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Das Bundesheer stärken - oder abschaffen

Von Florian Hamader

Gastkommentare

Die Vorzeichen für Klaudia Tanner im Verteidigungsressort sind denkbar schlecht.


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Klaudia Tanner übernimmt als neue Verteidigungsministerin ein schwieriges Amt. Lange schon gilt das Verteidigungsressort vielmehr als Schleudersitz denn Karrieresprungbrett. Und dann auch noch eine Frau aus dem Bauernbund. Eine Frau als Ministerin sollte heute wahrlich keine Besonderheit mehr darstellen, reiht sie sich doch in eine Riege erfolgreicher europäischer Politikerinnen ein, wie beispielsweise der amtierenden EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ebenfalls das Verteidigungsressort innehatte.

Dass ihr bisher die Berührungspunkte mit der Verteidigungspolitik fehlen, ist aber zweifellos eine Hypothek. Das Ressort steht vor derart vielen Herausforderungen, dass daraus auch schnell Überforderung erwachsen könnte. Bis heute ist das Bundesheer ein ungeliebtes Stiefkind. Bestenfalls dient es als Sparschwein, das man schlachten kann, um Wahlzuckerl zu finanzieren. Jedoch wurde so lange auf dieses Sparschwein eingeschlagen, dass man heute vor einem Trümmerhaufen steht.

16 Milliarden Euro Investitionsrückstau

Eingedenk der abyssischen Bilanz ihrer Vorgänger (außer Konkurrenz: Beamtenminister Thomas Starlinger) könnte man meinen, dass es nur aufwärts gehen kann. Doch die Probleme sind Legion; die 50 Jahre alten Abfangjäger Saab 105 müssen dringend ersetzt werden, ebenso die Hubschrauber Alouette III. Es braucht zudem mehr Investitionen in geschützte Mobilität und persönliche Schutzausrüstung, auch Kampf- und Schützenpanzer benötigen ein Upgrade. Insgesamt beläuft sich der Investitionsrückstau auf mehr als 16 Milliarden Euro. Erwartbar sind große Investitionen in das Bundesheer jedoch nicht. Vielmehr bekennt man sich im neuen Regierungsprogramm zur Sparsamkeit. Man will am Nulldefizit festhalten, die Staatsschulden weiter senken und erneut eine Steuersenkung umsetzen.

Damit ist ein radikaler Umbau des Bundesheers programmiert. Die ohnehin schon nur noch in Rekonstruktionskernen vorhandenen schweren Waffengattungen werden wohl dem Sparstift zum Opfer fallen. Vielmehr will man sich auf Cybersicherheit und Desinformation konzentrieren, ebenso auf die obligate Katastrophenhilfe. Was bleibt, erinnert mehr an eine "Polizei Plus". Viele der Aufgaben könnte man auch dort oder bei den Nachrichtendiensten ansiedeln. Um dem daraus resultierenden Sicherheitsvakuum zu begegnen, bedient man sich eines alten Schmähs: Die Neutralität wird zum verteidigungspolitischen Allheilmittel erhoben.

Selbst die utopische Träumerei eines "Zivilen Friedensdienstes", der sich die Grünen im Wahlkampf angeschlossen haben, hat Eingang in das Regierungsprogramm gefunden. Als Vorbild dient Deutschland, wo es schon einen solchen Friedensdienst gibt. Wirft man einen Blick auf deren Website, stellt man fest, dass 2018 gerade einmal 300 "Friedensdiener" weltweit tätig waren. Im Hinblick auf die geradezu mickrig anmutenden personellen Ressourcen, noch dazu über die ganze Welt verstreut, stellt sich die Frage, was die tatsächliche Wirkung eines solchen Friedensdienstes sein kann. Darauf die Sicherheit der Republik aufbauen zu wollen, scheint vermessen.

Mit der Verteidigungspolitik hat man ein ganzes Politikfeld aufgegeben, dessen sich andere Akteure sehr wohl bedienen. Zu glauben, man hätte dadurch einen Vorteil, oder dass daraus zumindest kein Nachteil erwachsen würde, zeugt von einem infantilen Politikverständnis. Es genügt ein Blick auf die Großmächte; die USA wussten seit jeher ihre Interessen militärisch durchzusetzen, Russland hat den Krieg nach Europa hereingetragen, und auch China setzt im Südchinesischen Meer auf das Recht des Stärkeren. Geradezu schizophren mutet das Bekenntnis zu einem starken Europa an, verzichtet man im Falle des Bundesheers doch auf das potenteste Mittel der Interessenswahrung und -durchsetzung.

Verantwortung gegenüberden Soldaten

In all den - zugegeben oft nur kurzen und oberflächlich geführten - Debatten um das Bundesheer wird eine Gruppe stets übersehen, die das Ach und Weh der Politik gleichwohl direkt betrifft: die Soldaten. Die Bevölkerung der Republik Österreich hat sich eine Verfassung gegeben, nach der Streitkräfte zu unterhalten sind. Werden Soldaten in den Einsatz geschickt, ob nun im Rahmen des Katastrophenschutzes, des UN-Peacekeepings, tatsächlicher Kampfeinsätze oder sonstiger Aufgaben - einher geht damit immer eine besondere Verantwortung. Soldaten stellen sich zwischen die Bevölkerung und eine mögliche Bedrohung. Solange das Bundesheer also noch in der Verfassung steht, sollte es uns eigentlich der Respekt gebieten, die Soldaten so auszustatten, dass sie die an sie gestellten Aufgaben erfüllen können, vor allem aber auch wieder heil nach Hause zurückkehren können. Werden Politik und Gesellschaft dieser Verantwortung nicht gerecht, bedeutet ein Einsatz für die Soldaten nichts anderes, als dass man sie zur Schlachtbank führt.

Eine Chance für die Verteidigungsministerin

Gerade hier liegt für Ministerin Tanner eine große Chance, falls es ihr gelingt, eine breite öffentliche Debatte über die Zukunft des Bundesheers anzustoßen. Am Ende stehen zwei Optionen: Entweder man hält am Bundesheer fest, dann braucht es eine angemessene Finanzierung und auch ein erwachsenes Verhältnis zur Verteidigungspolitik an sich; oder man entscheidet sich für den bisher eingeschlagenen Kurs. Dann wiederum müsste die Debatte weitergehen, hin zu einer Abschaffung des Bundesheers. Der noch bestehende erbarmungswürdige Rumpf wird jedenfalls den Sicherheitsbedürfnissen der Republik nicht gerecht, und für den reinen Katastrophenschutz ist das Bundesheer zu teuer. Eine solche ehrlich geführte Debatte wäre ein großer Verdienst der Ministerin.

Man könnte nun eine ganze Reihe von Wünschen an Tanner richten, von diversen nötigen Einzelinvestitionen bis hin zu einem höheren Regelbudget. Letztlich wird aber auch das keinen dauerhaften Erfolg zeitigen. Vielmehr wird sich Erfolg oder Misserfolg der Ministerin daran messen lassen, ob es ihr gelingt, ein Mindestmaß an strategischer Kultur in der österreichischen Politik herauszubilden und die Verteidigungspolitik wieder als vollwertiges Politikfeld zu etablieren.

Tanner übernimmt ein schwieriges wie spannendes Ressort, dem wesentlich mehr politisches Potenzial innewohnt, als viele meinen. Angesichts der negativen Auspizien stellt sich jedoch die Frage, ob nicht ein Misserfolg Tanners als Verteidigungsministerin programmiert ist.