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Das beliebteste Exil für Milliardäre

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Die 300 Reichsten besitzen knapp 470 Milliarden Franken. | Nur Vereinigte Staaten und China haben noch mehr Superreiche. | Auch Österreicher im höchst exquisiten Nobelklub vertreten. | Das Zürcher Wirtschaftsmagazin "Bilanz" will es ganz präzise wissen: Ihm zufolge besitzen die 300 reichsten Schweizer derzeit alles in allem 469.850.000.000 Franken. In Euro umgerechnet: rund 366 Milliarden. Der Geldadel im Nicht-EU-Land, zu dem u.a. 15 Weinbauern, 13 Uhrmacher, drei Prinzessinnen, drei Rockstars, zwei Lords und ein Scheich zählen, besteht allerdings nur zum Teil aus Einheimischen. Neben diesen möchten rund 130 Wahlschweizer, also Ausländer mit nobler eidgenössischer Adresse, ihren Besitz an mobilen und immobilen Gütern wie etwa Schmuck, Kunst, Antiquitäten, teure Autos oder Flugzeuge, Häuser und Ländereien bevorzugt in der Schweiz vermehren.


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In der illustren Runde - von Karim Aga Khan über Benjamin de Rothschild und Bernie Ecclestone bis zu Scheich Abdul Aziz Al-Sulaiman, der bereits einen Schweizer Pass besitzt (siehe Tabelle) -, tummeln sich Promis aus unterschiedlichsten Welten, wie Michael Schuhmacher, Nana Mouskouri, Tina Turner oder Gunter Sachs. Vor allem der verständnisvolle Fiskus im Alpenstaat - immerhin hebt die Schweiz seit 1958 keine nationale Vermögensteuer ein - übt auf deutsche Geldgiganten, steinreiche Oligarchen, griechische Reeder oder schwedische Konzernchefs gleichermaßen eine besondere Anziehungskraft aus. Daran ändern weder das langwierige Tauziehen um das immer löchriger werdende Bankgeheimnis noch die politisch motivierten Diskussionen um mehr Steuergerechtigkeit etwas.

Die 300 Wohlhabendsten im Lande - geringster Eintrittspreis in den Nobelklub sind 100 Millionen Franken - haben 2007 mit 529 Milliarden Franken kumuliertem Vermögen das All-Time-High geschafft. Daraufhin haben sich 2008 und 2009 gleich 80 Milliarden Franken in ihren Portefeuilles krisenbedingt verflüchtigt, ehe sich das Blatt im vergangenen Jahr wieder gewendet hat: Dank anziehender Immobilienpreise, steigender Nachfrage nach Uhren und Schmuck, der Erholung im Bankenbereich und Aufwärtstrend am Kunstmarkt sind die Vermögen um geschätzte 21 Milliarden Franken gestiegen.

Erben, Witwen undetliche Österreicher

Der exquisite Geldadel - betagtere Aktionäre multinationaler Unternehmen ebenso wie jüngere Angehörige der Erbengeneration - stiehlt den bodenständigen Finanzhaien wie den Schmidheinys, Jacobs, Bertarellis oder den Pharma-Moguln Hoffmann und Oeri locker die Show: Die (Mit-)Inhaber von Top-Labels wie Chanel, Guerlain, Lacoste, Zegna, Hechter oder Lauder etwa genießen ihre zumeist feudalen Wohnsitze in einem der steuerfreundlichen Kantönli ebenso wie etliche Milliardärswitwen, darunter die 56-jährige Charlene de Carvalho-Heineken. Die fünffache Mutter mit Wohnsitz im Waadtland kontrolliert 50 Prozent der Dachgesellschaft Heineken Holding, die mit 140 Brauereien in 70 Ländern sowie 55.000 Mitarbeitern der Bier-Gigant schlechthin ist. Eine starke Affinität zur Schweiz ist auch bei Kraft Geburt superreichen Töchtern und Söhnen, also Erben, zu erkennen: Die 25-jährige Athina Onassis de Miranda zum Beispiel, dank ihres Großvaters Aristoteles drei bis vier Milliarden schwer, lebt zwar mit ihrem brasilianischen Mann großteils in dessen Heimat, ihr Vermögen hat die aktive Springreiterin jedoch großteils in Zürcher Banken geparkt. Ziemlich regelmäßig im Bündnerland anzutreffen ist hingegen die 48-jährige Margarita Louis-Dreyfus samt ihren drei Söhnen. Die Witwe des vor zwei Jahren an Leukämie verstorbenen französischen Topmanagers Robert Louis-Dreyfus darf sich dort auf Grund der Erbschaftssteuerfreiheit vor den Pariser Steuerbehörden weitgehend sicher fühlen. Die gebürtige Russin, die auf 1,5 Milliarden Franken geschätzt wird, schlägt sich derzeit mit der Frage herum, ob es sinnvoll ist, den Kickerverein Olympique de Marseille weiterhin zu sponsern.

Ebenfalls Fixstarter in der alljährlichen "Bilanz"-Rangliste sind einige Österreicher, die naturgemäß auch in rot-weiß-roter Sichtweise zur vermögenden Crème de la Crème zählen - wenn auch hierorts in Euro: Heidi Horten beispielsweise, Milliardärswitwe vom Wörthersee, oder der langjährige Magna-Boss Frank Stronach, die Banker- und Industriellenfamilie Kahane, Tschechiens Außenminister Karl Fürst von Schwarzenberg sowie der 81-jährige Salzburger Spanplattenhersteller Ernst Kaindl, der bereits seit 1967 geschäftlich im Nachbarland engagiert ist.

