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Das britische Wahlsystem

Von Sigurd Saunderson

Politik

Optimistische Wahlrechtskritiker sehen erstmals eine realistische Chance, dass die diesjährigen Wahlen die letzten unter dem "vorsintflutlichen" System sein könnten.


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Trotz massiven Vertrauensverlustes wird Labour laut Wahlprognosen mit 42 Prozent der Stimmen noch einmal die stärkste Partei bleiben. Die Konservativen stagnieren bei 29 Prozent und den Liberaldemokraten werden mit 21 Prozent um drei Prozentpunkte mehr als bei den letzten Wahlen vorausgesagt. In Großbritannien endet auch diese Stimmenverteilung mit einer absoluten Mehrheit der Abgeordnetensitze für Labour.

Grund dafür ist das britische relative Mehrheitswahlrecht, das die Stimmergebnisse seit jeher zu Gunsten der große Parteien verzerrt. Jeder der 646 Wahlkreise kann nur einen Abgeordneten ins Parlament schicken. Wahlgewinner ist, wer die Mehrheit der Stimmen erhält, alle anderen, die nicht den lokalen Siegerkandidaten gewählt haben, landen im Papierkorb. Dies hat zur Folge, dass die Liberaldemokraten als kleinste Partei, die in vielen Wahlkreisen den zweiten Platz erzielen konnten, im Parlament nur sehr schwach vertreten sind. Aber auch die Konservativen haben derzeit mit dem System zu kämpfen. Ihre starken Bezirke liegen vorwiegend im bevölkerungsreichen England. In diesen Wahlkreisen sind im Schnitt 6.000 Wähler mehr registriert als in Labourfreundlichen Wahlkreisen. Für einen Sieg in den bevorzugten Wahlkreisen "verbrauchen" die Tories also relativ mehr Stimmen als die Labour-Partei in ihren Hochburgen.

Wählerapathie und taktisches Wählen sind die Folgen. Schon seit Jahren protestiert die Lobby "Make my vote count" gegen das britische Wahlsystem. Und die gegenwärtigen Wahlprognosen lassen die Diskussion diesmal auch in den britischen Medien aufflammen. Ein stimmenmäßig knapper Wahlausgang, der absurderweise dennoch mit einer absoluten Mehrheit im Parlament endet, lässt den Ruf nach einer Wahlrechtsreform nun lauter werden.