EVN: Österreich könnte 40 Prozent der Phosphorimporte ersetzen. | Düngergewinnung aus Klärschlamm: Wiener Firma AshDec baut erste Großanlage weltweit bei Berlin. | Nikosia/Wien. Phosphor ist nicht nur ein Grundstoff allen Lebens, sondern zugleich als Dünger für die Landwirtschaft unentbehrlich. Derzeit muss der Rohstoff zu 100 Prozent importiert werden. Und das, obwohl in Österreich tagtäglich Unmengen des wertvollen Grundstoffes buchstäblich den Bach hinuntergehen - das heißt, sich in der Kanalisation verlieren. | Wachstumsthema Umwelttechnologie: EVN sorgt auf Zypern für sauberes Wasser
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der Dünger könnte aus menschlichen Ausscheidungen zurückgeholt werden: Das Schlagwort lautet "Urban Mining"; Gewinnung von Rohstoffen aus städtischen Abfällen.
"Bei idealer Ausbeute könnte Österreich seine Importabhängigkeit so auf 40 Prozent senken", sagt Franz Mittermayer, der beim niederösterreichischen Versorger EVN für den Umweltbereich zuständig ist.
Problem Schwermetalle
Früher wurde Klärschlamm direkt auf die Felder ausgebracht. Derzeit ist das in Österreich nur noch in Sonderfällen erlaubt: Zum einen sorgen organische Rückstände wie Hormone oder Medikamente für unabsehbare Risiken. Diese können durch die Verbrennung des Klärschlammes eliminiert werden. Ungelöst ist damit aber das Problem der Schwermetalle: Blei und Cadmium lagern sich über die Jahre in stetig höherer Konzentration im Boden ab.
Einem kleinen Wiener Unternehmen ist es gelungen, diese Problematik zu lösen. Die Firma AshDec (für "Decontamination") hat in einer Pilotanlage im steirischen Leoben über zwei Jahre die Gewinnung von Phosphatdünger aus verbranntem Klärschlamm zur Industriereife entwickelt. AshDec hält für diese Technologie die weltweiten Patente - einzige Konkurrenz ist das kanadische Unternehmen Ostara, das Dünger direkt an der Kläranlage aus dem Schlamm gewinnt.
AshDec hingegen schafft es, Blei und Cadmium zu 99 Prozent aus der Asche zu beseitigen und eine schädliche Konzentration von an sich wertvollen Spurenelementen wie Zink oder Kupfer auf Promillewerte zu reduzieren.
Derzeit ist die erste Industrieanlage geplant - dieses Referenzprojekt entsteht im Großraum Berlin. "Wir stehen kurz vor den Genehmigungen, die Inbetriebnahme sollte dann um den Jahreswechsel 2011 und 2012 erfolgen können", sagt AshDec-Gründer und -Chef Ludwig Hermann zur "Wiener Zeitung".
Die Investition beläuft sich auf rund 15 Millionen Euro, im Endeffekt sollen 30.000 Tonnen Dünger aus Berliner und Hamburger Klärschlamm gewonnen werden. Zum Vergleich: Der deutsche Gesamtmarkt für Phosphatdünger beläuft sich auf 3 Millionen Tonnen. Der Rohstoffpreis für Phosphat ist zwar momentan wieder auf einem Niveau, wo er vor dem Preispeak des Jahres 2008 lag. Die Anlage werde sich dennoch rentabel betreiben lassen - mit Margen von etwa 10 Prozent, so Hermann.
Warum entsteht die Anlage in Berlin und nicht in Österreich? Neben Förderungen in Deutschland sei entscheidend, dass es in Österreich nur eine Klärschlamm-Verbrennung gibt, die relevante Mengen Asche liefert: jene in Wien-Simmering. Die Asche wird in Wien aber nicht wiederverwertet, sondern als Beton in der Mülldeponie Rautenweg verbaut.
Anderswo ist man weiter: "Moskau will sogar eine Düngerproduktion, obwohl Russland selbst Phosphor abbaut", sagt EVN-Experte Mittermayer. Österreich betrachte Phosphor noch nicht als strategischen Rohstoff, meint auch Hermann. Dabei ist die Import-Abhängigkeit groß: Der Handel ist derzeit zu 76 Prozent bei vier nordafrikanischen und einem russischen Unternehmen konzentriert.
Müll wird wieder zu Geld
Auch die EVN verfolgt die Philosophie, aus Reststoffen der Abwasserentsorgung und Müllverbrennung ein Maximum an verwertbaren Rohstoffen zu ziehen. Die Säulen Umwelt- und Energiegeschäft wachsen so immer mehr zusammen. Bei der Abwasserverwertung können Faulgase und Klärschlamm zur Energiegewinnung herangezogen werden. Aus der Asche wird Dünger. Und sogar aus der Schlacke der Müllverbrennung könnten künftig wertvolle Metalle abgeschieden werden.
Sogar dem als Klimagift verrufenen Kohlendioxid gewinnt die EVN positive Seiten ab: Eine Pilotanlage beim Kraftwerk Dürnrohr erzeugt industrielles CO2 aus dem Rauchgas - zur Verwendung etwa als Kohlensäure in Getränken oder für Kosmetika.