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Vor 60 Jahren scheiterte die US-Invasion auf Kuba, das als "Vorposten des Kreml" angesehen wurde. Rückblick auf ein militärisches und politisches Debakel.
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Zwischen Kuba, jener Insel, die nur etwa 150 Kilometer vor Florida liegt, und den USA hat es immer besondere Beziehungen gegeben. Mit der "Befreiung" im amerikanisch-spanischen Krieg 1898 war Kuba in völlige Abhängigkeit von Washington geraten. Präsident war von 1940-1949 und wieder seit 1952 - nach einem Militärputsch - Fulgencio Batista. Seine einzige Stütze war die Armee, die von den USA ausgerüstet wurde. Ein erster Versuch Fidel Castros, Batista am 26. Juli 1953 zu stürzen, scheiterte zwar, aber als Mitte der 50er Jahre erkennbar wurde, dass Batista mehr und mehr zu einem sich selbst bereichernden und korrupten Diktator wurde, ließen die USA ihn fallen. Wenig später war alles zu Ende. Nach einem Generalstreik flüchtete Batista zu Neujahr 1959; am 2. Jänner wurden Havanna und Santiago eingenommen, am 8. Jänner zog Fidel Castro in Havanna ein und wurde dort von einer großen Menschenmenge jubelnd empfangen. Ein langer Kampf war siegreich beendet worden.
Anfangs genoss der "Maximo Lider" Castro sogar in der amerikanischen Öffentlichkeit ein gewisses Ansehen; für viele Amerikaner war er eine romantische Figur. Das änderte sich, als amerikanischer Besitz entschädigungslos enteignet wurde. In gleichem Maße, wie das Misstrauen in Washington mit Blick auf Kuba stieg, zeigte Moskau Interesse an der Insel. Am 4. Februar 1960 wurde ein sowjetisch-kubanisches Handelsabkommen unterzeichnet, und Sowjetführer Chruschtschow erklärte die von US-Präsident Monroe 1821 verkündete Doktrin aus dem Jahre 1821 - "Amerika den Amerikanern" - öffentlich für tot. So schaukelten sich die Dinge zwischen Havanna, Washington und Moskau langsam, aber sicher hoch.
Invasionsplan der CIA
Im Mai 1960 nahmen Kuba und die Sowjetunion offizielle diplomatische Beziehungen auf. Die USA reagierten mit einem Handelsembargo, stoppten den Import von kubanischem Zucker und die Lieferung von Öl. Die Sowjetunion sprang ein, verpflichtete sich zum Kauf von 700.000 Tonnen Zucker jährlich bis hin zur gesamten Zuckerernte Kubas; sowjetische Tanker brachten Öl nach Kuba. Als die Firmen Shell, Esso und Texaco sich weigerten, dieses Öl zu raffinieren, verstaatlichte Castro die Raffinerien. Bis Oktober 1960 wurde dann der gesamte amerikanische Besitz auf der Insel in Höhe von etwa 850 Millionen Dollar - nach heutiger Rechnung etwa 7 Milliarden Dollar - entschädigungslos enteignet.
Am 2. Jänner 1961 brachen die USA die diplomatischen Beziehungen mit Kuba ab. Aus dem "Hinterhof der USA" war ein Vorposten des Kreml geworden, für Washington eine unerträgliche Situation, die beseitigt werden musste. Bereits am 17. März 1960 hatte Präsident Eisenhower die geheime CIA-Operation "Zapata" - benannt nach der Halbinsel auf Kuba (mit der Schweinebucht) - für eine Invasion Kubas gebilligt. Der Plan sah die Eroberung eines Strandabschnitts in der Nähe der Stadt Trinidad an der Südküste Kubas vor. B-26-Bomber sollten die Luftherrschaft in diesem Bereich gewinnen und die Nachschub- und Operationswege der Kubaner zerstören. Eine in Miami gebildete Exilregierung sollte eingeflogen werden und die USA offiziell um Hilfe bitten. Die CIA, die dafür in Guatemala Exilkubaner ausbildete, war davon überzeugt, dass bei einer Landung ein Aufstand der Bevölkerung gegen Castro beginnen werde.

