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Das Ende der Welt im Theologen-Disput

Von Stefan Beig

Politik

Der Jüngste Tag aus der Sicht von Christen und Muslimen. | Wien. Um "Endzeiterwartungen im Christentum und Islam" kreiste dieser Tage ein interreligiöses Rundgespräch im Islamischen Bildungs- und Kulturzentrum. Katholische, evangelische, sunnitische und schiitische Theologen trugen ihre Vorstellungen über das göttliche Gericht vor. Veranstalter war die Kulturabteilung der iranischen Botschaft.


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"Eine positive Erwartung des Jenseits setzte sich im Christentum nur langsam durch", erklärte Johann Figl, Professor für katholische Theologie an der Uni Wien. Mehrere Motive hätten dazu geführt: "Gott ist allmächtig und kann daher den Menschen selbst aus dem Grab befreien. Dass die Gerechten am Ende das gleiche Los erwartet wie die Schurken ist mit Gottes Gerechtigkeit nicht vereinbar."

Figl und sein evangelischer Kollege Alfred Garcia Sobreira-Majer warnten davor, das Christentum als bloße Seelenlehre zu sehen. "Die Seele ist im Christentum im Gegensatz zu Platon nicht etwas Unabhängiges", sagte Sobreira-Majer, Fachinspektor für evangelischen Religionsunterricht. "Eine Abwertung des Leibes führt zum Dualismus." Der evangelische Theologe warnte vor zu viel Spekulation über den Jüngsten Tag: "Jenseitsvorstellungen wirken auf die Gegenwart zurück und können politisch instrumentalisiert werden."

Jesus und Mahdi

Die sunnitische Sicht legte Abdurrahman M. Reidegeld, Dozent an der Islamischen Religionspädagogischen Akademie, dar. Die Menschheitsgeschichte zerfalle in mehrere Phasen. Heute lebten wir in der Zeit der kleinen Zeichen, die ein Hinweis auf den Jüngsten Tag seien und vom Propheten Mohammed angekündigt wurden. "Die kleinen Zeichen sind eine Warnung." Wem die kleinen Zeichen wichtig sind, "der kehrt zum Anstand zurück."

 "Die Prophetenüberlieferung sagt: Die eigentliche Stunde des jüngsten Tages wird nicht eintreffen, bevor nicht die Übelsten der Menschen auf der Erde versammelt sind. Das heißt, dass die Menschen global gesehen moralisch immer schlechter werden." Diese und noch konkretere Prophezeiungen würden sich laut Reidegeld in der heutigen Zeit bereits erfüllen. Viele Perversionen seien heute öffentlich hoffähig gemacht. "Im Gegensatz zum Mittelalter gibt es heute kein Schuldgefühl mehr."

Nicht alle Menschen würden gerettet werden. "Es wird dem Menschen nichts nützen, wenn er draufkommt, dass er nur Böses getan hat. Dem, der Unrecht tut, ist der Schöpfer nicht Freund." Jesus und Mahdi würden auftreten, doch die Menschheit wird weiterhin schlechter werden. Am Ende gebe es einen "Vernichtungszug der Engel gegen das Diesseits".

Genau die entgegen gesetzte Entwicklung prognostiziert Muhammad Waldmann, islamischer Theologe und geistlicher Leiter des Islamischen Bildungs- und Kulturzentrums. "In der Endzeit werden die Menschen ihren vollkommenen Glauben erlangen. Die Religion wird sich über die gesamte Welt ausbreiten", erläuterte er die schiitische Sicht.

Diesseits und Jenseits

Der große Reformer Mahdi werde in Erscheinung treten. "Mahdi lebt bereits seit über 1000 Jahren im Verborgenen. Voraussetzung für das Erscheinen von Mahdi wird ein allgemeines Streben nach dem Guten und Gerechten sein."

In der anschließenden Diskussion kamen praktische Konsequenzen der Jenseitsvorstellungen zur Sprache. Reidegeld betont die Verantwortung des Menschen für das, was nachher kommt. "Der Mensch, der nichts hinterlässt, ist ein fruchtloser Baum." Laut Sobreira-Majer führe die Vorstellung des Jenseits zu einer Gelassenheit gegenüber dem Diesseits: "Man muss in dieser Welt nicht alles haben."