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Das Ende des Paria-Daseins

Von Ronald Schönhuber

Politik
Auch der britische Premier David Cameron versprach Suu Kyi ein Ende der Sanktionen.

Nach mehreren Ländern hebt nun auch die EU ihre Burma-Sanktionen auf.


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Rangun. Dass ein Überlandbus nicht nur einen Job für den Fahrer bietet, ist in den armen Ländern der Welt nicht unüblich. Neben dem Lenker gibt es oft noch Ticketverkäufer, Helfer, die das Gepäck verstauen, und jene, die mit scharfsichtigem Blick den Straßenrand nach Kundschaft absuchen. In Burma kommt dem zweiten oder dritten Mann an Bord jedoch noch eine ganz andere Bedeutung zu. Er muss dem Fahrer Bescheid geben, ob ein Überholmanöver gerade möglich ist. Denn in Burma wird zwar auf der rechten Straßenseite gefahren, die Fahrer sitzen aber oft auch rechts in ihrem Auto wie in den britisch geprägten Ländern.

Der Ursprung dieser unorthodoxen burmesischen Verkehrspraxis liegt schon Jahrzehnte zurück. Im Zuge ihres Versuchs, jede Erinnerung an die britische Kolonialherrschaft zu tilgen, stellte die mit eiserner Hand regierende Militärjunta den Verkehr 1970 von Links auf Rechts um. Dass die Fahrer aber bis heute noch nicht auf die andere Seite ihrer Fahrzeuge gewechselt haben, hat vor allem mit dem Jahr 1988 zu tun. Damals verhängte der Westen angesichts anhaltender Menschenrechtsverletzungen weitreichende wirtschaftliche Sanktionen über Burma. Autos kamen nur noch über die sich nicht an diese Sanktionen haltenden Staaten wie Thailand oder Japan ins Land, doch anders als in Burma herrscht dort bis heute Linksverkehr.

Die oft zum Blindflug genötigten Autofahrer sind vielleicht das skurrilste Ergebnis des jahrzehntelangen Sanktionsregimes, es ist aber bei weitem nicht das einzige. Burma gleicht heute - zumindest was die Produktauswahl anbelangt - einer chinesischen Dependance. Egal ob Motorräder, Fernseher, Mobiltelefone oder Shampoo - so gut wie alles ist "Made in China". "Für China war das jahrelang wie Elfmeterschießen ohne Torwart", sagt ein Unternehmer aus Rangun.

Ein Land voller Potenzial

Doch mit dem Spiel ohne Torwart scheint es nun vorbei zu sein. Burma als Paria der Weltgemeinschaft, das lässt sich angesichts des 2010 von Ex-General Thein Sein begonnenen Reformkurses nicht mehr so recht aufrechterhalten. Von Woche zu Woche bröckelt die Front derjenigen, die die Beibehaltung der Sanktionen fordern, ein Stückchen weiter. Immer lauter werden die Stimmen jener, die wie der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel eine "Reformdividende" fordern.

Zuletzt ist am Donnerstag der Widerstand in der EU gebrochen. Laut Diplomatenkreisen haben sich die EU-Botschafter in einer Grundsatzerklärung darauf geeinigt, sämtliche Sanktionen gegen Burma für ein Jahr aufzuheben. Nach Ablauf dieser Periode soll dann die Ernsthaftigkeit der Reformbemühungen nochmals überprüft werden. Formell abgesegnet soll das alles bei einem Treffen der EU-Außenminister am 23. April werden. Auch Japan hat Burma am Donnerstag Erleichterungen in Aussicht gestellt. So soll es in absehbarer Zeit wieder Kredite für Burma geben.

Die USA hatten bereits zu Beginn der Woche ihre Sanktionen im Finanzbereich gelockert. Damit ist es US-Entwicklungshilfeorganistionen fortan erlaubt, in Burma zu investieren und Projekte durchzuführen. Eine mögliche Ausdehnung dieser Maßnahme auch auf US-Unternehmen hatte Außenministerin Hillary Clinton bereits unmittelbar nach dem Erdrutschsieg von Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi bei den Nachwahlen Anfang April in Aussicht gestellt.

Dass nicht alle Sanktionen auf einmal aufgehoben werden, hat auch Suu Kyi selbst empfohlen. Die 66-jährige Friedensnobelpreisträgerin fürchtet, dass der Reformeifer der noch immer von militärnahen Politikern dominierten Regierungspartei USDP ansonsten möglicherweise wieder erlahmen könnte. Noch immer sitzen in Burma hunderte politische Häftlinge im Gefängnis, auch der Umgang mit den Minderheiten im Norden ist bis heute von gewaltsamen Übergriffen geprägt.

Die zunehmende Aufweichung des einst so restriktiven Sanktionsregimes hat aber nicht nur etwas mit Reformdividenden und weiteren Anreizen für die Zukunft zu tun. Burma ist mit gut 60 Millionen Einwohnern nach Indonesien das größte Land in Südostasien. Vor allem im Norden gibt es neben Erdgas und Erdöl auch noch andere Bodenschätze und Edelsteine. Und auch die großen Bestände an Tropenholz versprechen lukrative Geschäfte. "Burma ist zwar bitterarm, aber voller Potenzial", sagt Philipp Hoffmann, der vor ein paar Monaten eine Filiale des Hamburger Handelshauses Jebsen & Jessen in Rangun aufgemacht hat.