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Eine neue ÖNORM empfiehlt nur Verwendung der männlichen Form.
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Wien. Gibt es sie tatsächlich, die Sprachpolizei? Einsatzgebiete gäbe es ja genug, wenn etwa statt einem "Bis bald" ein "xoxo" ans Briefende gesetzt wird (es steht für "Umarmung" und "Kuss"), oder wenn ein Schreiben an "S.g. Hr./Fr. BürgerInneninitiativen-Obmann/frau" adressiert ist.
Die deutsche Sprache hat zwar ein Regel-, aber eben kein Gesetzeswerk, auf dessen Basis die Exekutive einschreiten könnte. Doch es gibt tatsächlich Normen, genauer: die ÖNORM A 1080.
Sie ist für das "Erstellen und Gestalten von Schriftstücken in Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und im privaten Bereich vorgesehen. Sie dient zur Unterstützung im Unterricht sowie in der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung", heißt es im Vorwort. "Sie hat aber keinen bindenden Charakter, es ist nur eine Empfehlung", erklärt Johannes Stern, der Mediensprecher des zuständigen österreichischen Normungsinstituts. Derzeit ist eine Neufassung dieser Norm in Arbeit, bis Ende März kann jeder eine Stellungnahme dazu abgeben. Und natürlich jede, womit wir schon im Kern der Sache wären.
Kritik von ÖH und SPÖ
In der neuen Norm wird geraten, weibliche Formen nur noch in ausgeschriebener Weise zu verwenden, also etwa bei "Liebe Kolleginnen und Kollegen", wobei die weibliche Form stets zuerst genannt werden muss. Vom "Binnen-I" und seinen Freunden, dem noch namenlosen "_innen" oder auch dem "*innen" wird generell abgeraten.
Diese Empfehlung blieb nicht folgenlos. Die österreichische Hochschülerschaft lehnt die Norm ab: "Wir sind darüber enttäuscht, dass im 21. Jahrhundert versucht wird, in einer Norm auf weibliche Bezeichnungen zu verzichten. Die männlichen Bezeichnungen schließen die weiblichen ganz klar aus." SPÖ-Frauensprecherin Gisela Wurm mahnte: "Wer Frauen nicht nennt, ignoriert sie."
Das für diese Norm A 1080 zuständige Komitee begründet seine Empfehlung mit der Lesbarkeit. "Jeder Text muss unmittelbar laut (vor-)lesbar sein. Nur wenn diese Bedingung erfüllt ist, kann sich zugleich mit dem Leseprozess auch Sinnverständnis einstellen." Doppelschreibweisen wie "der/die Lehrer/in" seien ebenso wenig sprechbar wie das Binnen-I.
Daher sollte etwa in Infobroschüren und in wissenschaftlichen Arbeiten die verallgemeinerte Form verwendet werden, da diese die Lesbarkeit unterstützt. Geschlechtssensibel bedeute beiden Geschlechtern "gleiche Wertschätzung" entgegenzubringen, heißt es. Den Leserinnen und Lesern einen "Buchstabensalat" hinzuwerfen, quasi als Baukastensystem, damit sich diese den Satz selbst zusammenzimmern, sei weder für Männer noch für Frauen wertschätzend, sondern missachte beide Geschlechter, heißt es im Entwurf des Komitees, dem übrigens eine Frau vorsitzt.
Und erwähnt sei auch: Das Österreichische Normungsinstitut, das sich eben auch der Sprache widmet, heißt seit 2008: "Austrian Standards Institute".