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"Das Ende der Sparkassen-Struktur"

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Die neuen EU-Bankenregeln treffen Österreichs kleine Institute.


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Alpbach. Was haben die kleine Sparkasse Poysdorf und die mächtige Deutsche Bank gemeinsam? Sie unterliegen denselben europäischen Aufsichtsregeln. Nach der Finanzkrise stampfte die EU die Bankenunion aus dem Boden. Das Ziel: Banken sollten so stark werden, dass sie nie wieder den Steuerzahlern auf der Tasche liegen. Ein Blick auf die Hypo/Heta zeigt, dass dies eine ganz famose Idee ist. Mit der politischen Einigung kam die technische Umsetzung. Die Kapitalvorschriften wurden und werden immer stärker hinaufgesetzt, Eigentümer und Gläubiger von Banken müssen damit rechnen, zur Kasse gebeten zu werden.

Im Raiffeisen-, Sparkassen- und Volksbankensektor führt das derzeit zu einigen Verwerfungen, aber auch zu steigendem Unmut, der bei den Finanzgesprächen in Alpbach artikuliert wurde. "Wir haben die Bail-in-Regeln so gemacht, dass sie auch bleiben", sagte Eurogruppen-Vorsitzender Jerome Dijsselbloem bei einem Vortrag. Bail-in bedeutet eben die Beteiligung von Gläubigern an der Sanierung oder Abwicklung einer Bank. Und da haben die dezentralen Bankengruppen ein leises Problem. Ein Beispiel: Die Banken müssen künftig - wenn sie es noch nicht gemacht haben - "Bail-in-fähiges Kapital auf der Passivseite" aufweisen. Das wären etwa Anleihen, die im Ernstfall in Kernkapital gewandelt werden können. Wenn eine kleine Sparkasse aber über hohe Spareinlagen verfügt, benötigt sie dieses Geld gar nicht. Muss sie nun Spareinlagen so ausstatten, dass dieses Kundengeld im Ernstfall in eine Beteiligung an der Bank gewandelt werden kann? Kaum vorstellbar, dass sich die Bankkunden dies gefallen lassen würden. "Das wäre das Ende der Sparkassen-Struktur", ist aus Aufsichtskreisen zu hören.

Dementsprechend hart wird mit EU-Kommission und auch Europäischer Zentralbank verhandelt, um hier eine Lösung zu finden. Denn diese europäischen Regeln würden in Österreich vor allem die kleinen Institute treffen, die allerdings für die Finanzierung der regionalen Wirtschaft von überragender Bedeutung sind. "Wenn es so erschwert wird, eine Bank zu führen, wird dies die Kreditvergabe drücken", sagte ein Banker. Und das wiederum bedeutet einen Rückgang des Wirtschaftswachstums.

"Große Banken werden im Vergleich besser behandelt, weil die es gewohnt sind, am internationalen Kapitalmarkt aufzutreten. Und man muss eines sagen: Die Finanzkrise ist nicht von den kleinen Instituten ausgelöst worden, sondern von Großen der Branche", sagte auch Rudorfer von der Bankensparte in der Wirtschaftskammer. Beispielsweise begibt die Deutsche Bank ständig Anleihen. Deren Bedingungen zu ändern, ist vergleichsweise leicht möglich - auch wenn sie beim Zinssatz einen Risikoaufschlag in Kauf nehmen muss. Werden also die Falschen bestraft? Im Raiffeisen- und Sparkassensektor wird das so gesehen.

Gedrosselte Kreditvergabe

In Österreich gibt es 759 zugelassene Banken. Davon entfallen etwa 550 auf die drei dezentralen Sektoren, der gemeinsame Marktanteil liegt - je nach Produkt - zwischen 60 und 70 Prozent. Für die regionalen Kleinunternehmen sind diese Banken meist erste Adresse - und weil man sich im Dorf ja kennt, kann es schon einfacher gehen mit dem Kredit.

Die neuen europäischen Bankenregeln nehmen darauf nur bedingt Rücksicht. "Die EZB geht nach dem Grundsatz vor, dass nur eingezahltes Kapital auch als Kernkapital zu werten sein soll", erklärt ein Bankenaufseher.

Das wiederum trifft die Raiffeisenbanken hart, deren genossenschaftliche Struktur nicht gut ins neue Regelwerk passt. Die Eigentümer der Ortsbanken sind die Genossenschafter, in der Praxis die Kunden. Ein Genossenschaftsanteil ist wie eine Aktie eingezahlt, das stellt kein Problem dar. Allerdings haben die Raiffeisenbanken früher einen interessanten Trick angewendet. In den Satzungen der Banken wurde festgeschrieben, dass Genossenschafter mit einem Mehrfachen des Anteils haften - und im Ernstfall auch dafür zur Kasse gebeten werden. Das kann bis zum 20-Fachen des Anteils gehen. Haftsummenzuschlag nennt sich das, und im Raiffeisensektor wird insgesamt etwa eine Milliarde Euro Kapital über diese Haftung aufgebracht. Damit ist jetzt Schluss, Raiffeisen muss - über mehrere Jahre verteilt - dieses Luftkapital durch echtes ersetzen. Wenn dies nicht gelingen sollte, bleibt den örtlichen Banken nichts anderes übrig, als die Kreditvergabe zu drosseln. Denn so gut wie jedes Bankgeschäft muss mit Kapital unterlegt werden.

Beteiligungen im Nicht-Banken-Bereich verschlingen bereits einiges an Kapital, doch hier werden die Zügel noch fester angezogen. Skiliftbeteiligungen von regionalen Instituten in Westösterreich werden wohl bald der Vergangenheit angehören. "Die Bankenunion ist ein Meilenstein für Europa", hält der Europa-Abgeordnete Othmar Karas dagegen. "Es sollte nicht der Fehler gemacht werden, sich beim notwendigen Strukturwandel auf die EU abzuputzen. Es gibt einfach zu viele Banken in Österreich."

Immer weniger Bankstellen

Eine Analyse, der auch die Banken selbst zustimmen. Mit 5200 Bankstellen ist Österreich eher üppig bestückt, vor allem im Zeitalter des Internets. In Deutschland wird damit gerechnet, dass sich in den kommenden 20 Jahren die Zahl der Bankstellen halbieren wird. Bei den dezentralen Sektoren wird dies wohl zu einer weiteren Verringerung der Banken führen. In Österreich hat sich die Zahl der Sparkassen in den vergangenen 15 Jahren von 70 auf 46 reduziert - durch die Fusion kleinerer Institute.

Damit geht freilich auch Regionalität verloren. Dafür können sich die heimischen Steuerzahler sicherer fühlen. Und neben den Kapitalvorschriften müssen die europäischen Institute nun Einlagensicherungs-Fonds bestücken, die nach Ländern geordnet sind. Österreich wird vier davon haben: Raiffeisen, Sparkassen, Volksbanken und die Aktienbanken (inklusive der verbliebenen Hypobanken).