Nur zehn Tage nach der Amtseinführung des neuen Präsidenten John F. Kennedy am 20. Jänner 1961 drängte CIA-Direktor Allen Dulles auf einen schnellen Beginn der Operation. Würde man weiter zögern, könnte sich Castro besser gegen eine Invasion und einen Aufstand im Inneren vorbereiten. Kennedy zögerte. Würde er das Unternehmen abblasen, würde er öffentlich als "appeaser" dastehen, der ein bereits von Eisenhower initiiertes Unternehmen abgelehnt hätte. Würde er auf der anderen Seite einer groß angelegten Operation unter Beteiligung der USA zustimmen, würde dies zu massiven Protesten in ganz Lateinamerika, Europa und Asien führen; die neue Adminis-tration wäre mit einem Schlag diskreditiert.
Andererseits faszinierte ihn die Idee, das Castro-Regime zu beseitigen. Am liebsten hätte er eine Aktion der Exilkubaner in der Form gesehen, dass sie sich zunächst in den Bergen verschanzt hätten und dann öffentlich als kubanische Gruppe in Kuba zu erkennen gewesen wären, "und nicht als eine Invasionstruppe, die die Yankees geschickt haben". Der CIA-Plan war ihm "zu spektakulär"; er ließ ihn zur Prüfung den Militärs vorlegen. Die waren an den CIA-Planungen nicht beteiligt worden, sprachen denn auch nur von einer "fairen Erfolgschance". In deren Verständnis hieß das "weniger als 50 %"- was Kennedy allerdings verschwiegen wurde. Kennedy wies die CIA dann an, die Sache mit etwas weniger Aufwand anzugehen, worauf die CIA einen etwas modifizierten Plan vorlegte: Landung am frühen Morgen in der abgelegenen Schweinebucht (bay of pigs) mitten in den Zapata-Sümpfen rund 130 Kilometer westlich von Trinidad.
Fehler & Versäumnisse
Kennedy war immer noch nicht überzeugt. Er akzeptierte die Grundidee dieses neuen Plans, allerdings hielt er nichts von einer Landung am frühen Morgen: "Damit die Sache wie eine Guerillaaktion aussieht, sollen die Schiffe am frühen Morgen verschwunden sein."
Zur Vorbereitung der Invasion bombardierten am Samstag, dem 15. April 1961, acht amerikanische B-26-Flugzeuge drei kubanische Flugplätze. Es war der Beginn eines perfekten Fehlschlages. Die Bomber waren mit kubanischen Hoheitszeichen versehen worden, um so den Anschein einer kubanischen Gegenrevolution zu erwecken. Die B-26 zerstörten nur fünf der 36 kubanischen Kampfflugzeuge, die Castro zur Verfügung hatte. Die wiederum reichten aus, um die etwa 1.500 Exilkubaner der Brigade 2506 zu vernichten, die am 17. April von ihren Ausgangslagern in Guatemala kommend in der Schweinebucht unter dem Kommando von zwei CIA-Agenten landeten. Ihre beiden Munitionsschiffe wurden aus der Luft versenkt.
Ursprünglich sollte die Landung am 17. April mit einem zweiten B-26-Luftangriff unterstützt werden. Doch Kennedy sagte Nein. Die B-26 der Exilkubaner sollten erst ins Geschehen eingreifen, wenn die Brigade eine Start- und Landebahn auf Kuba unter ihre Kontrolle gebracht hätte. Auf diese Weise würde die Beteiligung der USA weniger offensichtlich sein. Am 18. April wurde Kennedy über die kritische Situation in der Schweinebucht informiert. Als er vorschlug, die Guerillakämpfer sollten sich in die Berge im Hinterland zurückziehen, erfuhr er erstmals, dass das wegen der undurchdringlichen Sümpfe nicht möglich war. Daraufhin autorisierte er, dass zwei amerikanische Jets - nach Entfernung der Markierung US Air Force - die B-26 bei ihrem Angriff unterstützen sollten. Die amerikanischen Jets tauchten dann allerdings eine Stunde vor Eintreffen der B-26 auf: Deren Piloten hatten nicht berücksichtigt, dass Guatemala und Kuba in verschiedenen Zeitzonen liegen. Die B-26 wurden dann von Castros Luftwaffe und Luftabwehr abgeschossen.

