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Das akute Elend der Journalisten

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Was Medien für die alltägliche Information der Bürger leisten, wird diesen erst bewusst werden, wenn Information nur noch drauf steht, aber nicht mehr drin ist.


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Wenn sich Lehrer, Ärzte, Fluglotsen oder - wie in Italien - Müllarbeiter in Arbeitskämpfe verwickeln, stehen sie dank der Medien im Mittelpunkt der Wahrnehmung. Es gibt nur einen Berufsstand, bei dem das nicht so funktioniert. Die Journalisten selbst sitzen mit ihren Problemen im blinden Fleck. Lediglich der ORF bildet als Politikum eine Ausnahme. Spektakeljournalistisch gibt er so viel her wie ein ganzjähriges Donauinselfest bei Hochwasser.

Unterhalb dieser Wahrnehmungsebene geraten Werte wie "seriöse Information" durch drei Entwicklungen massiv in Gefahr:

Da ist erstens die globale Strukturveränderung der Medienbranche, ausgelöst durch das Internet. Niemand kann diese Entwicklung aufhalten.

Zweitens setzt die Wirtschaftskrise alle Medienunternehmen unter ökonomischen Druck und lässt nach Auswegen wie etwa Teilfusionierungen suchen, wie sie soeben zwischen der Styria Medien AG und der Tiroler Moser Holding angebahnt wird.

Drittens ist das historisch gewachsene arbeitsrechtliche Netz der Journalisten, das in verkürzter Form durch Kollektivvertrag und Journalistengesetz darstellbar ist, hinter der Entwicklung zurückgeblieben. Erhebliche Teile des journalistischen Personals arbeiten außerhalb der genannten Sicherungssysteme. Die Medien sind ein Hort prekärer Arbeitsverhältnisse geworden. Die bisher von Verlagshäusern auf stille Tour betriebene "Kollektivvertragsflucht" soll durch gesellschaftsrechtliche Neuerungen zur Norm werden.

Ein Arbeitskonflikt im "Wirtschaftsblatt" zeigt die Richtung an: Journalismus wird umgepolt. Auch die "Vorarlberger Nachrichten", die beiden Nachfolgeorgane der "Oberösterreichischen Rundschau", "Die Presse" und sogar die "Austria Presse Agentur" experimentieren mit Tochterfirmen, die eine neue B-Klasse der Journalisten beherbergen.

Dank herausgeberischer Fähigkeiten und journalistischer Leistungen sind manche Zeitungstitel und Logos von Rundfunk- und Fernsehanstalten längst Markennamen. Sie garantieren bisher in den Augen der Kunden Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit, und sie sind gut voneinander zu unterscheiden. Solche Werte geraten ins Wanken, wenn Medienhäuser falsche Prioritäten setzen.

Die große Chance, wertvolle Nachrichten auf unterschiedlichsten Ebenen - gedruckt, in TV und Internet und sogar via Handy - zu verbreiten, droht sich darauf zu reduzieren, dass tausenderlei News-Fragmente in "Inhaltemaschinen" von möglichst wenigen Menschen so zusammengebaut werden wie Autoteile beim Assembling. Im Roboterbetrieb verflüchtigt sich das Wesen der journalistischen Leistung. Der Trend geht in Richtung Uniformierung und Konfektionierung dessen, was an die Kunden ausgeliefert wird.

Was dabei verloren geht, sei an einem Beispiel gezeigt: Dieser Tage bedankte sich die Chefin des polnischen Kulturinstituts, Malgorzata Grudzinska, anlässlich einer Veranstaltung in Weitra zum 20. Jahrestag des Falls des Eisernen Vorhangs bei den Medien - ausdrücklich auch bei den österreichischen - für deren Engagement beim kritischen Übergang zur Freiheit. Man fragt sich, wo künftig die Medien und auch die Journalisten herkommen sollen, die solche Leistungen erbringen beziehungsweise deren Notwendigkeit überhaupt erkennen. Der Zug der Zeit geht in Richtung "Lokalberichterstattung", weil sie billiger funktioniert. Was darüber hinaus nötig wäre, gilt vielfach bereits als Luxus. Die entscheidenden Ereignisse geschehen meist jenseits des lokalen Tellerrandes.