Elektromagnetische Felder sind unsichtbar, aber überall im modernen Leben präsent. Was sie für die Gesundheit bedeuten, ist noch lange nicht klar, sagt Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien.
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Seit mehr als hundert Jahren pulsiert technisch hergestellter elektrischer Strom unaufhaltsam durch das moderne Leben und seit dem Zweiten Weltkrieg wird auch der private Alltag von Jahrzehnt zu Jahrzehnt elektrischer. Die einschlägige Ausrüstung eines durchschnittlichen Haushalts in den Fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts nimmt sich im Vergleich zum aktuellen Standard beinahe rührend einfach aus: Beleuchtung, Telefon, Boiler, Waschmaschine, Kühlschrank, Mixer, Staubsauger, Fernsehgerät, Radio. Seit damals ist viel dazugekommen: Geschirrspüler, Wäschetrockner, Brotschneider, Mikrowelle, Espressomaschine, Tiefkühltruhen, Wäschetrockner, Föhn, Computer, WLAN, Stereoanlagen, Heimkino, Fernbedienungen, DVD-Player, Radio-wecker, Lichtwecker, Halogenlampen, Niedervolt-Lichtsyteme, Leuchtdioden, Schnurlostelefon, Bluetooth, mehrere Handys und anderes mehr.
Unabhängig davon, dass die Anwendungen des elektrischen Stroms das Leben bequemer und vergnüglicher machen, bewirkt Elektrizität den Aufbau magnetischer Felder, deren einfachste Wirkungen schon die Philosophen der griechischen Antike gekannt haben. Vor gut 2000 Jahren soll, wie überliefert wird, Thales von Milet über die Beobachtung nachgedacht haben, dass mit Fell geriebener Bernstein allerlei Fusseln anzog. Von elektromagnetischen Feldern, wie sie zweitausend Jahre später in jedem privaten Haushalt auftreten, hätte der gute Mann, einer der ersten Philosophen Europas, natürlich nicht einmal träumen können. Trotzdem ist auch nach diesen Jahrtausenden nicht wirklich geklärt, was Elektromagnetismus im Detail bewirkt und wie er das Leben und die Gesundheit derjenigen beeinflusst, die ihm ausgesetzt sind.
Hans-Peter Hutter ist Mediziner und arbeitet am Institut für Umwelthygiene, das zum Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien gehört. Er hat an der Universität für Bodenkultur Landschaftsökologie studiert, wurde später Mediziner, Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie, und hat sich mit einer Arbeit über Risikoabschätzung von Umwelteinflüssen zum Hochschulprofessor habilitiert. In der Diskussion über elektromagnetische Felder, die zwischen Hysterie und Beschwichtigung schwankt, sieht er seine Aufgabe darin, die Rolle der Vernunft zu vertreten und "nach wissenschaftlich fundierten Aussagen zu suchen". Womit er sich unmissverständlich in der Tradition des Denkers Thales von esoterischen Spekulationen über das Thema abgrenzt.
Körper als Antennen.
Bevor man über fundierte Aussagen spricht, muss man natürlich klären, was elektromagnetische Felder sind. Ein einfaches Beispiel für natürliche magnetische Felder ist der Magnetismus der Erde, an dem sich ein Kompass orientieren kann. Seine Stärke beträgt zwischen 31 und 63 Mikrotesla. Im Vergleich dazu können in unmittelbarer Nähe eines arbeitenden Elektromotors, wie er im Staubsauger oder im Föhn verwendet wird, kurzzeitig Feldstärken von etwa 1000 Mikrotesla gemessen werden.
Technisch erzeugte elektromagnetische Felder können außerdem pulsieren, also in ihrer Stärke schwanken, ihre Wirkung nimmt hingegen mit der Entfernung von der Quelle, von der sie erzeugt werden, rasch ab.
Während man bei dem im Haushalt üblichen Wechselstrom mit Frequenzen von weniger als 100 Kilohertz, der zum Beispiel für die Beleuchtung sorgt, von niederfrequenten Feldern spricht, so arbeiten alle Funktechniken, also etwa Radio, Fernsehen oder Handy, mit wesentlich höheren Frequenzen. Hochfrequente Felder werden von Organismen wie dem menschlichen Körper wie Antennen aufgenommen. Eine der bekannten Auswirkungen ist die Erwärmung des Gewebes, die im Mikrowellenherd technisch genützt wird. Auch andere Effekte im Niedrigdosisbereich sind zwar bekannt, aber hinsichtlich ihrer Bedeutung auf die Gesundheit umstritten wie zum Beispiel auf das Erbgut.
"Man darf aber nicht alles in einen Topf werfen", sagt Hans-Peter Hutter. Die Wirkungen, die man bei niederfrequenten Feldern beobachten kann, unterscheiden sich deutlich von jenen bei hochfrequenten Feldern, die sich auch untereinander noch einmal unterscheiden, zum Beispiel im Mobilfunk die 900- oder 1800-Megahertz-GSM-Standards oder die UMTS-Generation, die noch einmal eigene Frequenzen und Sendeverfahren verwendet.
Im Detail kennt man die Wirkungen vorerst nur bruchstückhaft. Was zum Beispiel niederfrequente Felder betrifft, so beschäftigen sich Epidemiologen seit einer US-Studie aus dem Jahr 1979 mit dem Verdacht, dass Kinder, die dauerhaft - was in Europa nur sehr selten der Fall ist - starken Belastungen ausgesetzt sind, wie sie in der Nähe von Hochspannungsleitungen auftreten, mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit an Leukämie erkranken. Auch einige Arten von Krebs oder Alzheimer werden seit jener bahnbrechenden Studie immer wieder in Zusammenhang mit der lang andauernden Wirkung von starken niederfrequenten Feldern untersucht.
