliminiert wurde, berichten die Wissenschafter um Graham Coop vom UC Davis Department of Evolution and Ecology.
Im modernen Menschen außerhalb Afrikas können heute noch ein bis vier Prozent dieser Gene im Erbgut nachgewiesen werden. Bei Menschen ostasiatischer Herkunft sind diese ausgeprägter vorhanden als bei Europäern. Bei Menschen afrikanischer Herkunft sind sie gar nicht enthalten.
Während der erste Hybrid noch je zur Hälfte die DNA beider Spezies in sich getragen hat, hätten sich in weiterer Folge die Neandertaler-Gene ganz offensichtlich nicht weiter durchsetzen können. Eine Hypothese als Begründung dafür war bisher, dass die Neandertaler mit dem modernen Menschen genetisch inkompatibel gewesen sein könnten. Ihre Nachkommen seien nicht fit genug gewesen, entwickelten Gedeihstörungen oder seien gar unfruchtbar gewesen.
Größe der Population entscheidend
Die Antwort der Forscher heute fällt allerdings anders aus. Demnach fanden sie keine besonders starke Selektion gegen einige wenige Neandertaler-Gene, sondern eine schwache, aber dafür extrem verbreitete und damit wirkstarke Selektion gegen viele dieser Sequenzen, wodurch diese langsam, aber nach und nach, aus unserem heutigen Genom beseitigt werden. Bei Kreuzungen unter kleinen Populationen würden Genvarianten wesentlich länger Bestand haben, zumindest so lange, bis sie sich als einigermaßen schädlich herausstellen würden. Mischt sich allerdings eine kleinere Population mit einer besonders großen, stellt sich die natürliche Selektion offensichtlich grundsätzlich gegen diese fremden Varianten und scheidet diese aus, erklärt Coop in der Publikation weiter.
Wären demnach "die Neandertaler in ihrer Anzahl wesentlich größer gewesen, als sie mit dem modernen Menschen in Kontakt gekommen waren, hätten wir heute einen vielfältigeren Mix von Neandertaler- und Menschengenen", erklärt auch der an der Studie beteiligte Jungforscher Ivan Juric die sich fortsetzende Auslese mit natürlichem Ablaufdatum.