Philosophie und Religion als Nährboden für Untergangsszenarien.
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Berlin.
Wenn am 21. Dezember 2012 die Welt untergehen sollte, wie es die alte Hochkultur der Maya in Zentralamerika prophezeit haben soll, sind wir zumindest mit einem Schlag alle Sorgen los: Eurokrise und Staatsverschuldungen, aber auch die Frage, wo man nächstes Jahr Weihnachten verbringen will. Von unserer heutigen Welt dürfte wenig übrig bleiben, wenn gigantische Flutwellen selbst die Gebirge verheeren und der Rest der Zivilisation in sich zusammenkracht.
So jedenfalls suggeriert es ein Film von Roland Emmerich, der 2009 in die Kinos kam. Damals stellte sich das Problem noch nicht so dringend. Jetzt aber wird die Zeit knapp, nächstes Jahr ist es soweit. Man sollte sich langsam Gedanken machen, was denn dran ist, am Weltuntergang.
Gedanken an das Ende der Menschheit sind nicht neu. Auch Martin Luther dachte darüber nach: "Wenn ich wüsste, dass morgen der Jüngste Tag wäre, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen", soll der Gründer der evangelischen Kirche gesagt haben.
Philosophie und Religion heißt der Nährboden, auf dem seit der Antike immer wieder Weltuntergangsszenarien gewachsen sind. Diese Geisteswissenschaften waren noch im 18. Jahrhundert untrennbar mit den Naturwissenschaften verbunden. Das trifft auch für die Maya-Hochkultur zu, deren Stadtstaaten zwischen 250 und 900 nach Christus Zentralamerika beherrschten. Mit mehr als zehntausend Einwohnern waren manche Städte damals größer als jede Stadt Mitteleuropas zur gleichen Zeit. Auf der Halbinsel Yucatan aber hatten die Maya ein Problem. "Die Region ist recht trocken", sagt Wolfgang Lucht, der am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung die Zusammenhänge zwischen Vegetation und Klimaänderungen untersucht. Um genug Mais anbauen zu können, wurde Regenwasser gespeichert und Grundwasser aus Karsthöhlen geholt. Dieses leiteten sie über ein Bewässerungssystem auf ihre Felder. Ohne einen Kalender, der Trocken- und Regenzeiten abschätzen lässt, funktioniert eine solche Landwirtschaft kaum.
Heute verwendet man großteils einen Kalender, der auf Tagen, Wochen, Monaten und Jahren basiert. Da die Erde aber für einen Umlauf um die Sonne 365,2425 Tage braucht, vergeht bis zu einem bestimmten Sonnenstand wie etwa der Wintersonnwende keine gerade Zahl von Tagen. Damit sich die Jahreszeiten nicht verschieben, fügt unser Kalender alle vier Jahre mit dem 29. Februar einen Schalttag ein. Dieser fällt im hundertsten Jahr aus, findet aber in jedem 400. Jahr dennoch statt. Nur mit diesem komplizierten System können die Jahreszeiten konstant gehalten werden.
Wieder auf null gestellt
Der Maya-Kalender hatte einen Rhythmus, der religiöse Zeremonien in Tzolkin-Jahren von 260 Tagen zählte. Die besten Zeiten für Saat und Ernte ermittelten sie mit einem 365-Tage-Kalender namens Haab. Jeder Haab hatte 18 Monate mit je 20 Tagen, zusätzlich gab es fünf weitere Tage. Bei Bedarf wurde ein Schalttag eingelegt. 52 Halbjahre lang konnte jeder der 18.980 Tage mit Hilfe der Kombination aus Tzolkin- und Haab-Einheiten bestimmt werden. "Danach wurde der Kalender wieder auf null gestellt und von vorne gezählt", so Lucht.
Das Ende einer solchen Kalenderrunde wurde ausgiebig gefeiert. Überall im Land wurden die Feuer gelöscht, um das Ende der Epoche zu symbolisieren. Danach begann eine neue Zeitrechnung. Das Ganze ähnelt ein wenig einem Jahreswechsel am Ende eines Jahrhunderts, an dem die Europäer auch eine neue Epoche mit großen Feiern begrüßen.
Die Maya-Hochkultur existierte weit mehr als 52 Jahre. Daher entwickelten Priester und Wissenschafter einen neuen Kalender, mit dem sich jedes Datum innerhalb von 5125 Jahren exakt feststellen lässt. Dessen Beginn ist der 11. August 3114 vor Christus. Das Ende wäre der 21. Dezember 2012. Dann endet wieder die Zeitrechnung. Da die Maya-Hochkultur aber im zehnten Jahrhundert nach Christus unterging, dürften die Feiern diesmal kleiner ausfallen. Und die Welt wird davon vermutlich auch nicht untergehen.
Die Weltuntergangstheorie
Erst in moderner Zeit wurden aus Maya-Inschriften Weltuntergangstheorien abgeleitet. "Die Planeten würden sich annähern ...", zitiert der Katastrophenfilm "2012" eine der Aussagen. Anhänger dieser Theorie deuten dies so: Die Planeten des Sonnensystems stehen dann so hintereinander, dass ihre Anziehungskräfte sich addieren und auf die Erde solche Kräfte ausüben, dass gewaltige Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüche ausgelöst werden. Gemeinsam üben alle Planeten hingegen nur zwei Prozent der Kraft auf die Erde aus, die der Mond allein bewirkt, so der Astronom Florian Freistetter in Jena - Auswirkungen hat das keine. Obendrein gibt es am 21. Dezember 2012 mit Sicherheit kein solches vollständiges Hintereinander der Planeten. Auch den Untergang ihrer eigenen Hochkultur konnten die Maya-Priester nicht in ihren Kalendern ablesen. Er wurde vielmehr vermutlich von mehreren Trockenperioden zwischen 810 und 910 nach Christus mit verursacht, wie Gerald Haug von der Eidgenössisch-Technischen Hochschule in Zürich skizziert. Klimaforscher Wolfgang Lucht zweifelt daran. "Das Verschwinden dieser Hochkultur ist auch heute noch ein Mysterium."