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Das Dianabad wird Wien fehlen

Von Arno Tausch

Gastkommentare

Eine große Lücke in der ohnehin karger Hallenbäderlandschaft der Hauptstadt: Das Ende des Dianabads nach 210 Jahren.


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Seit bald 210 Jahren gibt es in Wien nun schon das Dianabad. 1843 verfügte es sogar über die erste überdachte Schwimmhalle Europas. 1867 erklang dort erstmals der Walzer "An der schönen blauen Donau" von Johann Strauß. All diese Rekorde genügen heute im komplexen Beziehungsgeflecht von Raiffeisen, Uniqa und der Gemeinde Wien wohl nicht mehr, um einen Fortbestand dieser für die Hauptstadt so wichtigen Einrichtung für das Wohl der Bevölkerung zu garantieren. Im Jahre 1810 wurde das erste Dianabad im 2. Bezirk (Lilienbrunngasse 7) errichtet - pünktlich zur Wien-Wahl im Oktober 2020 wird wohl der zuständige amtsführende Stadtrat für Bildung, Integration, Jugend und Personal der Gemeinde Wien, Jürgen Czernohorszky, den unrühmlichen Schlussstrich ziehen.

Das Bad wurde im Laufe seiner Geschichte schon viermal umgebaut, das letzte Mal im Jahr 2000. Im Lauf der Geschichte wurde der Umbau- und Abriss- beziehungsweise Wiederaufbauzyklus immer kürzer. Der letzte Umbau kostete rund 14,5 Millionen Euro und fand unter der Bedingung statt, dass das Bad weitere 20 Jahre in Betrieb bleiben würde. Da diese Frist im Oktober 2020 endet, wollten die Eigentümer, Raiffeisen und Uniqa, der Stadt Wien ein Miet- oder Kaufangebot vorschlagen, das mangels Interesse abgelehnt wurde.

Juwel der Wiener Freizeitkultur von Strauß bis Wagner

Eigentlich müsste jede Wienerin und jeder Wiener Trauer um dieses Juwel der Wiener Freizeitkultur empfinden. Stadtrat Czernohorszky als Politologe weiß wohl, dass das Dianabad gerade für das Leben im 2. Bezirk, das durch ein Miteinander von Menschen geprägt ist, die heute in drei Weltkulturen und Weltreligionen beheimatet sind, immer eine wichtige Rolle spielte und bis heute spielt. Das Dianabad ist untrennbar mit der Geschichte Wiens verbunden.

Offizielle Vertreter der Stadt Wien sind sich der historischen Bezüge des Bades zur jüdisch geprägten Leopoldstadt durchaus bewusst. Johann Strauß, der einen jüdischen Urgroßvater hatte, wählte als Ort für die Weltpremiere des Donauwalzers am 15. Februar 1867 nicht zufällig den 2. Bezirk. Das Dianabad fungierte damals nachts als Bezirkskonzertsaal. Daran erinnerte denn auch die grüne Bezirksvorsteherin der Leopoldstadt, Ursula Lichtenegger, als sie 2017 bei der Anbringung einer Gedenktafel durch den Bezirk und die Johann-Strauß-Gesellschaft auf dem Gelände des Dianabades über die jüdischen Wurzeln der Familie Strauß und die Bemühungen der Nationalsozialisten, diese zu vertuschen, sprach.

In der Geschichte der Errichtung der nunmehr vier Dianabäder, die in Wien stehen oder standen, finden wir auch die Spuren des Architekten Otto Wagners. Das erste Dianabad wurde von Jean Charles Alexandre de Moreau (1758 bis 1840) gebaut, von dem in Wien immerhin auch das heutige Gebäude der Oesterreichischen Nationalbank, das Palais Sternberg und das Palais Pálffy zu bewundern sind. 1878 erfolgte eine Erweiterung des Bads durch Otto Wagner. Den klassizistischen Innenhof verwandelte er in eine offene Sommerschwimmhalle.

1913 bis 1917 erfolgte ein Neubau: Das zweite Dianabad besaß zwei Schwimmhallen (für Männer mit Sportbecken, für Frauen mit Wellenbad), Dampf- und Wannenbäder, Sonnenbäder und ein Hotel, das den ganzen Straßentrakt an der Oberen Donaustraße einnahm. Und 1914 schuf Leopold Forstner die noch heute vorhandenen Mosaike. Das zweite Dianabad wurde am 15. August 1917 mitten im Ersten Weltkrieg eröffnet. 1945 wurde es durch Kriegshandlungen schwer beschädigt, konnte aber bereits am 1. August 1946 wieder provisorisch eröffnet werden. Die Sportlerinnen und Sportler der jungen Zweiten Republik trugen hier Länderkämpfe in Schwimmen, Turmspringen und Wasserball aus; Gegner waren die Schweiz und die Tschechoslowakei.

