Großer Reformbedarf in der Heeres-Verwaltung.
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Wien. Die Reform des Bundesheers zielt derzeit nur auf eines ab: mehr Geld und mehr Action. Der wahre Reformbedarf ist aber dort zu finden, wo weniger Action ist - in der noch immer aufgeblähten Heeres-Verwaltung.
Wie viel dort zu tun ist, hat der Rechnungshof in etlichen Berichten aufgelistet. Da ist nachzulesen, wie die Zahl der Offiziere alleine von 2006 bis 2011 um 188 auf fast 3000 angestiegen ist; da ist von 2500 Personen die Rede, die ein überzogenes Gehalt bekommen; da ist von neun Militärkommanden für jedes Bundesland die Rede, die um 25 Prozent mehr Personal haben als nötig; von neun Militärmusikkapellen mit 160 Berufsmusikern, die sich mit Pauken und Trompeten gegen jede Zusammenlegung wehren.
Die "900er"
Und es ist von etlichen Personen die Rede, für die es nach der letzten großen Reform 2010 keine wirkliche Verwendung mehr gibt, im Fachjargon "900er" genannt. Derzeit sind es rund 820 Berufssoldaten, die nach ihrer Zeit bei der Truppe mit rund 42 Jahren in die sogenannte "Grundorganisation", also Verwaltung, wechselten. Ihre Zahl könnte durch die neuen Reformen steigen. Denn das Verhältnis von Truppe zu Verwaltung soll von derzeit 1:1,4 auf 1:1 geändert werden. Das heißt, potenziell sind jüngere Zeitsoldaten eher gefragt als ältere Heeresbeamte. General Edmund Entacher hat schon angekündigt, dass es für das "erlebnisorientierte Heer" neue Ausbildner braucht - von den "900ern" war dabei keine Rede.
Aktion Frühpension
Was mit dem Heer an überzähligen Mitarbeitern geschehen soll, ist umstritten. Der Chef der Bundesheer-Gewerkschaft Wilhelm Waldner fordert eine Aktion Frühpension für alle Soldaten ab 55 Jahren. Das gab es schon einmal unter Verteidigungsminister Herbert Scheibner unter dem Titel "Chance 55". Ähnliche "pensionsrechtliche Begleitmaßnahmen" fordert Waldner auch jetzt.
Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek will sie lieber in andere Ministerien abkommandieren. Einmal ist das schon gut gelungen, als noch unter Finanzminister Josef Pröll 200 Soldaten auf einen Schlag zur Finanzpolizei wechselten.
Doch wie ebenfalls im Rechnungshofbericht nachzulesen ist, war die generelle Bereitschaft der Soldaten für einen Wechsel gering. Bei Interviews waren 50 Prozent der Befragten nicht bereit, den Arbeitsort zu wechseln, ein Arbeitsplatz über 20 Kilometer entfernt kam nur für 13 Prozent in Frage, einer über 50 Kilometer nur für ein Prozent. Nur sechs Prozent waren bereit, in die Privatwirtschaft zu wechseln.
"Wir haben Mitte 2012 den Versetzungsschutz gelockert. Das beginnt erst zu greifen", schildert ein Sprecher des Ministeriums. Konkret heißt das: Soldaten können auch gegen ihren Willen gezwungen werden, ihre Uniform auszuziehen und in eine andere, entferntere Dienststelle zu wechseln. Freiwilligkeit habe aber Priorität, betont der Sprecher.
"Lassen wir die Kirche im Dorf, unsere Probleme mit der Altersstruktur können wir den anderen Ministerien nur bedingt umhängen, auch dort wollen sie in erster Linie junge Leute", sagt Waldner.
Geld für Kader statt Kaserne
So wie alle Berufssoldaten sind die "900er" unkündbar. Alle zwei Jahre gibt es Gehaltsvorrückungen. Das trägt mit dazu bei, dass schon jetzt 50 Prozent des Heeresbudgets fürs Personal ausgegeben wird, Tendenz stark steigend. Für marode Kasernen, Ausrüstung und neues Gerät wird der Spielraum hingegen enger. Daran wird auch eine politische Finanzspritze nichts ändern.
Jetzt hängt viel vom Reformtempo ab. Bei einer raschen Reform sei eine Frühpensionswelle unausweichlich, meint Militärexperte Gerald Karner. Alternative: Die "900er" werden langsam über "natürliche Abgänge" abgebaut.
Damit ist künftig nicht mehr so weit kommt, setzt man verstärkt auf Zeitsoldaten. Die sind Beamte auf Zeit, die keinen Rechtsanspruch darauf haben, bis zur Pension zu bleiben.