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Das Beispiel der Niederlande

Von Heike Hausensteiner

Politik

Mehr Markt, weniger Staat in der Gesundheitsfürsorge gibt es in den Niederlanden seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung sucht sich dort die Krankenversicherung selbst aus.


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Die Gesundheitsversorgung übernehmen öffentlich-rechtliche und private Krankenversicherer. Besserverdiener zahlen mehr als niedrige Einkommensbezieher. "Für uns ist Solidarität nämlich sehr wichtig", erläutert Paul Overmars gegenüber der "Wiener Zeitung". Overmars ist Vorstandsvorsitzender von Achmea, der nach Eigendarstellung größten Schadens- und Krankenversicherung (Marktanteil je 18 Prozent).

Das niederländische Gesundheitssystem stützt sich auf drei Säulen:

Das Allgemeine Gesetz über besondere Krankheitskosten versichert alle Bewohner gegen schwere Gesundheitsrisiken, wie chronische Erkrankungen, Versorgung in (Behinderten-, Pflege-) Heimen.

Die zweite Säule bildet ein Mischsystem aus Krankenkassenversicherungen und privaten Krankenversicherungen. In den Krankenkassen sind (seit dem Zweiten Weltkrieg) alle Arbeitnehmer bis zu einer Einkommensgrenze von knapp 30.000 Euro (rund 410.000 Schilling) sowie (seit den 50-er und 60-er Jahren) Pensionisten und Sozialhilfeempfänger pflichtversichert. Für Personen über 65 Jahre liegt die Einkommensgrenze bei 18.500 Euro (rund 255.000 Schilling). Die Pflichtversicherung ist (wie in Österreich) eine Naturaversicherung. Arbeitnehmer, die über der Einkommensgrenze verdienen, müssen sich privat versichern. Bei dieser Entschädigungsversicherung ist die Prämienhöhe davon abhängig, wieviel Selbstbehalt der Versicherte akzeptiert. Innerhalb der Privatversicherung ist allen Versicherten ein Standard-Leistungspaket garantiert (genannt WTZ), das mit den Leistungen der Krankenkassen übereinstimmmt. Die Höchstprämie wird vom Staat festgelegt.

Zusätzlich zur Prämie werden von Privatversicherten gesetzlich vorgeschriebene Solidaritätsbeiträge eingehoben. Damit werden die Kosten für WTZ-Versicherte und die Ausgaben für ältere Menschen ausgeglichen.

Die Zusatzkrankenversicherungen bilden die dritte Säule.

Insgesamt gibt es 77 Krankenversicherungen: 27 Krankenkassen, 47 private Versicherungsgesellschaften und drei öffentlich-rechtliche Versicherer. Sie stehen in Konkurrenz zueinander, unterliegen dem Wettbewerbsgesetz und dürfen keine wettbewerbsverzerrenden Vereinbarungen treffen und keine Kartelle bilden.

Der Staat bleibt jedoch letztverantwortlich für das Gesundheitsfürsorgesystem (Grundgesetz 1984). Vor diesem "Paradigmenwechsel" in den 80er Jahren hatte der Staat das System "fest im Griff", erklärt Overmars. Die Höchstgrenze der Ausgaben, Leistungsansprüche, Tarife der Leistungsträger etc. wurden vom Gesetzgeber festgelegt. "Jeder glaubte, dass man das gesellschaftliche Leben steuern könne." Doch das "straffe Modell der Angebotsbeherrschung", so Overmars, habe nicht funktioniert. "Es gab zu wenig Anreize, mit der Gesundheitsfürsorge zweckmäßig umzugehen."