Im neuen Regierungsteam der Volkspartei sichern sich die schwarzen Landeschefs wieder maßgeblichen Einfluss.
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Mancher geht. Mancher kommt. Mancher wechselt. Und einer steigt auf. Mit dem Abschied von Sebastian Kurz aus der Politik stellt sich das ÖVP-Team in der Bundesregierung neu auf. Im Bundesparteivorstand wurde am Freitag Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) als neuer ÖVP-Chef und Bundeskanzler designiert. Er folgt Alexander Schallenberg, der wieder seinen alten Posten als Außenminister annimmt.
Mit dem Finanz-, Innen-, und Bildungsministerium werden gleich drei Ministerien neu besetzt. Die ÖVP-Landesparteien konnten dabei maßgeblich Einfluss nehmen. Wieder ist es etwa die niederösterreichische ÖVP, welche das Schlüsselressort für Inneres besetzt. Neuer Innenminister wird Gerhard Karner, bisher Zweiter Landtagspräsident Niederösterreichs. Zuvor hatte die Landespartei in den vergangenen Jahren bereits mit Johanna Mikl-Leitner, Wolfgang Sobotka und Nehammer, zu dem sie ebenfalls einen guten Draht hat, drei Innenminister gestellt.
Karner hat als Sprecher von Ex-Innenminister Ernst Strasser das Ressort in der Wiener Herrengasse kennengelernt. Auf Landesebene hat sich der 54-Jährige als Sicherheitssprecher einen Namen gemacht und die kompromisslose Schule der niederösterreichischen ÖVP durchlebt. Von 2003 bis 2015 war er ÖVP-Landesgeschäftsführer. Die Wege Karners und Nehammers haben sich vor bereits mehr als einem Jahrzehnt in St. Pölten gekreuzt, als der nun designierte Bundeskanzler als Kommunikationstrainer den Funktionärsapparat der Landes-ÖVP kennengelernt hat. Seit 2015 ist Karner auch Bürgermeister im Texingtal im Mostviertel.
Steirer wieder in der Regierung
Finanzminister Gernot Blümel hatte bereits am Donnerstag seinen Rückzug aus der Politik verkündet. Am Freitag zog sich überraschend auch Bildungsminister Heinz Faßmann zurück. Er habe "seinen Lebensabschnitt als Politiker und Minister abgeschlossen - ohne Wehmut und Groll", sagte er bei seinem Abschied.
Die Bildungsagenda übernimmt Martin Polaschek, Rechtshistoriker und Rektor der Universität Graz. Damit kommt nach Faßmann erneut ein Universitätsprofessor und Rektor im Bildungsressort zum Zug. Dies lässt aber eine Flanke offen, die auch Faßmann als Ressortchef verfolgte. Rektoren haben zwar ein hohes Ansehen im Bildungs- und Wissenschaftsbetrieb. Faßmann war vor allem von Lehrerseite aber vorgehalten worden, dass er als Wissenschafter die täglichen Probleme im Schulbetrieb in Österreich nicht kenne.
Polaschek kann entgegnen, dass er in der Rektorenkonferenz jahrelang für die Lehre und damit für die Ausbildung künftiger Lehrer zuständig war. Wie auch Faßmann wird Polaschek sich in nächster Zeit vor allem den Corona-Debatten um die Schulen widmen müssen. Beharrlichkeit hat der Steirer in seiner Karriere bewiesen, 2019 schaffte er es zum Rektorposten. Eine Rolle für seine nunmehrige Kür hat gespielt, dass beim Austarieren des Ländergleichgewichts in Nehammers Regierungsteam die steirische ÖVP einen Steirer in die Regierung bugsieren wollte. Die Steirer waren seit dem Ausscheiden der glücklosen Arbeitsministerin Christine Aschbacher nicht mehr in der Regierung vertreten gewesen.
Auch die Vorarlberger ÖVP hat nun einen Minister in der Regierung. Magnus Brunner steigt in der türkis-grünen Riege auf. Der 49-Jährige war bisher Staatssekretär im Infrastrukturministerium und dort für die Luft- und Schifffahrt zuständig. Er beerbt Gernot Blümel als Finanzminister. Wie die meisten anderen Staatssekretäre vor ihm trat Brunner öffentlich kaum in Erscheinung. Mit dem neuen Amt wird sich das ändern. Brunner war Büroleiter und Pressesprecher von Vorarlbergs Ex-Landeshauptmann Herbert Sausgruber. Nach einer Station beim Wirtschaftsbund war er im Energiebereich tätig, ab 2007 als Vorstand der OeMAG Abwicklungsstelle für Ökostrom AG. Von 2009 bis Jänner 2020 saß er für die ÖVP im Bundesrat.