Am Mittag des 19. April 1961 war alles vorbei: 104 Exilkubaner waren tot, nur 14 wurden von der US-Marine gerettet. Einen Aufstand gegen Castro gab es nicht. Ein Jahr später legte der CIA-Generalinspekteur Lyman Kirkpatrick einen bis 1998 geheim gehaltenen Bericht über das Desaster vor. Kirkpatrick kam zu dem Schluss, dass die Aktion "lächerlich oder tragisch oder beides" gewesen sei. Dann zählte er eine fast endlose Reihe von Fehlern und Versäumnissen auf: Die CIA-Agenten, die die Aktion leiteten, sprachen nur zu einem geringen Teil spanisch, behandelten aber gleichzeitig die ihnen untergebenen Freiwilligen "wie Dreck". Ein Aufstand in Kuba sei "reines Wunschdenken" gewesen. Es sei Pflicht der CIA und der Militärs gewesen, dem Präsidenten zur Absage der Aktion zu raten. Die etwa 1.200 Exilkubaner, die gefangen genommen wurden, wurden später zu 30 Jahren Haft verurteilt und erst im Dezember 1962 im Austausch gegen Nahrungsmittel und Medikamente freigelassen. Das Geld dafür stellten ihre Angehörigen zur Verfügung, nicht etwa die US-Regierung.
Kennedy war ein Mann, der Niederlagen nicht so einfach akzeptierte; sein Bruder Robert noch weniger. Denn trotz - oder wegen - des Desasters in der Schweinebucht war Kennedy jetzt mehr denn je entschlossen, das Castro-Regime zu beseitigen. So genehmigte er im November 1961 die von seinem Bruder geleitete Operation "Mongoose": verdeckte Operationen zur Vorbereitung eines Aufstandes gegen Castro, gegebenenfalls auch seine Ermordung.
Am atomaren Abgrund
"Mongoose" war nicht die Angelegenheit einiger rechter Extremisten, wie uns Oliver Stone in seinem Film über Kennedy weismachen will, im Gegenteil: Es wurde die bis dahin größte Geheimoperation in der Geschichte der CIA mit etwa 400 Agenten und einem Jahresbudget von über 50 Millionen Dollar. In Moskau und Havanna verstärkte sich der richtige Eindruck, dass es früher oder später zu einer Invasion Kubas durch die USA kommen werde.
Im Oktober 1962 entdeckten die Amerikaner dann sowjetische Atomraketen auf der Insel. Anschließend stand die Welt 13 Tage am atomaren Abgrund. Am Ende bauten die Sowjets die Raketen wieder ab - gegen die amerikanische Zusage: keine Invasion. Die sollte allerdings nicht für alle Zeiten gelten. Als Castro 1975 60.000 Soldaten in den Bürgerkrieg nach Angola und Mosambik schickte, meinte US-Außenminister Henry Kissinger: "Wir können nicht dulden, dass eine kubanische Armee quer durch Afrika marschiert." Und zu Präsident Gerald Ford im Beisein von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld: "Ich denke, wir müssen Castro erledigen." Ford stimmte zu. ("I agree.") Entsprechende Invasionspläne wurden dann allerdings durch den Wahlsieg von Jimmy Carter gestoppt.
Kuba blieb für die USA das, was der Sprecher des außenpolitischen Senatsausschusses, J. William Fulbright, 1961 zu Kennedy gesagt hatte: "Ein Stachel im Fleisch, aber kein Dolch im Herzen." Versuche der CIA, Castro zu töten, scheiterten allerdings. Mit 90 Jahren starb er 2016 eines natürlichen Todes.
Literaturhinweis:
Rolf Steininger: Der Kalte Krieg 1945-1991. Studienverlag, Innsbruck 2019, 160 S., 19,90 Euro.
Rolf Steininger war lange Jahre Leiter des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck. www.rolfsteininger.at