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Hannah Arendt schrieb in Bezug auf Adolf Eichmann von der Banalität des Bösen. Nordkoreas verstorbener Diktator Kim Jong-il verkörperte zeit seines Lebens die groteske Lächerlichkeit des Bösen: Das pummelige Gesicht, die Stachelfrisur, die unbeholfenen Bewegungen, dazu all die Geschichten über seine Vorliebe für Cognac, Tänzerinnen und Hollywood, dass er nur im eigenen Zug zu reisen pflegte, seine Geburt von einer Schwalbe angekündigt und von einem Stern samt doppeltem Regenbogen schließlich verkündet worden sein soll.
Über all dies lässt sich aus sicherer Distanz trefflich Witze reißen, der jenseitige Führerkult schaffte es in Wien sogar zu Ausstellungsehren. Nordkorea wurde auf diese Weise zu einem abstrusen Kuriositätenkabinett verniedlicht, das man doch - bitte schön - unmöglich ernst nehmen könne.
Dass es in diesem kommunistischen Absurdistan Konzentrationslager für politische Häftlinge von unbeschreiblicher Grausamkeit gibt, zumindest Hunderttausende, wenn nicht Millionen, verhungerten: Mangels gesicherter Informationen erhielt die unvorstellbare Brutalität dieses Regimes niemals die mediale Aufmerksamkeit, die die Opfer verdienen würden.
Wahrscheinlich wollen wir es mit den Opferzahlen in Nordkorea gar nicht so genau wissen. Aus Wissen entsteht schließlich Verantwortung - für eine klare politische Position, für tatsächliches Engagement. Im routiniert abgewickelten Alltag dagegen ist Nordkorea weit, sehr weit weg. Und was kann man über solche Distanzen hinweg schon tun, wenn man die Verhältnisse vor Ort nur vom Hörensagen kennt? Eben. An Nordkoreas abgeriegelten Grenzen prallen die Reden von universalen Werten wie Gummibälle ab.
Dabei regiert das Machtkartell in Pjöngjang mit eiskaltem Kalkül. Witzfiguren schaffen keine Diktatur ohne Schlupflöcher, perfektionieren keinen Unterdrückungsapparat, spielen nicht mit der Weltgemeinschaft in Sachen Atom seit Jahren Katz und Maus. Tatsächlich entspringt auch dieses nukleare Rüstungsprogramm politischer Kalkulation, ist es doch das einzige Faustpfand in den Händen der Diktatur.
Zu hoffen ist, dass die Weltöffentlichkeit wenigstens beim dritten Kim ihr Augenmerk weniger den - jetzt schon wieder kolportierten - Spleens und Ticks des Neuen widmet als vielmehr die Brutalität dieses Regimes anprangert.