AK-Chef Muhm fordert Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Härtere Gangart der SPÖ beim Thema Arbeitsmarkt.
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Wien. "Österreich hat in der Europäischen Union den dritthöchsten Anteil an ausländischen Beschäftigten inklusive Arbeitslosen. Die Arbeitslosigkeit ist in hohem Maße importiert." Solche Töne war man bisher eher aus dem blauen Lager gewohnt, zumindest ohne vorgehaltene Hand. Die Aussage stammt allerdings von Werner Muhm, Präsident der Wiener Arbeiterkammer und enger Vertrauter von Bundeskanzler Werner Faymann. Gegenüber der "Krone" fordert er eine EU-Debatte über die Personenfreizügigkeit.
Schadensbegrenzung in der SPÖ
Kurzzeitig sorgte auch eine vermeintliche Aussage von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) gegenüber der Tageszeitung "Österreich" für Aufregung. Ausländische Arbeitnehmer, die nach Österreich zum Arbeiten kommen, sollten demnach hier den gleichen Lohn bekommen wie zu Hause. "Wo Muhm recht hat, ist, dass zu viele Arbeitskräfte nach Österreich kommen, weil es bei uns weniger prekäre Jobs gibt", wird Faymann zitiert. Der Artikel wurde allerdings im Laufe des Nachmittags gelöscht.
Innerhalb der SPÖ ist man um Schadensbegrenzung bemüht. Die Zeitung habe Faymann falsch zitiert, erklärt SPÖ-Kommunikationschef Matthias Euler-Rolle auf Nachfrage. Faymann habe sich auf die sogenannte Entsenderichtlinie bezogen. Richtig sollte es heißen: Ein ungarischer, in Österreich tätiger Arbeiter soll künftig gleich viel Lohn erhalten wie die übrigen in Österreich Tätigen. Zurzeit kann ein ungarischer Arbeiter zu günstigeren Konditionen als ein Österreicher beschäftigt werden. Tatsächlich darf laut Anti-Lohn- und Sozialdumpinggesetz niemand, der in Österreich arbeitete, unter dem gelten Kollektivvertrag beschäftigt werden, egal ob Österreicher oder Ausländer.
Auf EU-Ebene hat schon Großbritanniens Premier David Cameron die Debatte angeheizt. Er will nicht die Freizügigkeit, sondern Sozialleistungen für nicht-britische EU-Bürger kürzen. Entsprechende Zugeständnisse gab es schon von EU-Ratspräsident Donald Tusk. Beim kommenden EU-Gipfel am 18. und 19. Februar sollen die Regierungschefs aller EU-Staaten darüber entscheiden, ob ausländische EU-Bürger bis zu vier Jahre von Sozialleistungen ausgeschlossen werden sollen.
Kehrtwende bei Arbeitsmarktpolitik
Tatsache ist: Mit fast 500.000 Arbeitslosen und einem kaum vorhandenen Wirtschaftswachstum ist der heimische Arbeitsmarkt massiv unter Druck. Hinzu kommt eine andauernde Flüchtlingskrise, die Österreich stärker trifft als andere EU-Staaten. Rund 20.000 der beim AMS gemeldeten Jobsuchenden kamen als Flüchtlinge nach Österreich.
SPÖ-Sozialminister Alois Stöger betonte, dass es sich bei der Aussage Muhms "um eine Privatmeinung" handle und er dieser rechtlich skeptisch gegenüber stehe. Aber: Die Zuwanderung stelle Österreich in der EU sehr wohl vor Herausforderungen (am Arbeitsmarkt, Anm.), so Stögers Sprecher, Christoph Ertl.
Angesichts dessen und wohl auch wegen des steigenden Unmuts der eigenen Wählerschicht und der sinkenden Umfragewerte überrascht die radikale Kehrtwende der SPÖ nicht. Als die heimische ÖVP im Frühjahr die Familienbeihilfe für ausländische EU-Bürger, die hier arbeiten, aber deren Kinder im Ausland leben, kürzen wollte, gab es heftige Kritik seitens der Genossen. Und als Ungarn im September 2015 begann, Zäune gegen die Flüchtlinge zu bauen, fühlte sich Faymann an die "dunkelsten Zeiten Europas" erinnert. Stattdessen gibt es heute "Richtwerte" für Flüchtlinge und eine Debatten um die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit.
Konkurrenzkampfum Arbeitsplätze
Die Arbeitsmarktöffnung für ost-europäische EU-Bürger hat den heimischen Arbeitsmarkt nachhaltig verändert. Die "Wiener Zeitung" berichtete. Arbeiteten 2008 noch 94.057 Menschen aus den Ost-Ländern in Österreich, waren es im Vorjahr schon 233.720. Mit 90.874 sind die Deutschen die größte ausländische Arbeitnehmergruppe, gefolgt von Ungarn mit 71.000 und 38.000 Rumänen. Mehr Zuzug bedeutet eben mehr Arbeitslosigkeit.
Diese trifft aber weniger Österreicher als andere Migranten. Oder anders gesagt: Meist gut ausgebildete Fachkräfte aus den EU-Oststaaten verdrängen weniger qualifizierte, ehemalige Gastarbeiter aus der Türkei und den Ländern des einstigen Jugoslawiens. Das sieht man auch in der Arbeitslosenstatistik. Aktuell sind 19,8 Prozent der Türken als Jobsuchend gemeldet und nur 6,7 Prozent der Ungarn. Anderseits war die Osterweiterung ein gutes Geschäft für heimische Firmen, die in diese Richtung expandierten.
Dass die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit, einer der Grundpfeiler der Union, so einfach eingeschränkt werden kann, wie es Muhm fordert, bezweifelt der Arbeitsrechtexperte Martin Risak. "Sie ist in den EU-Verträgen verankert", sagt er. Für eine Änderung brauche es die Zustimmung aller 28 EU-Länder. Etwas leichter ließe sich aus Sicht Risaks der Zugang zu Sozialleistungen beschränken, weil damit nicht automatisch der Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt wäre.