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Das Ende der Harmonie

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Die Diskussion um die Steuerreform signalisiert den Beginn des Dauerwahlkampfs.


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Wien. Eigentlich hatte man im Umfeld des Vizekanzlers gehofft, dass nach der EU-Wahl etwas koalitionäre Ruhe einkehren würde. Sacharbeit statt wahlkampfbedingter Querschüsse. Aber weil nach der Wahl vor der Wahl ist, steckt Michael Spindelegger mitten drin in einer veritablen Malaise: Statt auf einträchtige Zusammenarbeit, setzt der Koalitionspartner SPÖ jetzt nämlich erst recht auf Konfrontation. Während Kanzler Werner Faymann die Diskussion um seine eigene Person nach der verpatzten Wahl geschickt durch die Steuerreform-Debatte beendet, sieht sich Spindelegger plötzlich von allen Seiten unter Druck.

Der Ton zwischen SPÖ und ÖVP war schon lange nicht mehr so rau wie derzeit. Nachdem Spindelegger Faymann in der "Kleinen Zeitung" vorgeworfen hatte, aus innerparteilichen Gründen in der Steuerreformfrage "unehrlich und unverantwortlich" zu agieren und ihn aufgefordert hatte, "nicht nur den SPÖ-Chef zu spielen", sondern sich wieder auf seine Rolle als Kanzler zu besinnen, kam am Montag der rote Konter. Die Steuerreform müsse kommen, so Faymann, denn Österreich sei Schlusslicht bei den Vermögenssteuern. "Wer das nicht sieht, ist auf einem Auge blind."

Im Ö1-"Mittagsjournal" legte der Kanzler dann nach: Verantwortungslos sei es, Millionäre zu schützen und gleichzeitig die Arbeiter nicht zu entlasten. "Billiger Populismus", konterte Spindelegger und prangerte die "Hysterie rund um die Steuerreform" an.

Kurz gesagt: Um die Koalition steht es derzeit nicht besonders gut. Aus Sicht von Politikberater Thomas Hofer ist die Lage sogar "sehr ernst". Für Faymann sei es natürlich richtig gewesen, die Flucht nach vorne anzutreten, allerdings führte diese die Koalition in eine Sackgasse, so Hofer: "Die oft beschworene Harmonie ist mit einem Schlag weg." Und besser wird es nicht mehr: Im Herbst ist SPÖ-Parteitag, bis dahin muss Faymann den Druck aufrechterhalten. Dann steht schon das Superwahljahr 2015 vor der Türe. Für Hofer steht fest: "Harmonie kehrt nicht mehr ein. Dafür steht 2015 zu viel auf dem Spiel."

"Das letzte Mal Rot-Schwarz für lange Zeit"

Schon jetzt werde eines deutlich, sagt Hofer: "Beide wissen - und legen es auch darauf an -, dass dies für lange Zeit das letzte Mal Rot-Schwarz ist."

Dass an der Frage der Steuerreform schon jetzt die Koalition zerbricht, daran glaubt der Politikexperte aber nicht: "Nach einem halben Jahr kann man nicht ernsthaft an vorgezogene Neuwahlen denken. Außerdem: Den Weg zum Wähler müssen beide Parteien scheuen."

SPÖ und ÖVP sind also zum Weitermachen verdammt. Im koalitionären Infight hat die SPÖ derzeit die besseren Karten: Dank Faymanns Einschwenken auf die Forderung der Gewerkschaft und des linken Parteiflügels nach einer raschen Steuerreform hat er eine geschlossene Partei hinter sich. Die Kritiker nach der Wahl sind verstummt.

ÖVP-Chef Spindelegger ist hingegen in einem ziemlichen Dilemma: Nicht nur die wahlkämpfende Vorarlberger Landesgruppe schießt sich zunehmend auf ihn ein, auch die Steirer, die 2015 den Landeshauptmann zurückerobern wollen, werden versuchen, ihr Profil am Parteichef zu schärfen. Dazu kommt die offene Rebellion der schwarzen Arbeiterkämmerer und ÖGB-Funktionäre. Am Montag warf der Tiroler AK-Präsident Erwin Zangerl (ÖVP) Spindelegger "Ignoranz gegenüber den Arbeitnehmern" vor.

Vor allem aber habe es die ÖVP verabsäumt, sagt Hofer, der Debatte "eine andere Richtung zu geben: Steuerreform ja, aber wie wird sie finanziert?" Dadurch, dass die Volkspartei die eigene Argumentation vernachlässigt habe (was bedeutet eine Vermögenssteuer, die eine 4-Milliarden-Euro-Steuerreform heben soll?), sei sie nun in der absurden Situation, gegen etwas zu argumentieren, was zu den klassischen Forderungen der bürgerlichen Parteien gehört: die Entlastung der Steuerzahler.

Signale der Entspannung

Wollen SPÖ und ÖVP wenigstens noch einen Teil der Legislaturperiode halbwegs sinnvoll weiter zusammenarbeiten, braucht es im Streit um die Steuerreform eine Lösung, die beide Seiten das Gesicht wahren lässt. Diese ist derzeit allerdings noch nicht in Sicht. Aber zumindest kehrte nach dem heftigen Schlagabtausch am Montagnachmittag etwas Entspannung zwischen den Koalitionspartnern ein. So erklärte Spindelegger gegenüber der APA, dass ein Beschluss über eine Steuerreform schon im Juli 2015 möglich wäre. Doch in Kraft treten solle sie "frühestens im Jänner 2016" - oder später. Bis dahin will der Finanzminister das Nulldefizit erreichen. Ein Vorziehen auch nur von Teilen der Steuerreform lehnt Spindelegger ab: "Ich will keine Steuerreform auf Pump", sondern eine "echte, ehrliche Entlastung".

Das ist zwar nicht genau das, was die SPÖ will, aber für Kanzleramtsminister Josef Ostermayer ist es zumindest "ein erster, wenn auch zaghafter Schritt in die richtige Richtung". Immerhin bekenne sich Spindelegger zu einer Steuerreform und nenne einen Zeithorizont.

Neue und neue alte Steuern

Die Sozialdemokraten konkretisieren indes ihre Pläne für eine Steuerreform: Diese soll ein Volumen von vier bis sechs Milliarden Euro haben und schon 2015 umgesetzt werden. Finanziert werden soll sie durch eine "Millionärsabgabe", die jährlich 1,5 Milliarden Euro bringen soll, die Wiedereinführung von Erbschafts- und Schenkungssteuer, was 300 bis 500 Millionen bringt, sowie die Streichung von Ausnahmeregelungen (500 Millionen). Weitere 500 Millionen sollen durch eine Registrierkassenpflicht hereinkommen. Das soll Schwarzverkäufe ohne Rechnung verhindern. Mindestens eine Milliarde soll durch den erhöhten Konsum lukriert werden. Auch Strukturreformen - mit ihnen will die ÖVP die Voraussetzungen für eine Steuerreform schaffen - sollen kommen, erklärte Faymann.

Statt drei soll es laut SPÖ-Plänen künftig fünf Steuerklassen geben, der Eingangssteuersatz von 36,5 auf 25 Prozent sinken. Das soll den Steuerzahlern zwischen 406 und 1526 Euro pro Jahr bringen. Ein entsprechendes Papier veröffentlichte die "Kronenzeitung" am Wochenende. Dass es sich dabei um Zahlen des Finanzministeriums handelt, bestreitet Spindelegger: "Das sind keine Zahlen des BMF, sondern der SPÖ."