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Das Elend des Runtermach-Journalismus

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Es ist keine so tolle Idee, ungewöhnliche Hofburg-Kandidaten pauschal zu verhöhnen.


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Unter dem Titel "Darf jeder Kasperl als Bundespräsident kandidieren?" erörterte jüngst das "profil" die nahende Hofburg-Wahl und kam zwar korrekt zu dem Schluss: "Ja, das nennt sich Demokratie", echauffierte sich aber auf eher merkwürdige Art über die Kandidaten. "Krawallige Wut-Blogger. Rechte Recken. Weltfremde Zausel. Kunstfiguren ohne politisches Programm. Corona-Zweifler. Sendungsbewusste mit autoritären Allmachtsfantasien und überbordendem Selbstvertrauen", ortete die Autorin des Kommentars.

Nun ist diese Charakterisierung nicht völlig aus der Luft gegriffen, was manche Kandidaten betrifft. Und trotzdem spiegelt sie einen Hochmut wider, um nicht zu sagen: eine Arroganz, die leider für einen Teil der hiesigen Medienlandschaft typisch ist. Ganz besonders, wenn es um Kandidaten oder Politiker geht, die nicht Teil des arrivierten Parteienspektrums sind.

Diese Form des Runtermach-Journalismus von oben (wir Journalisten) nach unten (Kasperl-Kandidaten) kommt bei den Wählern sicher nicht besonders gut an. Die steigende Entfremdung zwischen Medien und Medienkonsumenten wird dadurch nicht gerade behoben, ganz im Gegenteil. Zumal sich die Herablassung ja nicht auf als unwürdig erachtete Kandidaten beschränkt, sondern gelegentlich auch deren Wähler trifft. So wie vor einigen Jahren, als im selben Magazin die Teilnehmer einer FPÖ-Kundgebung so beschrieben wurden: "Es sind die hässlichsten Menschen Wiens, ungestalte, unförmige Leiber, strohige, stumpfe Haare, ohne Schnitt, ungepflegt, Glitzer-T-Shirts, die spannen, Trainingshosen, Leggins. Pickelhaut. Schlechte Zähne, ausgeleierte Schuhe. Die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten sind ein schönerer Menschenschlag."

Nun kann man über Geschmack bekanntlich streiten, aber einen Juristen oder einen amtierenden Volksanwalt pauschal als "Kasperl" abzutun, ist ungefähr genauso unklug, wie FPÖ-Wähler "die hässlichsten Menschen Wiens" zu nennen. Umso mehr, als die hohe Zahl eher unkonventioneller Kandidaten ja nicht zuletzt dem Umstand geschuldet ist, dass ÖVP und SPÖ auf eigene Kandidaten verzichtet haben. Und zwar offenkundig aus Scheu vor den damit verbundenen Kosten, was angesichts der vollkommen überdimensionierten Parteienförderung nicht nur superpeinlich und demokratiepolitisch schädlich ist, sondern beinahe schon an Untreue grenzt: Wofür bitte kriegen die beiden Parteien so viel Geld in den Rachen gestopft, wenn nicht, jedenfalls unter anderem, um sich so einen Wahlkampf leisten zu können? Das wirkliche Problem ist daher nicht die Kandidatur eines Walter Rosenkranz oder eines Tassilo Wallentin, sondern die Nicht-Kandidatur (oder Nicht-Nominierung) möglicher Kandidaten wie etwa Ursula Plassnik, Außenministerin unter Wolfgang Schüssel, oder Brigitte Ederer, Staatssekretärin beim EU-Beitritt.

Es stimmt schon: Gegen einen amtierenden Bundespräsidenten anzutreten, war bisher noch nie von Erfolg gekrönt. Aber es ist schon ein bisserl mutlos und rückwärtsgewandt von Politikern wie von Journalisten, das gleichsam als gottgegeben zu betrachten. Man muss sich nur trauen.