Einer breiteren Öffentlichkeit ebenfalls nicht bekannt ist Claudia Plakolm. Die 26-jährige Oberösterreicherin wird Staatssekretärin im Kanzleramt. Dort soll sie für die Jugendagenden zuständig sein. Ihr Werdegang erinnert ein wenig an jenen von Sebastian Kurz. So wie dieser startete sie ihre Karriere in der Jungen ÖVP, deren Chefin sie mittlerweile ist. Überraschend wechselte sie nun in die Bundesregierung.
Austausch im Kanzleramt
Veränderungen wird es auch im Kabinett des Bundeskanzlers geben, wie Nehammer am Freitag ankündigte. Genauere Details sind noch nicht bekannt. Bernhard Bonelli, der mit Kurz ins Bundeskanzleramt einzog und auch bei Schallenberg blieb, wird nicht mehr Kabinettschef sein. Unklar ist, was mit Außenminister Michael Linhart passiert und ob dieser wieder einen Botschafterposten antritt. Fest steht, dass Axel Melchior als ÖVP-Generalsekretär bleibt.
Mit seinem neuen Team setzt Nehammer auf Kontinuität und vermeidet Experimente. Bunte Vögel, wie einst von Ex-ÖVP-Wien-Chef Erhard Busek in der Landespartei ausdrücklich forciert, finden sich nicht. Stattdessen handelt es sich, von Polaschek abgesehen, um gediegene Parteifunktionäre. Die Interessen der Landesparteien wurden von Nehammer ausgewogen gewahrt. Die ÖVP-Bundesländer konnten bereits nach Kurz’ Rückzug innerparteilich an Einfluss gewinnen - diese Tendenz dürfte sich fortsetzen. Dementsprechend zufrieden zeigten sich die Landesparteien in ihren Stellungnahmen auch mit der Personalrochade.
Inhaltlich hat Nehammer, wenig überraschend, zwei Pflöcke eingeschlagen, die aber ohnehin felsenfest in der neuen ÖVP steckten. Er betonte, bei Asyl, Migration und Sicherheit "Linie halten" zu wollen. Wobei es da primär um den Asylbereich gehen wird. Österreichs Wirtschaft, vor allem im Tourismus, dem Gesundheitssektor sowie in Teilen der Industrie, ist mit einem sich verschärfenden Fachkräftemangel konfrontiert. Deshalb verlangt die Wirtschaft nach geringeren Migrationshürden in den heimischen Arbeitsmarkt. Als zweiten Punkt erwähnte Nehammer den neuen sozialpolitischen Fokus der ÖVP, nämlich Steuerentlastungen für Gering- und Mittelverdiener sowie höhere Pensionen für Mindestrentner. Damit hatte sich Kurz erhofft, in Wählersegmente der SPÖ einzudringen, was ihm teilweise auch gelang.
Knackpunkt Steuerung
Interessant wird sein, ob sich unter dem neuen Kanzler die politische Steuerung in der Regierung ändern wird. Vorerst deutet nicht viel darauf hin. Kurz hat sich zwei Kanzleramtsministerinnen in das Bundeskanzleramt geholt, und Karoline Edtstadler und Susanne Raab bleiben das auch weiterhin. Nun gesellt sich Plakolm als Staatssekretärin noch dazu. Weil außerdem die Medienagenden im Bundeskanzleramt lagen, kann man schon von einer Engführung der türkisen Regierungsmannschaft durch Kurz und sein Team sprechen.
Zu diesem Team gehörten neben Bonelli die beiden in die Inseratenaffäre involvierten Gerald Fleischmann und Johannes Frischmann, dazu der stellvertretende Kabinettschef Markus Gstöttner sowie Büroleiterin Lisa Wieser. Zumindest personell wird sich Nehammer hier gänzlich anders aufstellen, das System der Engführung könnte aber bleiben.