Zum Hauptinhalt springen

Das dunkle Kapitel

Von Daniel Bischof

Politik
 

Waterboarding, Schläge und Schlafentzug - Guantánamo erlangte unrühmliche Bekanntheit. Ein Bericht soll nun die Grausamkeiten aufarbeiten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien/Washington. Anschläge auf US-Einrichtungen, Unruhen im Ausland, diplomatische Verstrickungen, Propagandamaterial für Terroristen: Die Befürchtungen und Ängste der USA infolge des am Dienstag - dem Vortag des Tages der Menschenrechte - veröffentlichten US-Folterberichts sind vielseitig. Weltweit sollen deswegen Botschaften und Soldaten verstärkt geschützt werden, so das US-Verteidigungsministeriums.

"Rücksichtlos und unverantwortlich" nennen die republikanischen Senatoren Marco Rubio und Jim Risch die Veröffentlichung des Berichts, der sich mit den Verhör- und Foltermethoden der CIA nach den Anschlägen vom elften September 2011 auseinandersetzt. Der damalige US-Präsident George W. Bush hatte nach 9/11 das höchst umstrittene CIA-Programm autorisiert. Bush steht weiterhin zu seiner Entscheidung und nahm die CIA in Schutz: "Wir können uns glücklich schätzen, Männer und Frauen zu haben, die bei der CIA hart für uns arbeiten", sagte er vor der Veröffentlichung des Berichts in einem CNN-Interview.

Acht Mal pro Tag gefoltert

Zahlreiche Foltermethoden sind bereits seit Jahren bekannt und haben in der Weltöffentlichkeit für Entrüstung und Empörung gesorgt - insbesondere das sogenannte Waterboarding. Dabei wird ein Tuch über den Mund und die Nase des Opfers gestülpt und immer wieder mit Wasser übergossen. Dadurch wird beim Opfer das Gefühl hervorgerufen, dass es ertrinkt.

Diese Foltermethode wurde exzessiv angewandt: Chalid Scheich Mohammed, der oftmals als der "Architekt" der Anschläge des
11. Septembers bezeichnet wird, wurde alleine im März 2003 genau 183 Mal auf diese Weise gefoltert - rund acht Mal pro Tag. Außerdem verabreichte man ihm monatelang Psychopharmaka. Seit 2012 läuft das 9/11-Verfahren gegen ihn und vier Mitangeklagte vor einem Militärgericht in Guantánamo - große Fortschritte wurden noch nicht erzielt. Zudem soll er seine leitende Rolle bei der Planung der 9/11-Anschläge und diverse Attentate erst unter Folter gestanden haben.

Nur zehn Gefangene wurden überhaupt angeklagt. Dabei widerspricht eine Haft ohne Anklage den Prinzipien eines modernen Rechtsstaates. Doch rechtsstaatliche Garantien und Verfahrensgrundsätze galten für die Gefangenen in Guantánamo und anderen geheimen CIA-Gefängnissen weltweit schlichtweg nicht.

Neben dem Waterboarding wurden auch andere unmenschliche und erniedrigende Methoden gegenüber den Gefangenen angewandt: Sie wurden in Kisten und Käfige gesteckt und geschlagen. Nach stundenlanger Folter wurde ihnen spätnachts ohrenbetäubend laute Musik vorgespielt, um sie am Schlafen zu hindern. Von dem nun veröffentlichten Bericht erwartet man sich neue Details und Schilderungen über die Folterpraktiken. So soll laut Medienberichten mindestens ein Fall dokumentiert sein, in dem einem Häftling sexuelle Gewalt mit einem Besenstiel angedroht wurde.

Auch soll der Report feststellen, dass die angewendeten Folter- und Verhörmethoden im Großen und Ganzen wirkungslos waren. Die CIA soll Regierungsbeamte über den Erfolg des Programmes sogar getäuscht haben.

Obamas Versprechen

Im US-Justizministerium entschied man damals, dass die Praktiken keine Folter seien. US-Präsident Obama selbst bezeichnete die Behandlung einiger Gefangener später jedoch als Folter. Bush stoppte Teile des CIA-Programmes noch vor seiner Amtsübergabe. Obama verbannte nach seiner Amtseinführung 2009 "erweiterte Verhörpraktiken" und versprach Guantánamo binnen eines Jahres schließen zu lassen. Bis jetzt ist es Obama nicht gelungen, sein Versprechen einzulösen. Mehrmals scheiterte er am Widerstand des US-Kongresses. Mittlerweile kostet das immer mehr verfallende Gefangenenlager in etwa 443 Millionen Dollar pro Jahr.

Bisher ist weitgehend unklar, was mit den Verbliebenen geschehen soll. Nahezu 800 Menschen waren insgesamt im Gefangenenlager Guantánamo untergebracht - heute sind es noch 136. Manchmal findet man allerdings eine Lösung: So wurden am vergangenen Wochenende sechs Häftlinge nach Uruguay ausgeflogen.

Guantánamo wird weiterhin ein dunkles Kapitel in der jüngeren Geschichte der USA bleiben. Vor allem der Imageschaden, den sich die USA durch die Folterpraktiken zugefügt haben, ist enorm. Der nun veröffentlichte Bericht könnte ein erster wichtiger Schritt in Richtung Aufarbeitung der Grausamkeiten sein.