Zum Hauptinhalt springen

Das Dilemma der vierten Welle

Von Martin Tschiderer

Politik

Der Bundesregierung gehen im Kampf gegen das Coronavirus die Optionen aus. Die 2G-Regelung steht vor der Tür.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Allzu viele Möglichkeiten gibt es nicht mehr. Aber reagiert werden muss schnell. Die Corona-Zahlen stiegen über die vergangenen Tage sprunghaft an, am Freitag wurde mit österreichweit 9.388 Neuinfektionen ein Wert erreicht, der vom bisherigen Pandemiehöchstwert nicht mehr weit entfernt ist: Vor fast genau einem Jahr, am 13. November 2020, gab es mit 9.588 Neuinfektionen nur etwas mehr Neuansteckungen. Auch die Krankenhäuser füllten sich zuletzt wieder schnell.

Das Repertoire der Politik, um die Zahlen zu drücken und eine neuerliche Überlastung der Spitäler zu vermeiden, ist mit dem Stufenplan der türkis-grünen Bundesregierung aber schon großteils ausgeschöpft. Lockdowns wie in den ersten Pandemiewellen gelten dagegen politisch als fast unmöglich. Eine neuerliche massive Belastung von Unternehmen wie Volkswirtschaft durch geschlossene Geschäfte, Gastronomie und abgesagte Veranstaltungen hätte weitreichende ökonomische Konsequenzen.

Auch emotional scheinen im Hinblick auf weitere Lockdown-Ideen bereits viele Grenzen erreicht. Psychische Erkrankungen sind im Laufe der Pandemie stark gestiegen. Kinder und junge Menschen, die neben sozialer Isolation auch mit Schul- und Hochschulschließungen zu kämpfen hatten, sind überproportional betroffen. Dass Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Sommer die Pandemie für Geimpfte für beendet erklärt hatte, trug wohl seinen Teil zu gestiegener Erwartungshaltung bei. Die aktuellen Zahlen widerlegen die Aussage des Ex-Kanzlers deutlich.

Niedrige Impfrate

Die Motivation vieler Geimpfter, sich wieder restriktiven Einschränkungen zu unterwerfen, dürfte sich jedenfalls innerhalb enger Grenzen bewegen. Und was für Lockdowns gilt, gilt im Wesentlichen auch für die gelinderen Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen. Bereits während der dritten Welle in der ersten Jahreshälfte war die Bereitschaft der Bevölkerung, sich an die Beschränkungen zu halten, schrittweise gesunken. Vor allem aber hat die Bundesregierung sich schon recht deutlich darauf festgelegt, dass es neue Kontaktbeschränkungen nur noch für Ungeimpfte geben solle.

Überhaupt sind die heimischen Maßnahmen im internationalen Vergleich nicht eben lax. Was Österreich hingegen von anderen Ländern in Mittel-, Nord- und Westeuropa unterscheidet, ist die Impfrate. Bei den Spitzenreitern Portugal und Spanien liegt diese bei 87 bzw. 80 Prozent. Skandinavische Länder wie Dänemark, Norwegen und Schweden haben mit ebenfalls deutlich höherer Durchimpfung bereits vor Wochen sämtliche Pandemie-Maßnahmen beendet.

Österreich dümpelt dagegen bei einer stagnierenden Impfrate von aktuell 62,9 Prozent dahin und liegt damit im europäischen Vergleich auf dem letzten Platz vor den südosteuropäischen Staaten.

Und so zeichnet sich immer deutlicher ab: Der heimische Weg wird vor allem über die Erhöhung der Impfrate führen müssen. Oder zumindest über den Versuch, eine solche herbeizuführen.

2G-Regel ante portas

Das zeigte sich bereits Freitagmittag bei einer Pressekonferenz. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger sicherte dort im Einklang mit Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer und seinem Tiroler Pendant Günther Platter (alle ÖVP) der Tourismusbranche eine Wintersaison zu. Aufgrund der hohen Infektionszahlen brauche es dafür aber Maßnahmen. Und zwar österreichweit einheitliche, so Platter. Man werde beraten, ob es sinnvoll sei, im Stufenplan der Bundesregierung "eine Stufe zu überspringen", sagte Platter mit Verweis auf das abendliche Bund-Länder-Treffen zur Maßnahmen-Verschärfung.

Im Vorfeld zeichnete sich aber das von Platter angekündigte "Überspringen" einer Stufe bereits ab, was bedeutet: Einführung einer 2G-Regel, überall wo bisher 3G galt. Zur Gastronomie und zu körpernahen Dienstleistungen haben dann nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt. Für Wien hatte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) diese Maßnahme bereits am Donnerstag angekündigt. Dass diese Verschärfung nun für ganz Österreich vor der Tür steht, wurde der "Wiener Zeitung" inzwischen aus Regierungskreisen bestätigt.