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Das Ausfransen an den Rändern der Einkommensverteilung

Von Wilfried Altzinger

Gastkommentare
Wilfried Altzinger leitet an der WU Wien das Forschungsinstitut "Economics of Inequality" (www.wu.ac.at/ineq). Ineq

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Soeben hat das Wifo eine neue Studie zur "Umverteilung durch den Staat" präsentiert. Darin werden Verteilungswirkungen durch Steuern und Abgaben sowie über die Ausgabenseite detailliert dargestellt. Das Wifo tut dies bereits zum dritten Mal, sodass Ergebnisse für die Jahre 2000, 2005 und 2010 verglichen werden können. Die wesentlichsten Erkenntnisse:

Die Verteilung der Primäreinkommen der Haushalte (Erwerbseinkommen aus unselbständiger und selbständiger Tätigkeit, Pensionen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Zinsen und Dividenden) wurde von 2000 bis 2010 stark ungleicher. Verfügte 2000 das reichste Zehntel der Haushalte über das 11-fache Primäreinkommen gegenüber dem ärmsten Zehntel, war es 2010 bereits das 23-Fache! Der Anstieg der Ungleichheit bei den Primäreinkommen hat mehrere Ursachen: Steigende Arbeitslosigkeit und mehr Teilzeit- und atypische Beschäftigungsverhältnisse ließen die Einkommen am unteren Ende stark zurückfallen. Am oberen Rand gab es hingegen überdurchschnittliche Einkommenszuwächse; ausschließlich diese Haushalte haben nennenswerte Vermögen und daraus resultierende Kapitaleinkommen (Einkommen aus Zinsen, Dividenden, Vermietung und Verpachtung). Insbesondere diese Einkommen verschärfen die Ungleichheit dramatisch. Wobei die in der Studie verwendeten Daten zu den Kapitaleinkommen die wirklich vermögenden Haushalte nicht erfassen, somit wird die tatsächliche Ungleichheit in der Primärverteilung noch unterschätzt.

Von der Steuer- und Abgabenseite gehen kaum Umverteilungseffekte aus. Dies ist insofern erstaunlich, da in der Diskussion stets der Eindruck erweckt wird, durch die progressive Besteuerung der Lohneinkommen würde ein hoher Umverteilungseffekt erzielt. Berücksichtigt man hingegen auch regressive Verteilungseffekte durch Verbrauchssteuern und die regressive Wirkung der Sozialversicherung (aufgrund der Höchstbemessungsgrundlage), so zeigt sich, dass sich die Abgabenbelastung für Erwerbstätigenhaushalte zwischen den unteren und oberen Einkommen nur gering unterscheidet. Wollte man die Ungleichverteilung der Primäreinkommen über die Einnahmenseite ausgleichen, wäre neben einer stärkeren Besteuerung der Kapitalerträge (derzeit 25 Prozent) auch die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer zentral.

Die Umverteilung über die Ausgabenseite unterstützt einen gesamtgesellschaftlichen Ausgleich stark. Insbesondere der Gratiszugang zu Bildung und der durch Sozialversicherungen gewährleistete Zugang zum Gesundheitssystem für alle (Mit-)Versicherten zeigen große Umverteilungseffekte. In einer Gesellschaft mit rasant steigender Ungleichheit in der Primärverteilung ist dies ermutigend. Zur Verbesserung von Chancengleichheit und sozialer Mobilität (zentrale Voraussetzungen für eine langfristige Verringerung der Einkommensungleichheiten) wären weitere Schritte zum qualitativen Ausbau der vorschulischen Erziehung angezeigt.

Fazit: Es gibt viel Schatten, aber auch Licht.