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Das Comeback der Hochkonjunktur

Von Von Harald Waiglein

Analysen

Platzen der Immobilienblase in den USA birgt Risiko. | US-Defizit in der Leistungsbilanz auf Rekordhöhe. | Wien. Im heurigen Sommer wurde es den Volkswirten schön langsam klar: Das Jahr würde wirtschaftlich sehr gut laufen. Und so war es dann auch. Nach fünf mageren Jahren, ausgelöst durch das Platzen der Internet-Spekulations- und Investitionsblase des Jahres 2000, begann in Europa erstmals wieder die Binnennachfrage anzuspringen. Die Exporte liefen ohnehin seit längerer Zeit gut. Sie hatten das bisschen Wachstum in den Anfangsjahren des Jahrzehnts getragen.


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Durch das Wachstum gab es in einigen Ländern erstmals seit langem einen Rückgang der Arbeitslosigkeit. In Deutschland lag zu Jahresbeginn die Zahl der Arbeitslosen zu Jahresbeginn noch über fünf Millionen. Gegen Jahresende gab es hingegen erstmals seit vier Jahren weniger als vier Millionen Arbeitslose in unserem Nachbarland.

Auch in Österreich - das im internationalen Vergleich ohnehin immer niedrige Arbeitslosenraten hatte - sprang heuer die Beschäftigung an. Erstmals gab es mehr als vier Millionen Beschäftigte. Da aber auch das Arbeitskräfteangebot größer wurde - einerseits durch Zuwanderung, andererseits dadurch, das Personen, die länger erwerbslos waren, nun wieder in die Arbeitswelt zurückkehrten - war der Rückgang der Arbeitslosigkeit hierzulande bisher nur mäßig.

Freilich erscheint es nur in Europa so, als wäre die Hochkonjunktur heuer zurückgekehrt. In Asien boomte die Wirtschaft ohnehin das gesamte Jahrzehnt, und auch die USA hatten sich schon vor Jahren von der Rezession zum Jahrtausendwechsel erholt. Betrachtet man daher das Wachstum der gesamten Weltwirtschaft, so sieht es sehr danach aus, als würde diese derzeit die stärkste Dekade seit Menschengedenken erleben.

Ölpreis auf Rekordhoch

Verblüffend ist in diesem Zusammenhang, dass der hohe Ölpreis bisher keine merkliche Auswirkung auf die Konjunktur hat. Seit Beginn des Jahrzehnts hat sich der Ölpreis etwa versiebenfacht. Heuer erreichte er ein Rekordhoch von über 78 Dollar pro Fass. Zum Vergleich: Während des letzten Ölschocks Anfang der Achtziger Jahre genügte eine Verdoppelung, um eine tiefe, weltweite Rezession auszulösen.

Ein Grund, warum die Welt die jetzige Verteuerung von Öl relativ gut verkraftet, liegt darin, dass Öl seit den 70er Jahren weniger wichtig geworden ist. Durch Effizienzsteigerungen wird pro Produktionseinheit heutzutage wesentlich weniger Rohöl benötigt als vor 30 Jahren.

Der zweite Grund ist, dass die Globalisierung durch den weltweiten Wettbewerb der Anbieter die Inflation in Zaum hält. Produzenten tun sich schwerer, Ölpreis-Steigerungen auf die Kunden zu überwälzen.

Wie geht es weiter?

Beim Konjunkturbild gibt es allerdings auch Wermutstropfen. Einer davon ist, dass sich in den USA, die in den letzten Jahren eine Konjunkturlokomotive für die Welt waren, das Wachstum in der zweiten Jahreshälfte stark verlangsamt hat.

Verursacht wurde das durch ein Phänomen, das Volkswirten schon länger Sorgen bereitet hat. Nach dem Platzen der Internet-Spekulationsblase im Jahr 2000 brachen zwar die Börsen ein; die Immobilienpreise stiegen aber in den USA auf nie gekannte Höhen. Offensichtlich wurden beträchtliche Vermögenssummen vom Aktienmarkt in den Immobilienmarkt verschoben. Das rettete die USA vor einem Nachfrageeinbruch: Viele Amerikaner nahmen Hypotheken auf ihre im Wert stark gestiegenen Eigenheime auf und finanzierten damit Konsumausgaben.

Doch das Problem dabei ist, dass auch Immobilien-Spekulationsblasen platzen können. Und wenn sie das tun - wie zum Beispiel in Japan Ende der Achtziger Jahre - hat das auf die Wirtschaft viel gravierendere Folgen als ein Einbruch an den Aktienmärkten.

Experten sind geteilter Meinung über das Ausmaß der Überbewertung auf dem US-Immobilienmarkt. Unbestritten ist aber, dass seit heuer eine sehr deutliche Abkühlung stattgefunden hat. Im dritten Quartal wurden um ein Drittel weniger neue Eigenheime verkauft als vor einem Jahr. Gleichzeitig hat die Bauwirtschaft den Wohnungsneubau um ein Drittel zurückgefahren. All das wird in den kommenden Monaten die US-Konjunktur bremsen.

Ein weiteres, ungelöstes Problem ist die US-Leistungsbilanz. Das Defizit wird heuer mit 6,6 Prozent den höchsten je verbuchten Wert erreichen (siehe Grafik unten). Irgendwann muss dieses Defizit ausgeglichen werden - entweder durch ein Sinken des Dollar-Wechselkurses, durch geringeres Wirtschaftswachstum oder durch eine Kombination aus beiden Faktoren. Da in Europa derzeit die Wirtschaft gut läuft, sieht es derzeit so aus als könnte das Defizit langsam und sanft ausgeglichen werden, ohne gröbere Schäden für die Weltwirtschaft. Doch das Risiko einer harten Landung besteht.