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Das Bleiberecht ersatzlos streichen?

Von Katharina Schmidt

Politik

Innenministerin Fekter zu VfGH-Erkenntnis: Kein neues Antragsverfahren. | "Österreich ist kein Zuwanderungsland." | EU-Migrationspakt: Saisonnier-Regelung nur auf nationaler Ebene. | "Wiener Zeitung": Ist Österreich ein Einwanderungsland? | Maria Fekter: Wir sind Weltmeister in Unterstützungsleistungen: Unsere Spendenfreudigkeit ist ja bekannt. Außerdem hat Österreich eine sehr lange Tradition, wenn es darum geht, Hilfesuchenden großzügig Schutz zu bieten. Wir sind aber ein kleines Land, das nicht in der Lage ist, alle Zuwanderungswilligen auch aufzunehmen. Daher: Nein, wir sind kein Zuwanderungsland.


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Welche Punkte stören Sie am Einwanderungspakt von Cannes, mit welchen können Sie leben?

In Cannes ist die Polizeikoordination auf europäischer Ebene angesprochen worden. Dabei geht es darum, nicht nur bilateral mit den jeweiligen Nachbarländern zu kooperieren, sondern institutionell europäisch. Das halte ich für einen ausgesprochen guten Ansatz. Der andere Schwerpunkt war der Migrationspakt, den die Franzosen vorgeschlagen haben. Grundsätzlich haben wir damit eine große Freude, weil die Asylstandards harmonisiert werden sollen. Es geht nämlich nicht an, dass ein paar wenige Länder Schutz bieten, während sich andere strikt zurücklehnen. Daraus lässt sich erkennen, dass wir Europa für unsere Arbeit brauchen: Es ist blauäugig und kleinkariert, wenn man meint, man könnte diese Ströme von Völkerwanderungswünschen als Österreich alleine lösen.

In dem Pakt enthalten ist auch das Modell der zirkulären Migration .. .

Diesen Vorschlag könnte man mit unserer Saisonnier-Regelung vergleichen - aber nicht auf nationaler Ebene, sondern EU-weit. Das hat Österreich abgelehnt. Wenn beispielsweise die Spanier Orangenpflücker brauchen, dann holt die EU sie aus Afrika. Das soll aber national geregelt sein, damit sich diese Orangenpflücker nicht in Österreich niederlassen. Denn saisonale Bedürfnisse sind regional ganz unterschiedlich. Wir haben kein Problem damit, wenn sich ein Land Saisonniers holt. Aber ein Kontingent von Zigtausend, die innerhalb der EU Personenfreizügigkeit haben, brächte Irritationen auf dem Arbeitsmarkt anderer Länder.

Einerseits herrscht in Österreich Fachkräftemangel in bestimmten Bereichen. Andererseits haben wir wohl auch damit zu kämpfen, dass hauptsächlich unqualifizierte Kräfte nach Österreich kommen. Welche Lösungsansätze gibt es da?

Wir müssen der Bevölkerung mit Migrationshintergrund klarmachen, dass Bildung alles ist, weil man sonst in Arbeitslosigkeit oder Notstandshilfe landet. Ich habe kein Verständnis, wenn 15- oder 16-jährige Mädchen aus unseren Schulen herausgenommen, in der Heimat zwangsverheiratet werden und dann nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen dürfen. Das passt nicht in unsere Kultur. Wir müssen dafür sorgen, dass Jugendliche einen Lehrplatz bekommen, dafür müssen sie aber Deutsch können.

Was passiert mit dem Integrationspaket Ihres Amtsvorgängers?

Ich betrachte das als sehr gelungen und unterstütze es voll und ganz. Soweit es mir jetzt noch möglich ist, werde ich schauen, ob wir nicht einige Punkte davon auf Schiene bringen und andere - sollte ich weiter Innenministerin sein - dann sukzessive umsetzen. Ich unterstütze selbstverständlich auch die Deutschpflicht: Wenn jemand zuwandern will, dann tut er das aus wirtschaftlichen Überlegungen. Er muss vor der Zuwanderung Deutsch können, sonst ist seine wirtschaftliche Existenz hier gefährdet. Ich lade Herrn Van der Bellen ein, das Paket zu lesen. Dort steht dezidiert, dass die Pflicht etwa für Uniprofessoren nicht gilt.

Können Sie sich ein Punktesystem wie in Kanada als Weiterentwicklung des Platter-Papiers vorstellen?

Ich möchte jetzt nicht kreativ darüber nachdenken, was nicht alles noch möglich wäre. Es genügt schon, wenn wir unsere strengen Regeln, die mit den letzten Novellen beschlossen wurden, erst einmal über einen längeren Zeitraum umsetzen. Zudem denkt ohnehin die EU darüber nach, wie man die Zuwanderung europäisch steuern kann. Da bestehen wir darauf, selbst auszusuchen, wer zuwandert. Wenn Europa über eine Blue-Card nachdenkt, fordere ich eine Rot-Weiß-Rot-Card.

Stichwort Asyl: Wie wollen Sie für raschere Verfahren sorgen?

Die Verfahren haben sich in den ersten Jahren deshalb verzögert, weil sich die Behörde erst darüber ein Bild machen musste, wie das Gefahrenpotenzial in unbekannten Regionen aussieht. Hier haben wir jetzt einen großen gesicherten Datenbestand. Problematisch war das überbordende Antragstellen. Hier wird unser System insofern missbraucht, als man aus wirtschaftlichen Gründen zuwandern will und alle Klimmzüge unternimmt. Dem müssen wir entgegenwirken.

Dazu drängt sich die Frage auf . . .

... Kein Einzelfall; bevor Sie Namen nennen. Aber: Wenn es etwa in einer Familie bereits über 90 Verfahren gibt und alle negativ waren, kriminelle Taten passieren und man dann trotzdem versucht, über Schlepperei andere Familienmitglieder hereinzubringen, dann wird das nicht funktionieren. Unser System ist für solche Versuche, durch die Hintertür hereinzukommen, nicht gedacht. Im Gesetz steht aber auch: Wenn es Hindernisse gibt, beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen, dann schieben wir nicht ab.

Nun hat doch der Verfassungsgerichtshof mit seiner jüngsten Entscheidung wieder eine Hintertür aufgemacht.

Ganz im Gegenteil. Aus humanitären Gründen hat sich der Gesetzgeber gedacht: Wenn im Einzelfall nichts dagegen spricht, betroffene Personen hier zu lassen, dann kann man anregen, dass für sie entschieden wird. Der VfGH hat diese Regelung gekippt. All denjenigen, die mich bitten, ich möge Gnade walten lassen, muss ich sagen: Der VfGH hat mir erklärt, dass Gnade in unserem Rechtsstaat nicht passend ist.

Aber laut VfGH muss es doch ein Antragsrecht auf das Humanitäre Bleiberecht geben.

Die Höchstrichter haben nicht verpflichtend gesagt, dass man das Gesetz in Richtung Antragsrecht reparieren muss. Man könnte es auch ersatzlos streichen.

Haben Sie das vor?

Wir werden keinesfalls ein Antragsverfahren an alle anderen Verfahren hängen. Dann sind wir wieder bei den 90 Verfahren, das kann ich mir mit Sicherheit nicht vorstellen. Aber wir schauen uns derzeit internationale Beispiele für den Umgang mit Härtefällen an. Auf alle Fälle muss es ein System sein, das missbrauchsfest ist.