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Das Ende der billigen "Freien" ist gekommen

Von Stefan Melichar

Wirtschaft

Dienstgeber zahlen 20, Dienstnehmer 13 Millionen Euro. | AK: Paket stopft Löcher im Sozialnetz. | Wien. Soziale Sicherheit hat ihren Preis. Das am Mittwoch vom Ministerrat abgesegnete Flexicurity-Paket (Flexibilität bei gleichzeitiger Sicherheit - englisch "Security", Anm.) birgt vor allem für freie Dienstnehmer und deren Auftraggeber eine Reihe an Zusatzbelastungen. Laut Wirtschaftskammer Österreich (WKO) steigen die Lohnnebenkosten für die einst billigen "Freien" ab 1.1.2008 um mehr als neun Prozent. Insgesamt dürften Belastungen von rund 33 Mio. Euro pro Jahr anfallen.


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Alles in allem werden dabei Dienstgeber stärker zur Kasse gebeten als Dienstnehmer. Zwar zahlen beide Seiten je drei Prozent des Dienstnehmer-Einkommens als Beitrag für die Arbeitslosenversicherung. Auch wird aller Voraussicht nach - hier steht ein Sozialpartnerkonsens noch aus - die geplante Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge um 0,55 Prozentpunkte paritätisch geteilt werden.

Besserer Schutz

Während darüber hinaus der freie Dienstnehmer aber nur noch 0,5 Prozent des Einkommens für die Arbeiterkammer-Mitgliedschaft aufbringen muss, kommen auf den Arbeitgeber in Zukunft Mehrkosten von 1,53 Prozent für die sogenannten "Abfertigung neu" zu. Weiters dürfte die Ausweitung der Insolvenzentgeltsicherung mit 0,55 Prozent zu Buche schlagen. Durch diese sollen die Ansprüche freier Dienstnehmer geschützt werden, falls das Unternehmen ihres Auftraggebers pleite geht.

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WKO-Sozialrechtsexperte Thomas Neumann meint im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", dass das Flexicurity-Paket die Arbeitgeber "natürlich schmerzt". Die Beschäftigungsform des freien Dienstnehmers - mit Weisungsfreiheit, freier Arbeitseinteilung und der Möglichkeit, sich vertreten zu lassen - werde dadurch "unattraktiver". Allerdings komme ein freier Dienstnehmer ohne Urlaubsanspruch sowie ohne 13. und 14. Monatsgehalt dem Arbeitgeber immer noch vergleichsweise billig.

AK-Experte Christoph Klein lobt die Verbesserungen, die das Paket mit sich bringt. Durch die Existenzsicherung bei Arbeitslosigkeit, längeren Krankenständen und einer Insolvenz des Auftraggebers sowie durch ein höheres Wochengeld während des Mutterschutzes und die "Abfertigung neu" würden Löcher im Sozialnetz gestopft. Während die Regelung für freie Dientsnehmer verpflichtend ist, soll die Arbeitslosenversicherung für Selbständige auf freiwilliger Basis erfolgen. Fix ist die Einbeziehung von Selbständigen in die "Abfertigung neu". Freiberufler und Bauern können optieren.

Schärfere Regeln

Die Regierungseinigung bringt freien Dienstnehmern, Selbständigen und Freiberuflern mehr Sicherheit, verlangt auf der anderen Seite Arbeitslosen aber mehr an Flexibilität ab. So werden die Zumutbarkeitsbestimmungen, die regeln, welches Jobangebot ein Arbeitsloser - ohne Konsequenzen - ablehnen darf, verschärft.

Für Vollzeit-Jobs gelten in Zukunft tägliche Fahrzeiten von zwei Stunden als zumutbar, bei TeilzeitStellen eineinhalb Stunden. Um Arbeitslosengeld beziehungsweise Notstandshilfe beanspruchen zu können, müssen Arbeitslose künftig zumindest für einen Zwanzig-Stunden-Job zur Verfügung stehen. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn Eltern von Kindern bis zum zehnten Lebensjahr nachweisen können, dass es keine geeignete Betreuungsmöglichkeit gibt, oder wenn Kinder eine Behinderung aufweisen. In diesen Fällen gilt wie bisher eine Mindestverfügbarkeit von 16 Stunden.

Lässt sich ein Arbeitsloser beim Pfuschen ertappen, gibt es härtere Sanktionen: Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe können nun für vier statt für zwei Wochen zurückgefordert werden.

Insgesamt entwickelt sich der Arbeitsmarkt ungebrochen positiv. Im Oktober hat die Zahl der Arbeitssuchenden das zwanzigste Monat in Folge abgenommen. Ende des Vormonats waren 204.840 Arbeitsuchende vorgemerkt. Im Jahresvergleich entspricht das einem Rückgang um 4,6 Prozent. Die Zahl der Schulungsteilnehmer sank gegenüber Oktober 2006 um 14 Prozent auf 54.153.

"Verwirrende" Quote

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) wähnt Österreich in Anbetracht einer Arbeitslosenquote von 4,2 Prozent (nach EU-Berechnungen) auf dem besten Weg zur Vollbeschäftigung. Diese gilt dann als erreicht, wenn die EU-Quote vier Prozent unterschreitet. Die nationale Arbeitslosenquote beträgt derzeit - Eigenberechnungen zufolge - rund 5,7 Prozent.

Im Unterschied zur Eurostat-Quote beruht die nationale Arbeitslosenquote nicht auf Umfrageergebnissen sondern wird ermittelt, indem man die Zahl der Arbeitssuchenden und die des sogenannten Arbeitskräftepotenzials in Relation setzt. Die EU-Quote liegt normalerweise deutlich niedriger. Mittlerweile verzichtet das Wirtschaftsministerium auf die Bekanntgabe der nationalen Quote. Man wolle, so Bartenstein, die Zeitungsleser nicht "verwirren".