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Das Einstein-Jossele-Prinzip

Von Walter Hämmerle

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Leiden am Land, an seinen Zuständen und Politikern? Das muss nicht länger sein!


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Alle Realität ist bekanntlich Konstruktion. Was wiederum den unbeschreiblichen Vorteil hat, dass es vom tristen Hier und Heute nur ein kleiner Schritt zur besten aller Welten ist. Man muss dazu die Dinge nur aus der richtigen Perspektive betrachten.

Den Leitfaden, wie dies relativ simpel zu bewerkstelligen ist, hat einst der 2005 verstorbene Satiriker Ephraim Kishon in einer hinreißenden Satire beschrieben: Kishon und sein Freund Jossele sitzen im Fußballstadion und wollen ihr in blau-weißen Dressen spielendes israelisches Heimteam gegen die in gelb gekleideten Spieler Bulgariens siegen sehen. Allerdings nimmt das Match einen gänzlich anderen Verlauf als erhofft, spielen doch die gelben "Balkanteufel" die armen Israelis geradezu schwindelig.

Diese für einen patriotischen Fußballfreund höchst unerfreuliche Situation ist die Geburtsstunde des legendären Einstein-Jossele-Prinzips. Statt sich nämlich von der biederen Einfallslosigkeit seiner kickenden Landsleute deprimieren zu lassen, ja womöglich sogar zum Wutbürger im Fußballstadion zu mutieren, der hochroten Kopfs und auf die unflätigste Weise die unfähigen Helden des eigenen Landes beschimpft, entschließt sich Jossele kurzer Hand, die Wirklichkeit seinen eigenen Spielregeln zu unterwerfen: In der 32. Minute der lausigen Kicks erklärt er deshalb kategorisch,
"von jetzt an spielen die Israeli
in Gelb".

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Die nationale Demütigung wandelte sich in einen herausragenden Erfolg, die befreit aufspielende Heimmannschaft besiegt die technisch limitierten blauweißen Bulgaren souverän mit 5:0 - in Gelb natürlich.

Alles eine Kopfsache, sozusagen.

Was bei einem deprimierenden Fußballspiel funktioniert, sollte doch eigentlich auch in der Politik seine wundersame Wirkung entfalten. Alles, was es dazu bedarf, ist der feste Wille, die Guten zu wirklich Bösen zu erklären und sich die vielen Zwielichtigen als strahlende Helden vorzustellen. Und schon wäre Österreich ein Hort öffentlicher Moral mit einem politischen Personal, das über jeden Zweifel erhaben ist.

Natürlich sollte man sich, um die psycho-hygienisch heilsame Wirkung dieses kleinen Kunstgriffs nicht zu untergraben, tunlichst von Behauptungen fernhalten, die darauf hinauslaufen, Österreich als Heimstätte übler Nehmer und Kriecher desavouieren. Aber das sollte nicht weiter schwerfallen, schließlich lässt sich das Einstein-Jossele-Prinzip problemlos auch auf die weiteren Bereiche des täglichen Lebens ausweiten.

Allzu schwer sollte uns Österreichern das eigentlich nicht fallen, schließlich sind wir noch heute felsenfest davon überzeugt, dass uns die Neutralität sicherer macht, das Land ohne große Koalition dem Untergang geweiht ist, die Sozialpartner mit gemeinen Lobbyisten allenfalls das Betätigungsfeld, aber sicher nicht den Namen gemeinsam haben, und uns ganz einfach alle lieb haben müssen - dies schon allein deshalb, weil wir den weltbesten Schmäh ever haben. Alles ungelogen.