)
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wie einfach sich der politische Gefühlshaushalt eines Landes in Wallung bringen lässt, haben die Wahlen fast nebenbei demonstriert. Kein Wunder, immerhin gibt es etliche Profiteure: die Parteien vor allem, aber eben auch die Medien jeder Sorte. Den lautesten Stimmen auf jeder Seite verhilft der Kampf um die politische Lufthoheit zu einem Platz im Scheinwerferlicht.
Und trotzdem ergibt die Summe der gegnerischen Lager noch längst kein Abbild aller Menschen in Österreich. Eine je nach Phase schwankende Zahl steht dem erbitterten Konflikt rat- und verständnislos gegenüber. Ihnen ist die Aggressivität, die Kompromisslosigkeit auf beiden Seiten unheimlich, sie fürchten sich vor den Folgen der Unerbittlichkeit; und sie finden, dass manchmal die eine und dann aber wiederum die andere Seite in dieser Politikschlacht der Gefühle recht hat; zumindest ein bisschen.
Diese Distanz, diese Distanziertheit macht die Menschen, die so denken, in den Augen der politischen Kontrahenten zu Agenten der Gegenseite. Ganz nach dem biblischen Motto: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und genau deshalb muss dieses dritte Lager in Österreich gestärkt und sichtbar gemacht werden: in den Talkshows, auf den Analyse- und Interviewseiten der Zeitungen sowie an den Stammtischen, den virtuellen und den wirklichen. Denn wenn nur die unversöhnlichen Kontrahenten die Politik dominieren, wird der irrige Eindruck weiter verstärkt, es gäbe keine dritte Seite, keine Gruppe der Unaufgeregten, die sich weder auf der einen noch auf der anderen Seite einreihen wollen.
Solchen Standpunkten Gehör zu verschaffen, sie sichtbar zu machen, ist natürlich nicht wirklich im Sinne der manischen Aufmerksamkeitsspirale, in der sich sämtliche Öffentlichkeiten um sich selbst drehen. Damit lassen sich keine Reichweiten steigern; und schon gar nicht funktioniert mithilfe einer Position des vermittelnden Ausgleichs die konfrontative Dramaturgie einer TV-Talkshow. Trotzdem bleibt eine solche Haltung der skeptischen Vernunft ein Gebot in der Gefühlsverwirrung der Gegenwart.
Das sollte man nicht leichtfertig mit Neutralität oder Feigheit vor einem Standpunkt verwechseln. Dieses dritte Österreich hat sehr wohl eine Überzeugung, aber sie ist nicht aus einem Guss, sondern orientiert sich an einem kritischen, auch selbstkritischen Blick auf die Wirklichkeit und deren Zwänge und Bedingungen.