Wie solche Wirkungen zustande kommen sollen, ist allerdings im Einzelnen unklar. "Was wir deswegen brauchen", erklärt Hans-Peter Hutter, "das ist ein Vorgehen nach dem Vorsorgeprinzip." So sei vor allem der Schlafbereich besonders schützenswert, weil im Schlaf das vegetative Nervensystem umgeschaltet wird und für Störungen anfälliger ist. Man sollte daher nicht unbedingt einen Radiowecker neben dem Kopf stehen haben, dessen Trafo ständig niederfrequente Felder von beträchtlicher Stärke erzeugen kann. Elektrische Verteilerleisten sollten nicht unter dem Bett verlegt werden, Anschlussleitungen für Nachttischlampen sollten so weit wie möglich vom Bett entfernt verlaufen. "Auch für den hochfrequenten Bereich", ergänzt der Professor, "gilt, dass die Strahlung mit der Entfernung von der Quelle rasch abnimmt. So hat etwa ein Babyfon im Bett nichts verloren."
Die Befindlichkeit.
Auf Neuland bewegt sich die Forschung insbesondere, was hochfrequente Felder betrifft, wie sie das Handy verwendet. In zuverlässigen Versuchen wurde bisher beispielsweise nachgewiesen, so Hutter, dass hochfrequente Felder sich auf die Gedächtnisleistung und auf das, was die Spezialisten "Schlafarchitektur" nennen, auswirken, also auf die Abfolge verschiedener Schlafphasen. "Fest steht also", sagt Hutter, "dass es in diesem Fall Einflüsse auf ein sehr fundamentales und sensibles System des Körpers gibt, nämlich das zentrale Nervensystem." Für den Umweltmediziner bedeute dieser Befund zunächst, dass Maßnahmen zur Vorsorge notwendig sind: "Wir sagen ja nicht, dass jeder, der viel telefoniert, automatisch einen Gehirntumor bekommt. Wir wollen auch niemandem den Spaß verderben und haben nichts gegen Modernisierung. Aber es hat jeder in der Hand, seine persönliche Strahlungsbilanz einfachst zu verbessern." Man sollte daher das Handy nicht neben dem Kopfpolster liegen haben, nicht stundenlange Gespräche führen und vor allem darauf achten, dass Kinder den Mobilfunk so sparsam wie möglich benutzen. Außerdem sollte man bedenken, dass die meisten Handys in Regionen mit schlechtem Empfang ihre Leistung automatisch verstärken, eine Situation, in der die Belastung beim Telefonieren besonders hoch wird. "Vergleichen Sie es mit der Sonnenstrahlung", sagt Hutter. "Hier werden Sie auch, um einen Sonnenbrand zu vermeiden, sich im Schatten aufhalten und eine Sonnencreme mit entsprechendem Lichtschutzfaktor verwenden."
"Aber teilweise", fügt er hinzu, "ist es haarsträubend, was seit der Einführung des Mobilfunks passiert." Vor allem kritisiert er das Fehlen von zuverlässigen Studien über die Wirkung von Basisstationen, also der Handymasten, vor ihrer massenhaften Aufstellung: "Das ist doch keine Art, wie eine moderne Gesellschaft mit einer solchen Technologie umgeht!" Die Werte, die derzeit für die Genehmigung von Sendemasten verwendet werden, beziehen sich auf kurzfristige, akute Belastungen in der unmittelbaren Nähe der Masten. "Die langfristigen Wirkungen werden damit überhaupt nicht berücksichtigt." Und er verweist auf eine eigene Studie in Wien und Kärnten, die deutliche Hinweise auf sogenannte Befindlichkeitsstörungen im Einflussbereich von Basisstationen ergeben hat. Solche Untersuchungen seien deswegen recht anspruchsvoll, weil sich Handymast und Handymast unterscheiden, was örtliche Gegebenheiten, Abstrahlwinkel oder Bündelung des Antennenstrahls betrifft. "Aber wir sehen, da ist etwas dran", sagt er, "auch wenn wir die Wirkungsweise im Detail noch nicht kennen." Und er gibt zu bedenken, dass bei der Verwendung von Asbest von den ersten Hinweisen zum Auftreten von Gesundheitsproblemen gut hundert Jahre vergangen sind, bis die ersten Verbote erlassen wurden.
Deswegen lautet die Empfehlung des Vorsorgemediziners, dass jeder seine persönliche Strahlungsbilanz so gering wie möglich halten und vielleicht manchmal auch überlegen sollte, wie wichtig das neueste technische Gimmick wirklich ist.
TIPPS
Elektrogeräte und Kabel, die nicht benützt werden, vom Netz trennen. Nicht im Stand-By-Modus laufen lassen. Möglichst keine DVD-Player, Stereoanlagen oder Spielkonsolen verwenden, deren Trafos im Stand-By-Modus weiterlaufen. Im Schlafraum mindestens einen Meter Abstand zu Elektrogeräten. Insbesondere zu Radioweckern mit ständig arbeitendem Trafo. Ins Internet wenn möglich mit Kabelverbindung statt mit WLAN. WLAN-Router vom Netz trennen, wenn sie nicht im Einsatz sind. Abstand von alten Fernsehgeräten mit Bildröhren halten. Beim Kauf von neuen Geräten auf das TCO-Siegel für strahlungsarme Monitore achten. Über Möglichkeiten zur wirksamen technischen Dämpfung (Abschirmung) elektromagnetischer Felder in Innenräumen erhält man Informationen bei anerkannten Messinstituten.
WEB-TIPP
www.wien.gv.at/wohnen/gesund-wohnen/elektrosmog/index.html