Französischer Ex-Budgetminister strebt Rückkehr ins Parlament an.
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Paris. Frankreichs Ex-Budgetminister, der eines geheimen Auslandskontos und der hartnäckigen Lügen überführt wurde, kann sich vorstellen, als Abgeordneter ins Parlament zurückzukehren. Doch da ist er der Einzige.
Jérôme Cahuzac galt als Ausnahmeerscheinung unter den französischen Ministern. So angesehen, dass ihm sogar die Opposition Kompetenz und Courage zugestand. Mit seinem Ruf, hart, aber gerecht zu sein, überzeugte er die Wähler. Er war Präsident Hollandes beste Waffe im Ringen um einen strikten Sparkurs.
Doch auch in seiner Unverfrorenheit ging Cahuzac weiter als andere. Er, der Haushaltsminister, der sich dem Kampf gegen Steuerbetrug und einem konsequenten Sparkurs verschrieben hatte, besaß nicht nur seit Jahren ein heimliches Auslandskonto. Sondern er stritt dieses auch vehement ab - vor laufenden Kameras, in der ehrwürdigen Nationalversammlung und sogar "Auge in Auge" mit dem Präsidenten. Sein Konto mit 600.000 Euro gab er erst zu, als es die Justiz, die bereits ermittelte, sowieso aufgedeckt hätte. Durch seine frühere Tätigkeit als Schönheitschirurg und Berater für die Pharmaindustrie ist er zu einem Vermögen gekommen. Schweizer Medien berichten sogar, er habe versucht, 15 Millionen Euro anzulegen. Das ist aber nicht erwiesen.
Während Hollande als Lehre aus dem Skandal, der eine politische Krise auslöste, alle Abgeordneten dazu zwingen will, ihre kompletten Vermögensverhältnisse offenzulegen, und eine Welle der Entrüstung auf Cahuzac niederging, war der 60-Jährige abgetaucht. Aber für wie lange? Der Präsident der Nationalversammlung, Claude Bartolone, erklärte, er versuche ihn davon abzubringen, sein Abgeordnetenmandat weiter auszuüben. Theoretisch hat er das Recht dazu - dennoch zeugt auch dieser Einfall, es tatsächlich zu nutzen, von erstaunlicher Chuzpe. Selbst Parteifreunde und auch François Hollande halten eine solche Rückkehr des überführten Lügners und Betrügers ins Parlament für unvorstellbar. Die Sozialistische Partei hat Cahuzac inzwischen formell ausgeschlossen.
Nun meldete er sich selbst in der Lokalzeitung "La Dépêche du Midi" zu Wort. Ein paar treue Freunde seien ihm verblieben, erklärte er in einem Telefonat mit einem Journalisten. Auf der Flucht vor dem öffentlichen Druck ziehe er momentan alle zwei Tage um. "Ich staune über die Ortungs-Fähigkeit, die einige haben, um meiner Spur zu folgen."
Berichte, er schlafe teilweise sogar in seinem Auto, dementierte er nicht. Er habe die Entscheidung, ob er seinen Sitz in der Nationalversammlung in Anspruch nehme, noch nicht getroffen.
Auf eine Entschuldigung warten die Leser vergeblich, sie findet sich aber auf seinem Blog, wo er von einem "quälenden inneren Kampf" und schlimmen Schuldgefühlen schreibt: "Ich war in einer Lügenspirale und habe mich in ihr verirrt."
Auch privat macht Cahuzac eine schwierige Zeit durch: Er ist in einem erbitterten Scheidungsstreit mit seiner Frau Patricia, Mitbesitzerin der gemeinsamen vornehmen Schönheitsklinik.
Doch der Hobby-Boyer, -Radfahrer und Marathonläufer und Sohn von Kriegs-Widerstandskämpfern ist nicht dafür bekannt, klein beizugeben. Er wollte stets hoch hinaus: Selbst das Ziel, Premierminister zu werden, schien ihm nicht zu hoch gegriffen. Doch er polarisierte immer: Bewunderer beschreiben ihn als charakterstark und elegant, Gegner als schroff und arrogant. Seinen späten Eintritt in die Politik erlebte der ausgebildete Chirurg als "zweites Leben", sagen Vertraute. Beendet wurde seine Karriere aber wohl, weil es sich auch um ein Doppelleben handelte.