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Das Ende der Pensions-"Versicherung"

Von Herbert Kohlmaier

Gastkommentare

Der Ursprung unserer viel gepriesenen Sozialversicherung liegt in solidarischen Berufsgenossenschaften im Bergbau, die ihre Mitglieder vor den Folgen von Krankheit, Unfällen oder anderen Notlagen schützten. Heute sind so gut wie alle Menschen in solche Systeme einbezogen, die neben "sozial" auch als "Versicherung" bezeichnet werden. Dementsprechend gilt, dass man Beiträge - gleichsam Prämien - einbezahlt und im Versicherungsfall Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen hat.


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Als Restbestand früherer berufsbezogener Konstruktion hat sich die sogenannte Selbstverwaltung erhalten, die von den Sozialpartnern beschickt wird. Das "Selbst" ist allerdings mehr Schein als Sein. Hat doch der Staat die Entscheidung über das Leistungssystem an sich gezogen. Es wurde zu einem Hauptgegenstand des ganzen Sozialsystems und zum Schauplatz der Politik - vor allem der Parteipolitik. Man gab ursprünglichen Selbsthilfeorganisationen vor, was man den Wählern versprach - das Wesen änderte sich: Nicht mehr gesellschaftliche Solidargebilde schalten und walten, sondern ihnen wird das Vermitteln von Wohltaten auferlegt.

In der Pensionsversicherung wollte man besonders großzügig sein - ist doch die "wohlerworbene" Pension des Österreichers liebstes Ziel. So überforderte man die Versichertengemeinschaft insbesondere durch Angebote eines möglichst frühen Ruhestands, wie der zur traurigen Berühmtheit eines sozialpolitischen Fehlgriffs gewordenen "Hacklerregelung". Was blieb dann dem Staat anderes übrig, als eine Ausfalls-

haftung zu übernehmen? In Zeiten von Sparbudgets muss nun wieder zurückgenommen werden, was man einst unbedacht zusagte.

Kann da noch von "Versicherung" die Rede sein? Private Anstalten müssen Deckungen ihrer Leistungszusagen nachweisen, wovon bei der staatlichen Sozialversicherung längst keine Rede mehr sein kann. Wenn der Gesetzgeber nun den Sparstift ansetzt, verstößt er mit einem Vorgehen, das an Willkür zumindest grenzt, gegen elementare Prinzipien jeder Versicherung. Er benachteiligt nämlich jene systematisch, die durch höhere Beiträge und längere Einzahlung dementsprechend höhere Leistungen erworben haben. Natürlich ist verständlich, die Bezieher kleinerer Leistungen zu schonen, aber das geschieht zulasten der Systemgerechtigkeit.

Die große Koalition will die Sünden der Vergangenheit nun mit einer schleichenden Umwandlung der Pensionsversicherung in ein Fürsorgesystem nach "sozialen" Gesichtspunkten beheben. Sie sollte das aber auch sagen und nicht die Illusion einer sozialen Versicherung aufrechterhalten, die selbstverwaltet wird. Müsste man hier nicht eine Grundsatzdiskussion führen und an Systembereinigungen denken? An eine Klarstellung der politischen Ziele und Möglichkeiten? Bisher wirkt es eher, als ob Frühstücksdirektoren am Werk wären, wie sie sich große Banken früher hielten, um ein ebenso sympathisches wie geschäftiges Bild zu vermitteln. So wird man aber die Probleme der heutigen Zeit nicht bewältigen können.

Herbert Kohlmaier war Sozialpolitiker der ÖVP und Volksanwalt.