Die Slowakei wird vorerst von Experten regiert. Die Unterstützung für die Ukraine könnte mit Herbst Geschichte sein.
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Während die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova in der Westminster Abtei andächtig der Krönung von King Charles III. beiwohnte, war in Bratislava das Chaos ausgebrochen: Schon am Freitag hatten Landwirtschaftsminister Samuel Vlcan und später Außenminister Rastislav Kacer ihren Rücktritt erklärt, die ohnehin fragile Interimsregierung unter Premier Eduard Heger war damit dem Tod geweiht. Nach einem tollpatschigen Rettungsversuch im TV warf Heger dann am Sonntag selbst das Handtuch.
Ab Montag nächster Woche ist in der Slowakei nach Caputovas Wille eine Beamtenregierung unter der Führung des Finanzexperten Ludovit Odor, Vizegouverneur der slowakischen Notenbank, im Amt, die bis zu den vorgezogenen Neuwahlen im September die Geschäfte führen soll. Odors Chef, Gouverneur Peter Kazimir, kam für die würdige Aufgabe nicht in Frage, weil er zuletzt wegen Korruption zu einer Strafe von 100.000 Euro verurteilt worden war.
Die Maxime war Zeitgewinn
Was international aber für Besorgnis sorgt, ist die Tatsache, dass der pro-ukrainische Kurs der Slowakei ab Herbst der Vergangenheit angehören könnte. Denn Kacer war gemeinsam mit Heger Vorreiter einer kompromisslosen militärischen Unterstützung des Nachbarlandes gewesen. Die nach Umfragen von einer Mehrheit der Slowaken abgelehnten Waffenlieferungen waren zuletzt einer der wenigen Gründe dafür, dass auch die zuletzt oppositionellen Liberalen einem Aufschub der verfassungsmäßig vorgesehenen Neuwahlen zustimmten.
Nach allen bisherigen Umfragen droht bei Neuwahlen nicht nur den vormaligen Regierungsparteien ein Debakel. Und Kremlherr Wladimir Putin, darf sich in Sachen Ukraine-Krieg wieder Hoffnungen machen.
Denn in den Startlöchern steht der Linkspopulist, Smer-Chef und Ex-Premier Robert Fico, der nach einem heftigen zivilgesellschaftlichen Aufschrei im Zusammenhang mit dem Auftragsmord an dem Journalisten Jan Kuciak zurücktreten und einer Anti-Korruptionsregierung weichen musste.
Fico, der im Herbst erneut Premier sein könnte, ist gegen jede Unterstützung der Ukraine durch die Slowakei, die unter anderem MiG-29-Kampfjets und schwere gepanzerte Haubitzen der Marke "Zuzana" geliefert hat.
Für Heger ist Fico "der lauteste Fürsprecher der russischen Propaganda", wie er im April bei einem Vortrag in der Diplomatischen Akademie in Wien sagte.
Fico hat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mehrfach als "Kriegstreiber" und "Lügner" bezeichnet. Weil er die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine für verfassungswidrig hält, hat der gelernte Jurist die slowakische Regierung im März geklagt. Die Anzeige lautet auf Amtsmissbrauch und Sabotage. Viele, vor allem junge Slowaken, leben in der diffusen Angst, demnächst in einen Krieg gegen Russland geschickt zu werden. Hier kann Fico punkten.
Was die unmittelbare Zukunft der neuen Beamtenregierung angeht, zeigt sich der Universitätsrektor und Politologe Tomas Koziak gegenüber slowakischen Medien pessimistisch. Die Beamtenregierung werde das politische Chaos im Land nicht beenden, ist er überzeugt. Präsidentin Caputova habe in der jetzigen Situation allerdings keine andere Möglichkeit gehabt, als parteifreie Experten, die bei den Wahlen im September nicht kandidieren, mit der Regierung zu beauftragen.
Kritik an der Präsidentin
Der nun zurückgetretene Heger hatte schon im Sommer 2022 die Mehrheit im Parlament verloren, als die Liberalen aus der Regierungskoalition ausschieden. Im Dezember des Vorjahres stürzte die Regierung über ein Misstrauenvotum. Caputova, die ebenfalls eng an der Seite der Ukraine steht, war damals einverstanden, dass erst in zehn Monaten Neuwahlen abgehalten werden. Dieses Vorgehen bringt ihr jetzt Kritik ein. Caputova hätte die Lage rascher klären sollen, so die Schelte, die Politologe Tomas Koziak gegenüber der slowakischen Tageszeitung "Pravda" äußert.
30 Tage hat das Beamtenkabinett nun Zeit, ein Programm auszuarbeiten, nach weiteren 30 Tagen steht eine Vertrauensabstimmung im Parlament an. Also kann die Regierungsarbeit - theoretisch - erst im Juli starten, wobei schon am 30. September wieder gewählt wird. Koziak geht allerdings davon aus, dass das Beamtenkabinett keine Mehrheit im Parlament haben wird. Sein Fazit: "Das Chaos geht weiter." Die Experten-Minister würden wohl in erster Linie als Prügelknaben für eine im Wahlkampf befindliche und siegesgewisse Opposition herhalten müssen.
Besuch in Kiew
Noch gehört die Slowakei zu einem der aktivsten Unterstützer der Ukraine. Caputova war erst am 28. April gemeinsam mit ihrem tschechischen Amtskollegen Petr Pavel zu Besuch in Kiew. Dabei machten beide Politiker klar, dass sie die Ukraine nicht nur in der Europäischen Union, sondern auch in der Nato haben möchten. Die Frage sei nicht, ob, sondern wann, hieß es in einer Erklärung.
Die Slowakei hat schon kurz nach Kriegsbeginn ihr Luftabwehr-Raketensystem der Ukraine übergeben und ist das erste Nato-Land gewesen, das offiziell Kampfjets lieferte. Im November hat die Slowakei zudem im Rahmen eines mit Deutschland vereinbarten Ringtauschs der Ukraine 30 Schützenpanzer des sowjetischen Typs BMP-1 übergeben. Auch sind nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zusätzliche Nato-Soldaten in der Slowakei stationiert worden.