Die positive Entwicklung des Einzelhandels im zweiten Halbjahr 2016 hat sich heuer prolongiert.
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Wien. Erfreuliche Nachrichten für Österreichs Einzelhandel: Laut KMU Austria hat der stationäre Einzelhandel in Österreich im ersten Quartal 2017 ein nominelles Umsatzplus von 1,9 Prozent erreicht, real - also inflationsbereinigt - lag das Wachstum bei 1,2 Prozent. Das solide Ergebnis deutet laut Jürgen Bierbaumer-Polly, Handelsexperte vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo), darauf hin, dass sich die robuste Entwicklung des zweiten Halbjahres 2016 fortgesetzt hat. "Die Konsumfreude hat wieder deutlich zugelegt", sagt Bierbaumer-Polly. Bestätigt werde das durch den Konsumklimaindikator der EU, der das Verbrauchervertrauen in den einzelnen Ländern abbildet. In Österreich zeigte der Indikator in den vergangenen Jahren nach unten, seit Herbst geht es wieder bergauf.
Das Wachstum kommt vor allem aus dem Nicht-Nahrungsmittelbereich. "Ein Großteil der Haushaltseinkommen fließt derzeit in langlebige Konsumgüter (wie Möbel, Anm.)", sagt Bierbaumer-Polly. Auffallend sei, dass der Einzelhandel nicht mehr die Inflationsbremse ist, die er einmal war, sondern mit einem Preisauftrieb von 2,1 Prozent im ersten Quartal eher zum Inflationstreiber wurde.
Stabilisierung des Wachstums
Helmut Hofer, Experte für Wirtschaftsprognosen vom Institut für Höhere Studien (IHS), sieht zwar eine Stabilisierung des Konsumwachstums, der Konsum ist jedoch noch nicht der große Wachstumstreiber, der er sein könnte. Dafür müsste das Plus bei über zwei Prozent liegen. Die Entwicklung sei dennoch erfreulich, wenn man bedenke, dass es in den Jahren vor 2016 kein Konsumwachstum gegeben habe. Er sieht die sinkende Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen steigenden Einkommen als Mitgrund für die Entwicklung.
"Das Ergebnis ist zwar kein Anlass zur Euphorie, im Hinblick auf die großen Probleme aber recht gut", sagt Roman Seeliger, Handelsexperte der Wirtschaftskammer Österreich. Ein großer Teil der Kaufkraft fließe durch den Online-Handel ins Ausland ab, gleichzeitig müsse sich der stationäre Handel im Inland mit inländischer Online-Konkurrenz messen.
Im Bundesländervergleich war die Ausprägung zwar verschieden groß, alle neun lagen aber im Plus. Wien und Tirol bildeten mit einem nominellen Plus von 1,9 und einem realen Plus von 1,2 Prozent den Durchschnitt ab. Am besten schnitten Kärnten, Vorarlberg und Niederösterreich ab, Schlusslichter waren die Steiermark und Burgenland. Betrachtet man die Branchen, so waren der Handel mit Schuhen und Lederwaren und der Lebensmittel am erfolgreichsten. Einen starken Rückgang gab es bei Spielwaren, Schreibwaren und Bücher lagen ebenfalls deutlich im Minus.
Ein Grund für die Gesamtentwicklung könnte laut Seeliger der späte Oster-Termin gewesen sein. Auch die hohen Temperaturen im März hätten sich bemerkbar gemacht. Die Hauptsorge der Unternehmer ist nach wie vor die hohe Bürokratie. "Die Vorschriften werden immer mehr, es ist fast nicht mehr möglich, diese in der Praxis einzuhalten", sagt Seeliger. Das käme schon beinahe einem Fulltimejob gleich. Er plädiert für den Grundsatz "Beraten statt strafen" wenn es zu Übertretungen kommt, zumindest bei Erstfällen sollten die Behörden Milde walten lassen. "Die Vollzugsbehörden haben Spielraum, den sollten sie ausschöpfen."
Optimistischer Ausblick
"So wie es bisher aussieht, scheinen sich die Konjunkturprognosen zu bestätigen", sagt Erwin Fida, Projektleiter für Konjunkturstatistik Handel und Dienstleistungen in der Statistik Austria. Wifo und IHS halten 2017 ein BIP-Wachstum von zwei Prozent für möglich. Wenn es so weitergehe wie bisher, sei sogar mehr im Einzelhandel möglich, meint Fida. Über die Gründe der positiven Entwicklung lasse sich nur spekulieren. Möglich sei, dass die Registrierkassenpflicht jetzt erst gegriffen habe und sich die Steuerreform zeitverzögert auswirke.
Für das Gesamtjahr rechnet er mit einem nominellen Umsatzwachstum von ein bis zwei Prozent - so keine unvorhergesehenen Ereignisse eintreffen. Die Einflussfaktoren, die die Entwicklung im Handel betreffen, sind vielfältig und reichen vom Wetter über Terror, Zukunftsängste bis hin zur kalten Progression. Sogar eine hohe Staatsverschuldung kann den Konsumenten die Kauflaune verderben. "Sie erwarten dadurch höhere Steuern und sparen", sagt Hofer.
Vergleicht man die Zahlen mit dem Euroraum, so kommt man zu dem Schluss, dass Österreich Anschluss gefunden hat. Lag das Wachstum in Österreich real bei 1,2 Prozent (2015: 0,6), waren es in der Eurozone 1,8 Prozent. In Deutschland hat sich der Einzelhandel im ersten Quartal ähnlich wie in Österreich entwickelt.