Kurzfristiger Bau- und Abrisszyklus

Ab 1965 wurde das Bad abgetragen, und ein Teil des Grundstücks an den US-Technologie-Multi IBM verkauft, dessen Gebäude sich noch heute dort befindet. 1969 baute die Gemeinde Wien am heutigen Standort das nunmehr schon dritte Dianabad. Der Bau wurde am 14. Juni 1974 eröffnet; er hatte mehrere Schwimmbecken, zwei Saunaabteilungen und eine Kuranstalt. Der Gemeinderat beschloss aber schon im Juni 1995 einen neuerlichen Neubau, da man eine Renovierung des dritten Bades für unrentabel hielt. Ein Bericht des Rechnungshofes oder der Volksanwaltschaft über einen derartigen kurzfristigen Zyklus des Einsatzes öffentlicher Mittel ist mir nicht bekannt.

Das aktuelle, vierte Dianabad wurde als Teil eines Bürohauses der Raiffeisen neu errichtet und erst im Oktober 2000 eröffnet. Auch hier ist der kurzfristige Bau- - und wie zu befürchten - Abrisszyklus beachtlich. Das wunderschöne Amalienbad in Favoriten als Best-Practice-Gegenmodell steht ja auch immerhin schon seit 1926.

Am 18. Februar 2019 teilte mir der zuständige Stadtrat Czernohorszky auf meine Frage über den Wahrheitsgehalt von Berichten über die bevorstehende Schließung des Dianabades unter anderem mit: "Das mittlerweile vierte Dianabad befindet sich seit 2000 im Eigentum der Dianabad Errichtungs- und Betriebs GmbH. (...) Die Dianabad Errichtungs- und Betriebs GmbH hat bereits im April 2017 mitgeteilt, dass das Bad im Oktober 2020 unmittelbar nach Ablauf der zwanzigjährigen Betriebspflicht geschlossen werden könnte (...) Bei einem Weiterbetrieb des Bades ist mit hohen Sanierungs- und Instandsetzungskosten zu rechnen, auch eine Einmietung in das erwähnte Gebäude erscheint problematisch. Eine Übernahme durch die Stadt Wien ist daher nicht beabsichtigt. (...) Das Dianabad mag zwar für Baby- und Kleinkinderschwimmkurse geeignet sein, bietet jedoch nicht die erforderlichen Voraussetzungen für den obligatorischen Schwimmunterricht, einen Vereinsbetrieb oder sportliches Schwimmen."

Kaum Alternativenfür Familien in Wien

Politik muss auch in Zeiten der Knappheit von Mitteln mit Vernunft und Augenmaß Entscheidungen zu Gunsten der größtmöglichen Anzahl von Menschen treffen. Die im Oktober 2020 bevorstehende Schließung des Dianabades ruft jedenfalls Erinnerungen an die Schließung des traditionsreichen Margaretenbades im Jahr 2004 wach. Betrachtet man die Hallenbäderlandschaft Wiens, kommt man nicht umhin, sie als karg zu bezeichnen. Familien, die im Dianabad noch eine Reifenrutsche, ein Wellenbecken oder ein Piratenschiff für Kinder schätzten, haben kaum Alternativen. Und die einzigartige Saunalandschaft vor den Fresken des Jugendstilkünstlers Leopold Forstner (1878-1936) sucht ihresgleichen in Europa. Forstners Mosaike erinnern an die Atmosphäre der Bäderkultur Vindobonas und Carnuntums. Und die Wellenmaschine des Dianabades ist sozusagen die Karibik der ärmeren oder umweltbewussteren Leute.

Am ehesten bieten noch die Kinderzone in der privat geführten (nicht gerade billigen) Therme Wien oder das weit im Westen der Stadt gelegene Hütteldorfer Bad mit seiner Rutsche einen Ersatz für die kleine und nunmehr bedrohte Südseewelt am Donaukanal. Gerade wenn Europa sich anschickt, seine Klimaziele ernst zu nehmen, muss die Schließung dieser kleinen Urlaubsmöglichkeit mitten im multikulturellen Herz der Stadt besonders traurig stimmen. (Ein Passagier auf einem Economy-Flug von Zentraleuropa nach Mallorca und zurück ist für den Ausstoß von 0,75 Tonnen CO2 verantwortlich. Bei einem Transatlantikflug, etwa von Zentraleuropa in die Karibik und zurück, fallen bereits 3,65 Tonnen CO2 an.)

Und noch etwas ist zu bedenken: 40 Menschen ertrinken jährlich in Österreich, fünf von ihnen sind Kinder. Nur die Hälfte der unter 19-Jährigen kann hierzulande noch sehr gut schwimmen. Insgesamt gibt es in Österreich schon 700.000 Nichtschwimmer, ihre Zahl ist steigend. In der Stadt Wien erfüllt das Dianabad hier eine wichtige pädagogische Aufgabe. Das Babyschwimmen und die Nachmittagskurse für Kleinkinder sind da einmalige Angebote, und wenn das Dianabad schließen wird, wird hier eine riesige Lücke bestehen.

Arno Tausch ist Universitätsdozent der Politikwissenschaft und pensionierter Ministerialrat im Sozialministerium. Er hat zahlreiche Publikationen zum Thema Integration verfasst.