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"Das einzige, woran sich Gegner festhalten"

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

FPÖ-Chef gegen Rehabilitation. | Walter Manoschek: "95 Prozent der Fälle ohne Gewalt." | Deserteur Wadani: "Strache diffamiert." | Wien. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bleibt bei seinem Nein zu einer generellen Rehabilitation von Wehrmachtsdeserteuren. Davon sei "nichts zu halten", erklärte er am Montag und wiederholte jenes Argument, mit dem er am Wochenende für Aufsehen gesorgt hatte: Deserteure seien "oftmals auch Mörder gewesen" und hätten vielfach ihre "Kameraden in den Tod geführt". Oder sie seien bis zum Ende des Krieges Nationalsozialisten gewesen und erst dann "aus Vorteilsgründen" desertiert.


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Aus diesen Gründen lehnt Strache eine generelle Rehabilitation von Deserteuren ab. Es gebe "keinen aktiven Handlungsbedarf", da die Amnestie ohnehin sichergestellt sei.

"15 bis 20 Prozenthaben gemordet"

Um sein Argument von den kameradenmordenden Deserteuren zu untermauern, brachte der FPÖ-Chef am Montag auch gleich noch ein paar Zahlen mit: "Über 15 bis 20 Prozent" der Fahnenflüchtigen hätten ihre Kameraden erschossen oder ermordet.

"Ich möchte gerne wissen, wo Strache diese Zahlen her hat", sagt Walter Manoschek, er kenne keine einzige Studie, aus der diese Summen hervorgingen, "nicht einmal die ärgsten Revisionisten" würden dies behaupten. Der Professor für Staatswissenschaft an der Universität Wien ist Herausgeber eines Werkes über die "Opfer der NS-Justiz". In historischer Kleinarbeit haben er und seine Mitarbeiter darin 1276 Fälle von Deserteuren vor den Gerichten der Nationalsozialisten untersucht. "In mehr als 95 Prozent dieser Fälle wurde gar keine Gewalt angewandt", ein Tötungsdelikt habe es "nur in zwei von 1276 Fällen" gegeben, so Manoschek zur "Wiener Zeitung". Insgesamt standen rund 20.000 Personen wegen Desertion vor Militärgerichten. Davon wurden rund 15.000 zum Tode verurteilt. Zählt man sogenannte Wehrkraftzersetzer und Kriegsverräter hinzu, kommt man auf 30.000 Angeklagte und 20.000 Exekutionen.

Zahlen, wie oft die Fahnenflucht geglückt ist, gibt es laut Manoschek nicht. Aber auch in diesen Fällen wäre Gewaltanwendung in den entsprechenden Berichten vermerkt worden. Auf die von Strache genannten 15 bis 20 Prozent komme man aber nie.

Aber es gab vereinzelt Fälle, wo Soldaten mit Gewalt aus der Wehrmacht ausbrachen. So versuchten etwa am 8. Mai 1945 rund 60 Mann eines Regiments in Norwegen zu desertieren. Ihr Kommandant hatte trotz der Kapitulation des NS-Regimes befohlen, weiterzukämpfen. Im Zuge der Auseinandersetzung wurden zwei Offiziere erschossen. "Solche Fälle sind das einzige, woran sich die Gegner einer Rehabilitation festhalten können", sagt Manoschek, "etwas anderes haben sie nicht."

"Die Anerkennung, das richtige getan zu haben"

Der Wissenschafter fordert eine "passende Rehabilitation aller Deserteure". Eine Erweiterung des Kreises der NS-Opfer um die Gruppe der Deserteure im Anerkennungsgesetz von 2005 reiche nicht. Was brächte ein solches Rehabilitierungsgesetz? Einerseits könnte so die Verfahrensdauer für die Opferfürsorge erheblich verkürzt werden. Betroffene warten oft jahrelang. Für die einstigen Deserteure brächte es laut Manoschek aber vor allem "eine politisch-moralische Anerkennung, damals das richtige getan zu haben."

Richard Wadani, selbst Wehrmachts-Deserteur und Sprecher des Personenkomitees "Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz", reagierte empört auf die Aussagen Straches: "Die Diffamierungsversuche von FPÖ-Parteichef Strache, Deserteure zu Mördern und Kameradenschweinen zu machen, sind eine Frechheit." Für Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser geht mit Strache angesichts der Zahlen, die der FPÖ-Chef präsentierte, "offenbar die Phantasie" durch. Doch auch damit werde es "Strache und den Wehrmachts-Nostalgikern" in der FPÖ nicht gelingen, die Rehabilitierung zu verhindern.