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Das Ende des Wirtschaftens

Von Helmut Kern

Gastkommentare
Der Autor ist Geschäfts-führender Gesellschafter der Beyond Consulting GmbH.

Alle wurden Opfer eines Systems, das niemand mitgestaltet haben will. Nun fallen dieselben über die Markt- wirtschaft her. Es folgt die Massenvergewaltigung der Steuerzahler.


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Hayek, Friedman, Keynes, Marx - sie alle würden sich anlässlich des aktuellen Wirtschaftsgeschehens und der umtriebigen Hilflosigkeit der Akteure im Grab umdrehen. Nach Fukuyamas Ende der Geschichte, das nie stattgefunden hat, erleben wir nun das Ende des Wirtschaftens, das hoffentlich auch nur eine kurze Atempause der Vernunft darstellt. Wirtschaften, das doch eigentlich den sorgsamen Umgang mit knappen Ressourcen zum Inhalt hat, verkommt zur Bedeutungslosigkeit.

Alle wurden Opfer eines Systems, das niemand mitgestaltet haben will. Aber nun fallen dieselben über die geschundene Tochter Marktwirtschaft her, wie eine ausgehungerte Soldateska über niedergebrannte Dörfer. Es folgt die Massenvergewaltigung der Steuerzahler.

Dass systemrelevante Banken trotz eifriger Beteiligung am "System" gerettet werden, das nehmen wir zähneknirschend in Kauf. Dass auch nicht systemrelevante Banken gleich mit gerettet werden, soll sein. Das kostet uns, Garantien nicht eingerechnet, bis zu 15 Milliarden Euro (1875 Euro/Staatsbürger). Macht nichts, wir kriegen ja etwas dafür, am Ende wird´s noch ein Geschäft für den Steuerzahler!

Dass der AUA in einer Luftfahrtkrise, die wahrlich nicht überraschend kam, nun noch 500 Millionen (60 Euro/Staatsbürger) nachgeworfen werden, so what!

Dass die in einem der härtesten Wettbewerbsmärkte tätigen europäischen Autohersteller, die über die besten Prognose-Instrumente und langfristige Planungen verfügen, nun mit billigen Krediten in Höhe von 40 Milliarden (90 Euro/EU-Staatsbürger) subventioniert werden, um an schadstoffarmen Autos zu forschen (was haben die eigentlich bisher gemacht?), bestätigt die Schamlosigkeit der Akteure im "System".

Anlässlich der unfreiwilligen Freigiebigkeit der Steuerzahler haben mich nun auch Freunde und Bekannte, die nicht in "Schlüsselindustrien" von "nationalem Interesse" tätig sind, gebeten, anlässlich des Antrittsbesuchs beim nächsten Finanzminister einige Wünsche nach sinnvoller Subventionierung mit nicht vorhandenem Staatsvermögen zu deponieren.

Die Beträge sind grundsätzlich hoch angesetzt, um nicht Gefahr zu laufen, ignoriert zu werden: Ein Greißler ersucht um 5,8 Milliarden für den Einzelhandel, um die erhöhte Sparsamkeit der Konsumenten in Krisenzeiten zu kompensieren. Ein Landwirt bat um 7,6 Milliarden für die Waldbesitzer, um Vorkehrungen für die Zunahme von Waldschäden aufgrund des Klimawandels zu treffen.

Ein Apotheker meinte, 2,3 Milliarden für den plötzlichen Verdienstentgang durch die vermehrte Nutzung von Generika wären nicht schlecht, und die Anwälte in der Runde urgierten aufgrund der rasch zunehmenden Verfahren gegen Vermögensberater eine Rekrutierungsmilliarde zum Anwerben neuer Konzipienten.

Wir Unternehmensberater hätten gerne 12,8 Milliarden Euro für die Entwicklung von neuen Kostenrechnungssystemen zur Krisenprävention. Im Notfall tut´s auch die Hälfte.

tribuene@wienerzeitung.at