Was wird in diesem Wahlkampf tatsächlich verhandelt?
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Dieser Wahlkampf wird immer mehr zu einer Auseinandersetzung um eine Frage - die nach der nationalen Identität. Diese kristallisiert sich immer deutlicher als sein unausgesprochenes, aber eigentliches Thema heraus. Das Setting dabei ist ein klassischer Zirkelschluss: Die Annahme, unsere nationale Identität sei in Frage gestellt, auf allen gesellschaftlichen Ebenen - diese Annahme führt dazu, diese gesellschaftlichen Bereiche in Fronten zu verwandeln. Fronten, an denen es gilt, diese bedrohte nationale Identität zu befestigen. An solchen Befestigungen wird dann jedem schlagartig klar, dass sie bedroht sei - unsere nationale Identität. Das muss man dann gar nicht mehr explizit dazusagen.
Das ist der Diskurs, der mit fortschreitendem Wahlkampf um sich greift. Und er wird längst nicht mehr nur von einer Partei geführt.
So waren sich etwa Hans Peter Doskozil und Sebastian Kurz bei ihrem Paarlauf im "Standard"-Gespräch einig, wie sie Außenpolitik verstehen: Im Duett stimmten sie die Melodie an, Außenpolitik sei einzig und alleine restriktive Sicherheitspolitik. Warum? Weil wir bedroht sind.
Aber auch die Vorschläge zur Bildungspolitik sind auf diesen Ton gestimmt. Ob diese nun von der FPÖ oder von der ÖVP kommen. Wie etwa die Separierung der Kinder mit unzureichenden Sprachkenntnissen in Deutsch-Förderklassen. Es ist dabei egal, dass dies pädagogisch sinnlos, ja kontraproduktiv ist. Denn es geht dabei ja um die Botschaft, die damit ausgesendet wird. Und die Botschaft lautet: Wir führen einen Abwehrkampf. Der Wahlkampf wird immer mehr zu einem solchen - zu einem Abwehrkampf. Dabei werden pragmatische Probleme umcodiert - verwandelt in existenzielle Bedrohungen unseres Eigensten, unserer Identität. Deshalb muss es ja befestigt werden, dieses Eigene. Überall. Bei der Außenpolitik ebenso wie bei der Bildungspolitik. Die Bildungspolitik wird dabei zur Fortsetzung der Sicherheitspolitik mit anderen Mitteln.
Diese Inszenierung einer Bedrohung ist zugleich auch die Inszenierung der Abwehrkämpfer. Da werfen sie sich als Heroen auf. Neben allen Unerfreulichkeiten kommt da noch die Frechheit hinzu. Denn diese Inszenierung bedeutet, uns - den Wählern - Sand in die Augen zu streuen. Denn sie tut so, als ob man all das, was es an gesellschaftlichen Problemen gibt, national lösen könnte. Sie inszenieren eine vermeintliche nationale Handlungsmächtigkeit - bei Themen, die eben nicht nationalstaatlich geregelt werden können.
Ja mehr noch. Es wird uns suggeriert, politische Handlungsfähigkeit sei nur aus dem Einspruch gegen Europa zu gewinnen. Kurz ist ein Meister dieser Verkehrung. Wo doch klar ist, dass den wirklich akuten Problemen eben nicht auf nationaler, sondern bestenfalls auf europäischer Ebene beizukommen ist. Stattdessen präsentiert man uns die Inszenierung einer Provinzialität als Antwort auf globale Entwicklungen und globalisierte Probleme.
Das Schlimmste aber ist, dass dies mit der Wahl nicht ausgestanden sein wird. Denn egal, wie diese Wahlen ausgehen werden - eines ist klar: Solch eine breit angelegte Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas endet nicht am Wahltag. Die bleibt uns erhalten.