Der Anteil der Superreichen mit Migrationshintergrund ist besonders unter den Franken-Milliardären extrem hoch: Von dieser Spezies gibt es im Nachbarland exakt 121 Personen - rund fünf Mal so viele wie in Österreich - und weit mehr als die Hälfte davon sind "Zuwanderer". Bloß in den USA (rund 400) und China (128) leben mehr Geldgiganten als in der Schweiz, wo ein Milliardär auf 65.000 Einwohner kommt. Der eidgenössische Finanzplatz ist, alles in allem, mit zwei Billionen US-Dollar längst das wichtigste Offshore-Zentrum für private Vermögen und schafft dabei mit 27 Prozent den höchsten Marktanteil.

Die steinreichen Ausländer scheint es absolut nicht zu stören, dass auch nahezu alle namhaften Polit-Gauner - von Ägyptens gestürztem Diktator Hosni Mubarak bis zu dem ums Überleben kämpfenden Ex-Revolutionsführer Libyens, Muammar Gaddafi - ihre Vermögen mit Vorliebe auf Schweizer Konten bunkern. Wobei Gaddafi auch nach der diplomatischen Krise um seinen Sohn Hannibal 2008 nur einen Teil den Geldes abzogen hat.

Der schwedische Greis Ingvar Kamprad etwa hat den Genfer See schon in den Siebzigerjahren - und nicht bloß der milden Steuergesetze wegen - lieb gewonnen. Der heute 84-jährige Ikea-Chef, der sich vor einem Vierteljahrhundert aus dem stressigen Tagesgeschäft zurückzog, legte im vergangenen Jahr gut und gern drei Milliarden zu. Sein Vermögen ist derzeit irgendwo zwischen 38 und 39 angesiedelt, womit er unangefochten der wohlhabendste "Schweizer" ist.

Um die Milliardenwird heftig gestritten

Mit deutlichem Respektabstand folgen Birgit Rausing, 86-jährige Großaktionärin des schwedischen Tetra-Pak-Konzerns, die ungefähr 12 Milliarden Franken auf die Waage bringt, sowie mehrere Mitglieder des holländischen Brenninkmeijer-Clans, der noch eine Spur höher einzuschätzen ist. Während Witwe Rausing am liebsten in Montreux lebt, dort als Kunsthistorikerin tätig war und zum Fan von Rainer Maria Rilke wurde, kümmern sich die Mitinhaber der Textilkette C & A, verteilt in Basel, Zug und anderen Städten, primär um die künftige Expansion und den reichlich vorhandenen Immobilienbesitz.

Der Russe Viktor Vekselberg und der Deutsche Klaus-Michael Kühne schaffen ebenfalls noch einen Platz unter den Top 10: Der 53-jährige Oligarch, der eine feudale Residenz am Zürcher See besitzt und auf neun bis zehn Milliarden taxiert wird, hat seine Wahlheimat längst zum Mittelpunkt geschäftlicher Aktivitäten gemacht. Ihm gehören nicht nur Anteile am Aluminiumhersteller Rusal und am Erdölproduzenten TNK-BP, sondern auch am Industriekonzern Sulzer und am Rüstungskonzern Oerlikon. Der Deutsche Kühne hingegen, der in der Gewichtsklasse sieben bis acht Milliarden antritt und seinen erfreulichen Status der Logistikgruppe Kühne & Nagel verdankt, verfügt zwar als Verwaltungsratspräsident über einen Wohnsitz im Steuerparadies Schindellegi, ist aber bis heute ein Ur-Hamburger geblieben. Er fördert die Stadt, wo immer er kann. Nur seine Steuern liefert er in der Schweiz ab .. .

Der Zuzug von begüterten Wahlschweizern, die bevorzugt auf Zürich, Basel, Genf und Lausanne schwören oder sich - wie Metro-Aktionär Otto Beisheim, 87, - im Kanton Zug wohl fühlen, hält unverändert an: Erst kürzlich hat sich der Boss des deutschen Bekleidungskonzerns Peek & Cloppenburg, Harro Uwe Cloppenburg, in der Schwyzer Gemeinde Feusisberg häuslich eingerichtet. Trotzdem zieht er weiterhin von Düsseldorf aus die Fäden in seinem Textil-Imperium.

So friedlich das Schweizer Ambiente für Superreiche auch sein mag - manche haben dennoch Zores, wenn sie sich beispielsweise um den Mammon zanken müssen: Contessa Margherita Agnelli de Pahlen hat einen brutalen Erbschaftskrieg gegen den Haupterben des Fiat-Konzerns, John Jacob Elkann, angezettelt. Sie verlor gegen ihren Sohn allerdings haushoch. Um das Erbe des 80-jährigen Barons August von Finck, der die Privatbank Merck Finck & Co. ohne Fortune geführt, 1990 schließlich verscherbelt und sich im Kanton Thurgau zur Ruhe gesetzt hatte, wird ebenfalls eine hässliche Familienfehde ausgetragen.Und absolut keine Ruhe findet auch der 44-jährige Russe Dmitry Rybolovlev, der in Genf wohnhaft wurde. Seine Gattin Elena möchte ihm nämlich im laufenden Scheidungsverfahren die Hälfte seines Vermögens abknöpfen - dabei geht es um sechs Milliarden Dollar.